VwGH vom 27.01.2014, 2013/11/0070
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des S S in S, vertreten durch Mag. Bernhard Wagner, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-12-0268, betreffend Entziehung einer Lenkberechtigung und weitere Maßnahmen nach dem FSG (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalls wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/11/0171, verwiesen. Mit diesem wurde der Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem im Instanzenzug dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Dauer von zehn Monaten entzogen und begleitende Maßnahmen nach dem FSG angeordnet worden waren, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Maßgebend dafür war, dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage eine Feststellung, ob der Beschwerdeführer, der eine Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert hatte, ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, nicht getroffen hatte.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom (Ersatzbescheid) wurden - erneut - dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Dauer von zehn Monaten entzogen und begleitende Maßnahmen verhängt.
Die Begründung dieses Bescheids beschränkt sich (nach einem Hinweis auf die Aufhebung des Vorbescheids) auf folgende - hier wörtlich wiedergegebenen - Ausführungen:
"Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt daher folgenden Sachverhalt als erwiesen fest:
Der nach Angaben aller Zeugen offensichtlich schwer alkoholisierte Beschwerdeführer hat am Tattag bei seinem Eintreffen zu Hause seine Ehefrau am Körper verletzt, weshalb die Funkleitzentrale verständigt und die Beamten zu der verletzten Ehefrau in die Erstversorgung in das Landesklinikum St. Pölten fuhren. Beide dort anwesenden Töchter gaben an, dass der Vater betrunken mit dem PKW nach Hause gefahren sei und dort von der älteren Tochter verlangt hätte, ihn in ein Casino nach Tschechien zu führen, wobei beide Töchter angegeben haben, den Vater ein Kraftfahrzeug lenken gesehen zu haben. Der Beschwerdeführer wurde vom Meldungsleger zur Durchführung eines Alkomattestes nach Hinweis über die Folgen einer Verweigerung aufgefordert, welche er mit der Begründung, die Beamten hätten ihn beim Lenken des KFZs nicht gesehen, verweigerte. Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung haben beide Töchter, zeugenschaftlich einvernommen angegeben, den Vater nicht beim Lenken eines Kraftfahrzeuges gesehen zu haben. Sie hätten dies nur deshalb angegeben, damit die Polizei den Vater, welcher vorgab, in weiterer Folge mit seinem Auto wegzufahren, vom Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand abzuhalten.
Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt daher in rechtlicher Hinsicht fest, dass nach Gegenüberstellung der einzelnen Aussagen, insbesondere der Erstangaben der Töchter, der vom Rechtsmittelwerber offensichtlich konstruierten Angaben im Zusammenhang mit dem Nachhausekommen zum Tatzeitpunkt sowie der Position des Kraftfahrzeuges zum Tatzeitpunkt in Fahrtrichtung, ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass der Rechtsmittelwerber das Kraftfahrzeug zum tatgegenständlichen Zeitpunkt in (schwer) alkoholisiertem Zustand gelenkt hat.
Gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 des Führerscheingesetzes gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn jemand 'ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hierbei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO begangen hat'. Ebenso stellen die im § 26 Abs. 1 und Abs. 2 FSG genannten Übertretungen jeweils auf ein 'Lenken oder Inbetriebnehmen der Kraftfahrzeuges' ab.
Da der Unabhängige Verwaltungssenat sohin keinerlei Zweifel hegt, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seines Lenkens alkoholisiert gewesen ist, war der Berufung ein Erfolg zu versagen und mit Abweisung des Rechtsmittels vorzugehen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat mit Schriftsatz vom Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
Da die Akten insofern unvollständig vorgelegt wurden, als das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom fehlte, wurde die belangte Behörde mit Verfügung vom - unter Zurückstellung der vorgelegten Verwaltungsakten - unter Hinweis auf § 38 Abs. 2 VwGG aufgefordert, die Akten des Verwaltungsverfahrens vollständig vorzulegen, und dazu eine Frist von einer Woche eingeräumt.
Daraufhin wurde mit Schriftsatz der belangten Behörde vom das Protokoll über die Verhandlung vom vorgelegt; eine Vorlage der übrigen Aktenteile unterblieb aber.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerde rügt im Wesentlichen, ein einwandfreier Nachweis, der Beschwerdeführer habe tatsächlich ein Kraftfahrzeug gelenkt bzw. in Betrieb genommen, sei von der belangten Behörde nicht erbracht worden. Jedenfalls aber sei das Verfahren vor der belangten Behörde mangelhaft geblieben, weil die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom zum Beweis dafür, dass er weder ein Kraftfahrzeug gelenkt noch in Betrieb genommen habe, beantragten Zeugen S. B., D. K. und S. S. nicht vernommen worden seien. Die Verhandlung sei zur Einvernahme dieser Zeugen zunächst erstreckt, dessen ungeachtet sei in weiterer Folge aber - ohne neuerliche Verhandlung - davon Abstand genommen worden, weil der Sachverhalt angeblich "ausreichend geklärt" sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen relevanten Verfahrensmangel auf.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Inhalt des vorgelegten Verhandlungsprotokolls (die weiteren Aktenbestandteile wurden seitens der belangten Behörde - wie oben erwähnt - nicht mehr vorgelegt) das Beschwerdevorbringen (zunächst erfolgte Erstreckung der Verhandlung zwecks Einvernahme der namhaft gemachten Zeugen) deckt. Am Ende des Verhandlungsprotokolls findet sich schließlich folgender (handschriftlicher) Aktenvermerk: "Das Beweisverfahren wird geschlossen, da eine weitere Einvernahme von Zeugen entbehrlich erscheint, der SV ausreichend geklärt. 15/5/2012".
Im angefochtenen Bescheid wurde nicht einmal dargelegt, dass seitens des Beschwerdeführers zum entscheidenden Beweisthema (tatsächliches Lenken bzw. Inbetriebnehmen eines Fahrzeugs) weitere Beweisanträge gestellt worden waren; ebensowenig, dass und aus welchen Gründen ihnen seitens der belangten Behörde letztlich nicht nachgekommen wurde.
Da die belangte Behörde jegliche Begründung dafür schuldig geblieben ist, warum die vom Beschwerdeführer beantragte Einvernahme der genannten Zeugen unterlassen wurde, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet.
Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
QAAAE-83665