VwGH vom 08.03.2022, Ra 2019/16/0081

VwGH vom 08.03.2022, Ra 2019/16/0081

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und den Hofrat Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Präsidenten des Landesgerichts Salzburg gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W199 2117199-1/5E, betreffend Zeugengebühren (mitbeteiligte Partei: Dr. T F in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner, Univ.-Prof. Dr. Max Leitner und Dr. Mara-Sophie Häusler, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Wollzeile 24), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Der Mitbeteiligte, ein in Wien ansässiger Zahnarzt, wurde mit Ladung vom als Zeuge zu einer Streitverhandlung betreffend eine Zivilrechtssache vor dem Landesgericht Salzburg am geladen und in dieser Verhandlung als Zeuge einvernommen.

2Mit Schreiben vom  machte der Mitbeteiligte seinen Gebührenanspruch geltend und brachte vor, er habe auf Grund seiner Anwesenheit als Zeuge seine Ordination für einen Tag „still legen“ müssen. Seine Ordinationszeiten wären an diesem Tag von 9 bis 12 Uhr 30 und 14 bis 18 Uhr gewesen. Ausgehend von der Höhe seines steuerpflichtigen Einkommens aus zahnärztlicher Tätigkeit im Jahr 2014 von 221.259,86 € (entsprechend einer dem Schreiben beigelegten Bestätigung eines Steuerberaters) sowie den jährlich geleisteten Arbeitsstunden (auf Grundlage der Ordinationszeiten sowie von 236 Arbeitstagen pro Jahr) ergebe sich ein (durchschnittliches) Einkommen von 154 € pro Stunde. Als Entschädigung für Zeitversäumnis werde ein Einkommensentgang iHv 1.160 € geltend gemacht.

3Mit Schreiben vom forderte die Kostenbeamtin des Landesgerichts Salzburg den Mitbeteiligten auf, den tatsächlichen Einkommensentgang entsprechend zu bescheinigen. Ein tatsächlich entgangenes Einkommen iSd § 18 Abs. 1 Z 2 GebAG 1975 liege bei einem selbständig Erwerbstätigen nur vor, wenn dieser während der versäumten Zeit eine konkrete, ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit hätte ausüben können. Diese Tätigkeit könne in der Regel bezeichnet, beschrieben und erforderlichenfalls durch Urkunden oder Aussagen bescheinigt werden. Zum Nachweis der Höhe des Einkommensentgangs genüge nicht die Ermittlung eines fiktiv nach Durchschnittssätzen errechneten Einkommens.

4In Beantwortung dieses Schreibens führte der Mitbeteiligte aus, er erhebe bezüglich des ihm aus der Erfüllung seiner Zeugenpflicht entstandenen „Schadens“ aus Zeitversäumnis einen Anspruch auf 1.480 €. Dazu verwies er auf Kalkulationen der Wiener Wirtschaftsuniversität, wonach ein Wiener Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde mindestens 185 € in der Stunde umsetzen müsse, bevor er die Gewinnzone erreiche, sodass sich unter Zugrundelegung dieses Stundensatzes ein Betrag iHv 1.480 € ergebe.

5Mit Bescheid vom bestimmte die Kostenbeamtin für den Präsidenten des Landesgerichts Salzburg die Gebühren des Mitbeteiligten für die Teilnahme an der Verhandlung mit insgesamt 228,70 €. In diesem Betrag war u.a. als Entschädigung für Zeitversäumnis eine Pauschalentschädigung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG 1975 iHv 113,60 € (8 Stunden á 14,20 €) enthalten. In der Begründung des Bescheids wurde ausgeführt, ein Zeuge, der einen höheren Betrag als die Pauschalentschädigung nach § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG 1975 geltend mache, habe den Verdienstentgang konkret zu bescheinigen. Nachweise über errechnete fiktive Tagessätze seien dafür nicht ausreichend. Der Mitbeteiligte habe nicht bescheinigt, welche Geschäfte ihm konkret entgangen seien. Da sich aus den vom Mitbeteiligten vorgelegten Nachweisen jedoch unzweifelhaft dessen selbständige Erwerbstätigkeit ergebe, stehe ihm die Pauschalentschädigung von 14,20 € je Stunde für einen achtstündigen Arbeitstag zu.

6In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte der Mitbeteiligte vor, er könne keine detaillierten Angaben zu den Tätigkeiten machen, die er am Tag seiner Einvernahme hypothetisch durchgeführt hätte, weil es in einer normalen Kassenordination üblich sei, dass die Patienten mit unspezifischen Anliegen Termine vereinbarten und sich erst bei der Untersuchung herausstelle, welche Tätigkeiten notwendig seien. Darüber hinaus bestünde etwa 20% der täglichen Arbeit des Mitbeteiligten darin, Patienten mit akuten Beschwerden zu behandeln, welche die Ordination kurzfristig aufsuchten. Es sei ihm auch nicht möglich, Auszüge aus seinem Terminkalender vorzulegen, da die Kalenderblätter aus Datenschutzgründen regelmäßig von den Ordinationsmitarbeiterinnen vernichtet würden. Der wäre aber ein Ordinationstag wie jeder andere gewesen, sodass dem Mitbeteiligten der Verdienst aus der Behandlung von rund 30 bis 40 Patienten entgangen sei. Die Ordination des Mitbeteiligten sei täglich vollkommen ausgelastet. Es sei daher unmöglich, die Termine innerhalb der Ordinationszeiten zu verschieben. Der Mitbeteiligte könne die Ordination auch nicht an einem zusätzlichen Nachmittag öffnen, da er außerhalb der Ordinationszeiten für die Landeszahnärztekammer Wien, das X-Institut und als Gerichtssachverständiger tätig sei.

7Der Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und dem selbständig Erwerbstätigen Einkommen gebracht hätten, in der Regel bezeichnet, beschrieben und bescheinigt werden könnten, sei im vorliegenden Fall so zu verstehen, dass gerade kein solcher Regelfall vorliege. Die versäumten Tätigkeiten, die ohne Zweifel angefallen wären, könnten im vorliegenden Fall nur nach allgemeinen Gesichtspunkten beschrieben werden. Die Ansicht der belangten Behörde führe dazu, dass es dem Mitbeteiligten faktisch unmöglich gemacht werde, einen Verdienstentgang, den er dem Grunde nach nachweislich erlitten habe, geltend zu machen. Es wäre daher geboten gewesen, auf Basis des dem Grunde nach glaubhaft gemachten Verdienstentgangs eine Entschädigung über dem Pauschale zuzusprechen, wobei der Verwaltungsgerichtshof die Schätzung ausdrücklich zulasse. Im Übrigen lasse es der Verwaltungsgerichtshof für den Nachweis des Einkommensentgangs der Höhe nach ausreichen, dass der Zeuge auf in einem vergleichbaren Zeitraum verrechnete Durchschnittssätze verweise. Anhand des steuerpflichtigen Einkommens des Mitbeteiligten aus seiner zahnärztlichen Tätigkeit im Jahr 2014 iHv 221.259,86 € ergebe sich bei 47 Arbeitswochen im Jahr und einer Wochenarbeitszeit von 30,5 Stunden ein Stundensatz von 154,35 €. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelange man bei Zugrundelegung der Fixkosten, die laut der Wiener Gebietskrankenkasse für einen Facharzt der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde 185 € pro Stunde betrügen. Weiters bestünden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die unterschiedliche Gebührenbestimmung bei einem sachverständigen Zeugen und einem Sachverständigen, denen dadurch Rechnung getragen werden könne, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Entschädigung für Zeitversäumnis nicht derart streng ausgelegt würden, dass eine Glaubhaftmachung des Verdienstentgangs faktisch unmöglich gemacht werde.

8Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten statt und änderte den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts Salzburg dahingehend ab, dass es die Gebühren des Mitbeteiligten hinsichtlich der Entschädigung für Zeitversäumnis mit 1.157,70 € bestimmte. Weiters sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der Mitbeteiligte sei als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Wien selbständig erwerbstätig. Im fraglichen Zeitraum seien seine Ordinationszeiten am Montag, Dienstag und Donnerstag von 9 bis 12 Uhr 30 und 14 bis 18 Uhr, am Mittwoch von 8 bis 12 Uhr und am Freitag von 9 bis 13 Uhr gewesen. Der Mitbeteiligte habe im Jahr 2014 ein steuerpflichtiges Einkommen aus seiner zahnärztlichen Tätigkeit iHv 221.259,86 € erzielt. Die Ordination sei im Jahr 2014 an 236 Arbeitstagen geöffnet gewesen.

10Der Mitbeteiligte sei allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, er sei im fraglichen Zeitraum auch Direktor des X-Instituts sowie Leiter eines Referats der Landeszahnärztekammer Wien gewesen.

11Der Mitbeteiligte sei von Wien nach Salzburg gereist, dort am , einem Donnerstag, als Zeuge einvernommen worden und nach Wien zurückgereist. Er habe deshalb an diesem Tag seine Ordination geschlossen halten müssen. Wäre die Ordination geöffnet gewesen, hätte er an diesem Tag wie an jedem anderen Ordinationstag Patienten behandelt, die zum Teil ohne Voranmeldung gekommen wären. Es sei dem Mitbeteiligten nicht möglich gewesen, diese Ordinationsstunden auf freie Nachmittage (Mittwoch oder Freitag) zu verlegen, weil er diese Halbtage zur Erfüllung seiner übrigen Aufgaben nutze.

12Der Mitbeteiligte betreibe eine Kassenordination, die von Versicherten frequentiert werde und die daher üblicherweise zu den Öffnungszeiten aufgesucht werden könne, ohne dass unbedingt eine Voranmeldung erforderlich wäre. Auch wenn sich Patienten im Vorhinein anmelden müssten oder angemeldet hätten und daher auf einen anderen Ordinationstag hätten verwiesen werden können, sei dies letztlich zu Lasten der Termine anderer Patienten gegangen, sodass dem Mitbeteiligten jedenfalls auch bei Verschiebungen ein Verdienstausfall entstanden wäre. Patienten mit dringendem Behandlungsbedarf hätten unter Umständen einen anderen Zahnarzt aufgesucht. Auch wenn es sich bei der Tätigkeit eines Zahnarztes um einen freien Beruf handle, ähnle die Situation teilweise jener eines Gewerbetreibenden, der seinen Umsatz zum Teil auch mit „Laufkundschaft“ mache.

13Der Mitbeteiligte habe nicht eine pauschale Entschädigung für Zeitversäumnis beantragt, die nach § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG 1975 zu bemessen wäre, sondern anstatt dieser Entschädigung das „tatsächlich entgangene Einkommen“ nach § 18 Abs. 1 Z 2 leg. cit.

14Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne bei einem selbständig Erwerbstätigen von einem tatsächlichen Einkommensentgang nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren gegangen sei. Dabei sei das tatsächlich entgangene, nicht ein nach Durchschnittssätzen zu berechnendes Einkommen zu ersetzen. Die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und Einkommen gebracht hätten, könnten in der Regel bezeichnet, beschrieben und erforderlichenfalls durch Urkunden oder Aussagen bescheinigt werden. Diesem Erfordernis sei der Mitbeteiligte nachgekommen, indem er die Art seiner Ordinationstätigkeit beschrieben habe. Daraus lasse sich das tatsächlich entgangene Einkommen errechnen und bescheinigen, sei doch der Schätzungsweg durch die §§ 18, 19 Abs. 2 GebAG 1975 nicht verschlossen. Eine solche Schätzung sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht der Ermittlung eines fiktiven Einkommens nach Durchschnittssätzen gleichzuhalten, müsse Ausgangspunkt der Schätzung doch stets eine konkrete, dem selbständig Erwerbstätigen ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit während des Zeitraums der Verhinderung sein.

15Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Sache des Zeugen, nicht nur den auf der Hand liegenden Einnahmenausfall an dem Tag der Zeugeneinvernahme darzulegen, sondern zu behaupten und glaubhaft zu machen, dass die Einnahmen verloren gegangen seien, weil die Vornahme der Behandlung nur an diesem Tag und nicht auch an einem anderen Termin möglich gewesen sei. Diese Glaubhaftmachung sei dem Mitbeteiligten gelungen.

16Die in der Beschwerde vorgenommene Berechnung sei daher nicht zu beanstanden. Bei einem „Stundensatz“ von 154,35 € und dem Entfall von 7,5 Ordinationsstunden stehe dem Mitbeteiligten ein (nach § 20 Abs. 3 GebAG 1975 gerundeter) Gebührenanspruch iHv 1.157,70 € zu.

17Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens (§ 36 VwGG) und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten erwogen hat:

18Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

19Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

20In der außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, habe dieser doch ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen als tatsächlichen Einkommensentgang klar abgelehnt. Das Bundesverwaltungsgericht habe die vom Mitbeteiligten begehrte Berechnung des Verdienstentgangs auf Basis des Jahreseinkommens dividiert durch die Jahresarbeitsstunden und multipliziert mit den Tagesarbeitsstunden irrtümlich als Schätzung zugelassen, obwohl der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt eine solche Berechnung als ein lediglich fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen abgelehnt habe (Hinweis auf ; , 98/17/0097; , 93/17/0329). Weiters fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob einem Arzt, der eine Ordination ohne Terminvergabe betreibe, ein errechnetes Durchschnittseinkommen nicht zuzusprechen sei, weil es sich dabei um ein fiktives Durchschnittseinkommen handle, oder ob darin eine (zulässige) Schätzung liege.

21Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

22§ 3 des Bundesgesetzes vom 19. Feber 1975 über die Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Geschworenen und Schöffen in gerichtlichen Verfahren und der Vertrauenspersonen (Gebührenanspruchsgesetz 1975 - GebAG 1975), BGBl. Nr. 136 idF BGBl. I Nr. 111/2007, lautet samt seiner Überschrift auszugsweise wie folgt:

„Umfang der Gebühr

§ 3. (1) Die Gebühr des Zeugen umfaßt

1.den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

2.die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet.

(2) [...]“

23§ 18 GebAG 1975 idF BGBl. I Nr. 98/2001 1autet samt seiner Überschrift wie folgt:

„Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis

§ 18. (1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen

1.12,10 Euro für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,

2.anstatt der Entschädigung nach Z 1

a)beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,

b)beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,

c)anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,

d)die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.

(2) Im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.“

24Auf Grundlage der in § 64 GebAG 1975 normierten Verordnungsermächtigung wurde mittels Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Festsetzung eines Zuschlags zu den im Gebührenanspruchsgesetz 1975 angeführten festen Beträgen, BGBl. II Nr. 134/2007, ein Zuschlag von „17 vH“ zu den im GebAG 1975 angeführten festen Beträgen festgesetzt und eine kaufmännische Rundung auf volle 10 Cent angeordnet, woraus sich nach Z 4 der Anlage der Verordnung eine pauschale Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG 1975 iHv 14,20 € ergibt.

25§ 18 GebAG 1975 räumt einem selbständig Erwerbstätigen, der durch die Befolgung seiner Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet, grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen der Pauschalentschädigung nach § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG 1975 und dem Ersatz des tatsächlich entgangenen Einkommens nach § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b leg. cit. ein (vgl. ; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG - GebAG4, § 18 Anm. 2, 4). Letzterer setzt aber voraus, dass der Zeuge für die Verhinderungszeit einen (höheren) konkreten Vermögensschaden bescheinigen kann (vgl. etwa ; , 1743/80; sowie nochmals Krammer et al, aaO).

26Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, kann nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes unter einem „tatsächlich entgangenen“ Einkommen im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG 1975 nicht ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen verstanden werden (vgl. so bereits zur gleichlautenden Vorgängerregelung des § 3 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG 1975 idF BGBl. 336/1975 ; , 1743/80; sowie aus der jüngeren Judikatur etwa ; ). Würde man ein solches genügen lassen, wäre einerseits das Wort „tatsächlich“ völlig inhaltsleer, andererseits aber der Regelung des § 18 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 GebAG 1975 weitgehend der Anwendungsbereich entzogen, wonach dort, wo ein Einkommensentgang feststeht, die konkrete Höhe aber nicht errechnet werden kann, von Gesetzes wegen bestimmte pauschale Sätze vorgesehen sind (vgl. so bereits zur Regelung des § 18 Abs. 2 GebAG 1975 idF BGBl. 336/1975 ; vgl. weiters zu der durch die Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1989, BGBl. 343/1989, erwarteten Vereinfachung für die Praxis durch die verstärkte Inanspruchnahme der pauschalen Entschädigung aufgrund deren Erhöhung Krammer et al, aaO, Anm. 1, 2).

27Dass der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, nicht aber nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten (vgl. etwa ; , 93/17/0001).

28Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargetan hat, können die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und dem selbständig Erwerbstätigen Einkommen gebracht hätten, in der Regel bezeichnet, beschrieben und erforderlichenfalls durch Urkunden oder Aussagen bescheinigt werden. Auf Grund der für diese Tätigkeiten üblichen Entgelte und der dem Selbständigen bei Erfüllung der versäumten Tätigkeit erwachsenden variablen Auslagen wird sich in der Regel auch das tatsächlich entgangene Einkommen errechnen und bescheinigen lassen, wobei der Schätzungsweg durch die §§ 18, 19 Abs. 2 GebAG 1975 keineswegs verschlossen ist (vgl. nochmals , mwN). Die Schätzung des tatsächlichen Einkommensentgangs, der durch eine bestimmte Zeitversäumnis verursacht wird, ist jedoch der Ermittlung eines fiktiven Einkommens nach Durchschnittssätzen keineswegs gleichzuhalten, muss doch Ausgangspunkt auch der Schätzung stets eine konkrete, dem selbständig Erwerbstätigen ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit während des Zeitraums der Verhinderung sein (vgl. etwa ; , 93/17/0329).

29Das Bundesverwaltungsgericht hat den Stundensatz von 154,35 € lediglich ausgehend von dem steuerpflichtigen Einkommen des Mitbeteiligten im Jahr 2014 und den jährlich geleisteten Arbeitsstunden ermittelt. Damit hat es nur ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen als Ersatz zu Grunde gelegt.

30Für den Zuspruch des konkreten Einkommensverlusts hätte es aber einer Bescheinigung und Feststellung der näheren Aufgliederung der für die versäumten Tätigkeiten üblichen Entgelte (abzüglich der variablen Auslagen) bedurft. Nur in diesem Zusammenhang käme eine Schätzung, etwa des für eine bestimmte Tätigkeit üblichen Entgelts (oder der variablen Auslagen) in Betracht.

31Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019160081.L00

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