VwGH vom 24.04.2020, Ra 2019/16/0080

VwGH vom 24.04.2020, Ra 2019/16/0080

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W208 2182174-2/5E, betreffend Gerichtsgebühren (mitbeteiligte Partei: M S in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1Mit Beschluss vom bewilligte das Bezirksgericht Fünfhaus der zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen betreibenden Partei die Forderungsexekution zur Hereinbringung einer rückständigen und laufenden Unterhaltsforderung der betreibenden Partei gegen den Mitbeteiligten.

2Nach einem Zahlungsauftrag der Kostenbeamtin vom und einer dagegen mit Schriftsatz vom erhobenen Vorstellung des Mitbeteiligten schrieb die revisionswerbende Präsidentin dem Mitbeteiligten mit Bescheid vom Pauschalgebühren gemäß TP 4 Z I lit. a und Anmerkung 1a GGG samt Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG in jeweils näher angeführter Höhe vor.

3Der Mitbeteiligte erhob dagegen mit Schriftsatz vom eine als Einspruch bezeichnete Beschwerde.

4Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt, hob den vor ihm bekämpften Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes ersatzlos auf und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5Der erwähnte Beschluss des Bezirksgerichtes vom sei mittels Stampiglie antragsgemäß bewilligt worden. In dem Beschluss sei kein Ausspruch über die Zahlung der Pauschalgebühr nach § 21 Abs. 2 GGG aufgenommen worden, der diesbezüglich dafür vorgesehene Stampiglienbereich „Pauschalgebühr“ sei nicht ausgefüllt worden.

6Die in Rede stehende Pauschalgebühr betreffe ein Unterhaltsexekutionsverfahren, welches sich auf die Hereinbringung von Unterhaltsforderungen eines (damals) minderjährigen Kindes beziehe. Gemäß Anmerkung 8 zu TP 4 GGG sei die betreibende Partei von der Verpflichtung zur Entrichtung der Gerichtsgebühren nach TP 4 leg. cit. befreit; die Zahlungspflicht treffe die verpflichtete Partei nach Maßgabe des § 21 GGG.

7Gemäß § 21 Abs. 2 GGG sei in dem Beschluss, mit dem die Exekution bewilligt werde, dem Verpflichtenden gleichzeitig auch die Zahlung der in TP 4 Z I lit. a leg. cit. angeführten Pauschalgebühr aufzutragen. Ein solcher Ausspruch sei im Revisionsfall in den Beschluss, mit dem die Exekution bewilligt worden sei, nicht aufgenommen worden. Ausgehend von der gesetzlichen Formulierung in § 21 Abs. 2 GGG „... ist in dem Beschluss ... Pauschalgebühr aufzutragen ...“ dürfe die Einhebung durch die Vorschreibungsbehörde nur unter Zugrundelegung des Grundsatzbeschlusses des Gerichtes erfolgen. Der Vorschreibungsbehörde stehe also in diesen Fällen eine Vorschreibung mit Zahlungsauftrag nicht zu, solange der Grundsatzbeschluss des Gerichtes nicht gefasst sei. Ein solcher Beschluss des Bezirksgerichtes liege im Revisionsfall nicht vor, weshalb der Zahlungsauftrag der belangten Behörde ersatzlos zu beheben gewesen sei.

8Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien legte das Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

9Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); der Mitbeteiligte reichte mit Schriftsatz vom eine Revisionsbeantwortung ein.

10Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13Die revisionswerbende Präsidentin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, zur Anwendbarkeit der Bestimmung des § 21 Abs. 1 GGG, wonach der Verpflichtete zur Entrichtung der Gerichtsgebühren, von denen der Betreibende befreit ist, auf jeden Fall verpflichtet ist, auch auf Verfahren, die der Gebührenpflicht nach TP 4 Z 1 lit. a GGG unterliegen, liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Es stelle sich die Frage, ob bei Fehlen eines Beschlusses nach § 21 Abs. 2 GGG die Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1 leg. cit. ausgeschlossen sein solle.

14Die Revision ist zulässig.

15Tarifpost 4 (TP 4) Z I lit. a des Gerichtsgebührengesetzes (GGG) sieht Pauschalgebühren in Exekutionsverfahren mit Ausnahme hier nicht interessierender Exekutionsverfahren auf unbewegliches Vermögen in nach dem Wert des Streitgegenstandes abgestufter näher angeführter Höhe vor.

16Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 GGG ist, soweit für die einzelnen Verfahren nicht besondere Bestimmungen bestehen, bei Exekutionsverfahren der Antragsteller (betreibender Gläubiger) zahlungspflichtig.

17Gemäß Anmerkung 8 zu TP 4 GGG ist in Unterhaltsexekutionsverfahren, die sich auch auf die Hereinbringung von Unterhaltsforderungen minderjähriger Kinder beziehen, die betreibende Partei von der Verpflichtung zur Entrichtung der Gerichtsgebühren nach TP 4 befreit und trifft die Zahlungspflicht die verpflichtete Partei nach Maßgabe des § 21 leg. cit.

18§ 21 GGG lautet:

„§ 21. (1) Im Exekutionsverfahren ist der Verpflichtete zur Zahlung der Gerichtsgebühren, die die gebührenbefreite Partei zu entrichten gehabt hätte, auf jeden Fall verpflichtet, soweit nicht der Antrag des betreibenden Gläubigers abgewiesen wird oder soweit nicht nach § 75 EO die Gebühren dem Gläubiger zur Last fallen.

(2) Ist in einem dem Anwendungsbereich der Tarifpost 4 Z I lit. a unterliegenden Exekutionsverfahren der betreibende Gläubiger von der Entrichtung der Gerichtsgebühren befreit, so ist in dem Beschluss, mit dem die Exekution bewilligt wird, dem Verpflichteten gleichzeitig auch die Zahlung der in Tarifpost 4 Z I lit. a angeführten Pauschalgebühr aufzutragen; dieser Beschluss ist sofort vollstreckbar. Die Exekution ist auch zur Hereinbringung der Pauschalgebühr zu führen; die Pauschalgebührenforderung steht im Rang vor der betriebenen Forderung.

(3) In den Fällen, in denen das Exekutionsverfahren nach § 39 Abs. 1 Z 1 oder 9 EO eingestellt wird, ist der Verpflichtete von den Gerichtsgebühren, die die gebührenbefreite Partei zu entrichten gehabt hätte, auch dann befreit, wenn keine Entscheidung des Exekutionsgerichtes nach § 75 EO ergangen ist. Bereits entrichtete Gerichtsgebühren sind dem Verpflichteten zurückzuzahlen.

(4) ...“

19Die Materialien zum GGG (ErlRV 366 BlgNR 16. GP, 32f) führen zu § 21, dessen Abs. 2 in der Stammfassung lediglich die Exekution auf bewegliche körperliche Sachen erfasste, aus:

„§ 21 Abs. 1 regelt die Zahlungspflicht des Gegners der gebührenbefreiten Partei im Exekutionsverfahren und entspricht im Wesentlichen dem § 20 Abs. 2 GJGebGes. 1962.

Die Bestimmung des § 21 Abs. 2 ist neu. Sie dient der Verminderung des Verwaltungsaufwandes in Exekutionsverfahren auf bewegliche körperliche Sachen in den Fällen, in denen der betreibende Gläubiger von der Pflicht zur Entrichtung der Gerichtsgebühren befreit ist. Nunmehr soll gleichzeitig mit der betriebenen Forderung auch die Gerichtsgebührenforderung des Bundes (Tarifpost 4 lit. a) hereingebracht werden, wodurch eine zweimalige Exekution gegen dieselbe verpflichtete Partei erspart wird; beim Vollzug hat demnach der Gerichtsvollzieher die Pfändung der in der Gewahrsame des Verpflichteten befindlichen Gegenstände nicht nur für die betriebene Forderung, sondern auch zugunsten der Gerichtsgebührenforderung vorzunehmen. Der Beschluss, mit dem die Gerichtsgebühren bestimmt werden, ist ein richterlicher Beschluss (Beschluss des Rechtspflegers), gegen den das Rechtsmittel des Rekurses zulässig ist. Kann die Gerichtsgebührenforderung im Rahmen des auf Antrag des betreibenden Gläubigers eingeleiteten Exekutionsverfahrens nicht hereingebracht werden, hat der Kostenbeamte des Exekutionsgerichtes gemäß § 213, 212 Abs. 4 Geo. vorzugehen und den Zahlungsauftrag (§ 6 GEG 1962) zu erlassen.

Neu ist auch die Vorschrift des Abs. 3; hiedurch soll den Fällen Rechnung getragen werden, in denen der Exekutionstitel nachträglich für ungültig erkannt, aufgehoben oder für unwirksam erklärt worden ist (§ 39 Abs. 1 Z 1 und 9 EO).“

20Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, wurde § 21 Abs. 2 insoweit geändert, als die Einschränkung auf Exekutionen auf bewegliche körperliche Sachen beseitigt wurde.

21Die Materialien (ErlRV 72 und zu 72 BlgNR 20. GP, 296f) führen dazu an, dass aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die bestehende Regelung im Exekutionsverfahren auf bewegliche körperliche Sachen auf alle anderen Exekutionsverfahren ausgedehnt werden solle (insbesondere auf Drittschuldnerexekutionen), die in den Anwendungsbereich der Tarifpost 4 lit. a GGG fallen.

22§ 21 Abs. 1 GGG legt als besondere Bestimmung gegenüber § 7 Abs. 1 Z 1 leg. cit. somit die Person des Gebührenschuldners fest, wodurch die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebührenschuld im Revisionsfall nicht der nach Anmerkung 8 zu TP 4 GGG gebührenbefreiten betreibenden Partei, sondern dem Verpflichteten zukommt.

23§ 21 Abs. 2 GGG normiert für die dort genannten Fälle die Zuständigkeit des Gerichtes zur Vorschreibung der Pauschalgebühr durch Beschluss. Wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend festhält, räumt der Gesetzgeber dem Gericht nicht eine Möglichkeit ein, sondern verpflichtet das Gericht, die Zahlung solcher Pauschalgebühren aufzutragen (arg: „ist aufzutragen“).

24Der Umstand, dass § 21 Abs. 1 GGG für das Exekutionsverfahren schlechthin eine Regelung über den Gebührenschuldner trifft, lässt die Anordnung des § 21 Abs. 2 leg. cit. unberührt, durch wen und wie die Vorschreibung der Gerichtsgebührenschuld zu erfolgen hat.

25Die zwingende Anordnung an das Gericht, die Zahlung der in Rede stehenden Pauschalgebühren mit Beschluss aufzutragen, gleicht etwa der Anordnung in § 2 Abs. 2 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 (GEG), wonach die einen näher genannten Betrag übersteigenden Kosten einer Amtshandlung vom Gericht mit der Auszahlungsanweisung oder unverzüglich danach mit gesondertem Beschluss dem Grunde nach zu bestimmen sind. Eine Vorschreibung mit Zahlungsauftrag steht dem Kostenbeamten solange nicht zu, solange der Grundsatzbeschluss des Gerichtes nicht gefasst ist (vgl. - wie vom Bundesverwaltungsgericht zutreffend zitiert - , zu § 3 Abs. 2 GEG in der damals anzuwendenden Fassung, sowie Dokalik, Gerichtsgebühren, § 2 GEG, E. 129).

26Die revisionswerbende Präsidentin weist darauf hin, der Beschluss nach § 21 Abs. 2 GGG habe gleichzeitig mit der Bewilligung der Exekution zu erfolgen und das Unterlassen einer solchen Beschlussfassung durch das Gericht aus welchen Gründen immer hätte die Unmöglichkeit der Gebührenvorschreibung zur Folge.

27Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob das Unterlassen des in § 21 Abs. 2 GGG angeordneten Auftrags zur Zahlung der Pauschalgebühren eine offenbare Unrichtigkeit darstellt, welche einer Berichtigung des Beschlusses nach § 430 iVm § 419 ZPO zugänglich wäre.

28Eine Überprüfung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung hat gemäß § 6b Abs. 4 GEG jedenfalls nicht zu erfolgen. Auch das Unterlassen einer Entscheidung, zu der das Gericht zuständig ist, ermächtigt die Justizverwaltung nicht, diese Entscheidung gleichsam „nachzuholen“.

29Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019160080.L00

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