VwGH vom 27.05.2010, 2008/21/0630
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 152.724/2-III/4/2008, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, befindet sich seit Ende Mai 2006 in Österreich. Ihm wurden zweimal Aufenthaltsbewilligungen für Studierende gemäß § 64 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), zuletzt mit einer Befristung bis , erteilt.
Nachdem der Beschwerdeführer am die österreichische Staatsbürgerin Jasmin K. geheiratet hatte, stellte er am einen "Zweckänderungsantrag" auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" nach § 47 Abs. 2 NAG.
Diesen Antrag wies der Landeshauptmann von Kärnten mit Bescheid vom gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG ab, weil sich die Ehefrau des Beschwerdeführers derzeit in Haft befinde und kein Einkommen beziehe, sodass der Lebensunterhalt für einen gemeinsamen Aufenthalt in Österreich nicht gesichert sei. Die dagegen erhobene Berufung wies die Bundesministerin für Inneres mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Zu den in der Beschwerde auch geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken ist voranzustellen, dass der Verfassungsgerichtshof die Differenzierung hinsichtlich der Erteilung von Aufenthaltstiteln zwischen drittstaatszugehörigen Angehörigen von Österreichern anhand des Kriteriums, ob diese einen gemeinschaftsrechtsrelevanten Sachverhalt verwirklicht haben, (u.a. in Bezug auf die Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen nach § 11 NAG) in seinem Erkenntnis vom , B 1462/06, SlgNr. 18.269/2007, für sachlich gerechtfertigt erachtete (siehe in diesem Sinne und darauf bezugnehmend auch das Erkenntnis vom , G 244/09 u. a.).
Der belangten Behörde sind aber - wie die Beschwerde zutreffend geltend macht - bei der inhaltlichen Beurteilung des gegenständlichen Antrages mehrere Fehler unterlaufen:
Zunächst hat sie die Höhe des Ausgleichzulagenrichtsatzes für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG "ab " mit EUR 1.158,08 angenommen, obwohl die mit BGBl. II Nr. 7/2009 vorgenommene Erhöhung erst für das Kalenderjahr 2009 gegolten hat. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides betrug der genannte Richtsatz in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2007 lediglich EUR 1.120,--. Nicht nachvollziehbar ist auch, weshalb die belangte Behörde das vom Beschwerdeführer erzielbare Einkommen mit EUR 940,-- netto monatlich und unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen mit durchschnittlich EUR 1.096,66 angenommen hat, obwohl nach der Bestätigung vom über die beabsichtigte Einstellung des Beschwerdeführers ein monatlicher Nettolohn von EUR 1.070,--, zugesagt wurde, woraus sich im Monatsdurchschnitt bei Bedachtnahme auf die Sonderzahlungen ein Betrag von EUR 1.248,-- errechnet hätte. Damit wäre aber der Bedarf für den Beschwerdeführer und seine Ehefrau - auch unter Einbeziehung des in der Höhe von EUR 100,-- zu leistenden Unterhalts für ihr minderjähriges Kind - gedeckt gewesen.
Die belangte Behörde hat aber auch schon die vorgelegte schriftliche Bestätigung über eine Einstellungszusage deshalb nicht als geeigneten Nachweis angesehen, weil es sich um keinen arbeitsrechtlichen Vorvertrag handle und die Bestätigung nicht "den gesetzlichen Bestimmungen gemäß § 936 ABGB" entspreche. Der Fremde muss zwar nachweisen, dass hinreichend konkrete Aussicht besteht, er könnte im Falle der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels einer näher konkretisierten Erwerbstätigkeit, überdies in erlaubter Weise, nachgehen und damit das nach § 11 Abs. 5 NAG - auch für die Unterhaltsleistungen an Dritte - notwendige Ausmaß an Einkommen erwirtschaften (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0088). Für die von der belangten Behörde dazu offenbar vertretene Auffassung, dass ein derartiger Nachweis ausschließlich durch einen - im § 7 Abs. 1 Z 7 NAG-DV allerdings nur beispielsweise genannten - "arbeitsrechtlichen Vorvertrag" und nicht auch durch eine glaubwürdige und ausreichend konkretisierte Bestätigung erbracht werden könnte, gibt die belangte Behörde aber keine nachvollziehbare Begründung. Sie hätte sich somit mit der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigung über eine Einstellungszusage inhaltlich auseinandersetzen und sie einer (Beweis )Würdigung unterziehen müssen.
Außerdem hat die belangte Behörde die Rechtslage hinsichtlich der Tauglichkeit von Sparguthaben zum Nachweis der Deckung des Unterhaltsbedarfs verkannt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt nämlich - anders als die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid meint - der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel auch durch Spareinlagen in Betracht (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0659, mwN; siehe beispielsweise auch das Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0859).
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die bloße Wiedergabe einzelner Rechtssätze aus der Judikatur des EGMR der erforderlichen Prüfung unter dem Gesichtspunkt des § 11 Abs. 3 NAG nicht gerecht wird (siehe zu einer im Wesentlichen inhaltsgleichen Begründung Punkt 4. des Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2008/21/0165, mwH).
Für das weitere Verfahren wird noch angemerkt, dass die Niederlassungsbehörden den vorliegenden "Zweckänderungsantrag" - am Maßstab des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2007/21/0186 - zwar im Ergebnis zu Recht nicht als "Verlängerungsantrag" im Sinne des § 24 NAG angesehen haben, dass sich aber diesbezüglich nunmehr durch die Novellierung des § 8 Abs. 5 NAG mit BGBl. I Nr. 122/2009 die Rechtslage geändert hat. Wird aber die Versagung eines Aufenthaltstitels auf das Nichtvorliegen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung wie jener nach § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG - mangelnder Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel und deshalb gegebene Gefahr der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft - gegründet, so hat die Niederlassungsbehörde bei einem (auch mit einer Zweckänderung verbundenen) Verlängerungsantrag sogleich nach § 25 Abs. 1 NAG vorzugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0376).
Der angefochtene Bescheid war jedoch schon aus den vorgenannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am