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VwGH vom 20.11.2014, 2013/11/0031

VwGH vom 20.11.2014, 2013/11/0031

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des S O in L, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Burghard-Breitner-Straße 4, gegen den Bescheid der Stellungskommission Tirol vom , Zl. P960941/8-MilKdo T/Kdo/ErgAbt/2012, betreffend Feststellung der Tauglichkeit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalls wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/11/0018, verwiesen. Mit diesem hat der Verwaltungsgerichtshof einen früheren, die Tauglichkeit des Beschwerdeführers feststellenden Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil diese eine Auseinandersetzung mit der Frage unterlassen hatte, ob und in welchem Ausmaß der Beschwerdeführer durch die bei ihm bestehende Wespengiftallergie in der - für die Bejahung der Tauglichkeit erforderlichen - Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werde.

Im fortgesetzten Verfahren stellte die belangte Behörde mit Bescheid vom erneut (nach einer neuerlichen Untersuchung des Beschwerdeführers) die Eignung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst gemäß § 9 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 WehrG mit "tauglich" fest. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, das Bedienen einer Waffe, das Erlernen des Verhaltens in einem militärischen Umfeld und die Ausbildung an der Waffe seien durch die Allergie in keiner Weise eingeschränkt, weil eine körperliche Symptomatik nur akut und in Folge eines Insektenstichs auftrete. Überempfindlichkeit auf Wespenstiche habe ein breites klinisches Spektrum. Dieses reiche von einer lokalen starken Schwellung bis hin zu Ausschlägen und Juckreiz am ganzen Körper und schließlich - als "Maximalvariante" - zu anaphylaktischem Schock, bei dem es ohne Behandlung auch zu einem Kreislaufversagen kommen könne. Der Beschwerdeführer habe eine Hyposensibilisierungstherapie erfolgreich abgeschlossen. So sei bei einem Labortest eine seither abgeschwächte Reaktionsneigung im Blut festgestellt worden; auch der negative Prick-Test vom sei als Indiz dafür zu werten, dass die Therapie erfolgreich gewesen sei.

Zwar könne eine allergische Reaktion pro futuro bei niemandem zu 100% ausgeschlossen werden. Es würden aber alle zu starken Reaktionen neigenden Allergiker mit einem Notfallset ausgestattet, weshalb dieser Personenkreis sogar sicherer sei als die "Normalbevölkerung", der bei einer allfälligen allergischen Reaktion keine Soforttherapie zur Verfügung stehe.

Die Einschätzung in vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden, es könne nicht vorausgesagt werden, wie dieser auf einen Wespenstich reagieren würde, sei zwar zutreffend. Doch bestehe im Rahmen des Wehrdienstes kein erhöhtes Risiko, einen Wespenstich zu erleiden, und sei zudem davon auszugehen, dass ein Soldat, der Opfer eines Wespenstiches werde, wegen der Ausstattung mit einem Notfallset und der Möglichkeit der Hilfeleistung durch beaufsichtigendes, gut ausgebildetes Kaderpersonal besser versorgt würde, als dies "im zivilen Leben" gelingen würde. So zeige auch die Erfahrung der Allergieambulanz und des Notarztwesens, dass die meisten Leute von einzelnen Wespen - dies meistens in Gast- oder Obstgärten oder bei der Arbeit an Holzkonstruktionen, aber nicht bevorzugt an Schießplätzen - gestochen würden. Im Ergebnis sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung verfüge.

Über die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift der belangten Behörde erwogen:

1.1. Da die vorliegende Beschwerde mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof bereits anhängig war, sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG darauf die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des WehrG lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Aufnahmebedingungen

§ 9. (1) In das Bundesheer dürfen nur österreichische Staatsbürger einberufen werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung besitzen. ...

...

Aufgaben

§ 17. (1) Den Stellungskommissionen obliegt die Feststellung der Eignung der Personen, die sich der Stellung unterziehen, zum Wehrdienst. Hiebei haben die Stellungskommissionen auch Wünsche der angeführten Personen hinsichtlich der Zuteilung zu Waffen- und Truppengattungen und zu Truppenkörpern entgegenzunehmen sowie Erhebungen über die Ausbildung und besonderen Fachkenntnisse dieser Personen anzustellen.

(2) Die Stellungskommissionen haben die Eignung der Personen nach Abs. 1 zum Wehrdienst auf Grund der ärztlichen und psychologischen Untersuchungen mit einem der folgenden Beschlüsse festzustellen: 'Tauglich' oder 'Vorübergehend untauglich' oder 'Untauglich'. Zu den Beschlüssen der Stellungskommission bedarf es der Anwesenheit aller Mitglieder und der Mehrheit der Stimmen. Ein auf 'Tauglich' lautender Beschluss bedarf jedenfalls der Zustimmung des Arztes. Erscheint für die Feststellung der Eignung eine fachärztliche Untersuchung erforderlich, so sind die Personen nach Abs. 1 von den Stellungskommissionen einer solchen Untersuchung zuzuführen.

..."

2. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen Folgendes vor:

Es sei der "Tatsache, dass Lebensgefahr durch Wespenstich besteht", seitens der belangten Behörde nicht entgegen getreten worden. Bei ihren Ausführungen, im Falle eines Wespenstiches könne dem Beschwerdeführer durch Kameraden und geschultes Kaderpersonal geholfen werden, handle es sich um bloße Spekulationen. Zudem fehlten nachvollziehbare Ausführungen, ob es dem Beschwerdeführer im Fall eines Wespenstiches noch möglich sei, das für die Beurteilung als tauglich geforderte Maß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit aufzubringen.

3. Die Beschwerde ist nicht begründet.

3.1. Hinsichtlich der grundsätzlichen Anforderungen an die Beurteilung eines über die Tauglichkeit eines Stellungspflichtigen entscheidenden Beschlusses der Stellungskommission wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/11/0154, verwiesen.

3.2. Im Beschwerdefall ist lediglich strittig, ob die beim Beschwerdeführer bestehende Wespengiftallergie seiner Beurteilung als tauglich entgegensteht.

3.3. Die belangte Behörde hat dies, unter Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer beigebrachten Befunden, verneint und sich dabei - zusammengefasst - auf zwei Argumente gestützt:

Einerseits bestehe beim Beschwerdeführer auf Grund der bei ihm erfolgreich durchgeführten Hyposensibilisierungstherapie ein geringeres Risiko einer allergischen Reaktion. Andererseits würde er - wie jeder Allergiker - bei Leistung des Grundwehrdienstes mit einem Notfallset ausgestattet und könne zudem im Falle eines Wespenstiches und Auftreten einer allergischen Reaktion auf Hilfeleistung durch Kameraden und ausgebildetes Kaderpersonal zählen. Hinzu trete, dass der Beschwerdeführer (Zimmermann von Beruf) "im zivilen Leben" einer ungleich größeren Gefahr, Opfer eines Wespenstiches zu werden, ausgesetzt sei als bei Leistung des Grundwehrdienstes.

3.4. Die pauschale Behauptung der Beschwerde, es bestehe beim Beschwerdeführer Lebensgefahr im Falle eines Wespenstiches, negiert zum einen die Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich des bei ihm nach erfolgreicher Hyposensibilisierungstherapie bestehenden reduzierten Risikos. Zum anderen wird von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt, dass das Risiko, bei Ableistung des Grundwehrdienstes Opfer eines Wespenstiches zu werden, auch und gerade für den Beschwerdeführer geringer sei als im zivilen Leben. Daraus folgt aber, dass die Ableistung des Grundwehrdienstes den Beschwerdeführer keiner größeren "Gefahr" aussetzt, als sie auch sonst besteht. Entgegen den Beschwerdeannahmen kann auch der Hinweis der belangten Behörde auf die im Fall eines Wespenstiches bestehenden Hilfemöglichkeiten nicht als "bloße Spekulation" beurteilt werden, wurde er doch mit dem Hinweis auf die üblichen Abläufe bei Übungen im Gelände untermauert.

Auch mit dem Beschwerdevorbringen, es sei unklar geblieben, ob es dem Beschwerdeführer im Fall eines Wespenstiches noch möglich sei, das für die Beurteilung als tauglich geforderte Maß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit aufzubringen, wird kein relevanter Begründungsmangel aufgezeigt: Festzuhalten ist zunächst, dass der Beschwerdeführer gar nicht behauptet, die bestehende Allergie beeinträchtige schon für sich genommen seine Leistungsfähigkeit bzw. das Bedienen einer Waffe, die Ausbildung an einer Waffe oder das Erlernen des Verhaltens in einem militärischen Umfeld. Allfällige allergische Reaktionen im Fall eines Wespenstichs mögen seine Leistungsfähigkeit beeinflussen, hindern aber - ebenso wie Erkrankungen oder Verletzungen während Ableistung des Grundwehrdienstes - nicht die Beurteilung als tauglich iSd § 17 Abs. 2 WehrG.

4. Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
WAAAE-83624