VwGH vom 26.03.2012, 2011/03/0169

VwGH vom 26.03.2012, 2011/03/0169

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde der G N in M, vertreten durch Mag. Mathias Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Burggraben 4/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl uvs-2009/27/1065-9, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (weitere Partei: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid einer Übertretung nach § 23 Abs 1 Z 11 iVm § 7 Abs 2 Z 2 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG) schuldig erkannt und es wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 1.453,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: vier Tage) verhängt.

Ihm wurde zur Last gelegt, als Beförderungsunternehmer nicht dafür gesorgt zu haben, dass am auf der A 12 Inntalautobahn, Km 24,3, Gemeinde Kundl, Fahrtrichtung Westen, in einem - nach Kennzeichen näher bezeichneten - LKW, der für die Kabotage in Österreich verwendet wurde, ein vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ausgegebenes, ordnungsgemäß ausgefülltes Kontrollblatt mitgeführt wurde. Das KFZ sei zur gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern in Österreich verwendet worden (Kabotage), obwohl die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern, deren Be- und Entladeort innerhalb Österreichs liegt, durch Güterkraftverkehrsunternehmer mit Sitz im Ausland verboten sei. Sie sei nur gestattet, 1. wenn mit dem Staat, in dem der Unternehmer seinen Sitz hat, eine diesbezügliche Vereinbarung bestehe oder 2. soweit die Verordnung (EWG) Nr 3118/93 des Rates vom zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Güterkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, ABl L 279 vom S 1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom , ABl L 76 vom S 9, dies vorsehe, wobei Kabotagetätigkeiten höchstens an 30 Tagen innerhalb eines Zeitraumes von 60 Tagen im Kalenderjahr durchgeführt werden dürften. Das angeführte KFZ sei zum angegebenen Zeitpunkt am angegebenen Ort von einem namentlich genannten Fahrer gelenkt worden, wobei Waren von Schwoich, Kufstein und Langkampfen nach Hall in Tirol transportiert worden seien.

Begründend stellte die belangte Behörde (unter anderem) fest, mit dem oben angeführten Fahrzeug seien Waren von verschiedenen Unternehmen im Tiroler Unterland abgeholt und zur Firma D (Spedition) nach Hall in Tirol gebracht worden, "wo die Waren sodann abgeladen" worden seien. Erst in weiterer Folge seien diese Waren, nach einer logistischen Bearbeitung entsprechend ihrem jeweiligen Zielort im In- oder Ausland, wiederum verladen und von dort aus zum jeweiligen Empfänger geliefert worden. Hiezu habe die Firma D CMR-Frachtbriefe ausgestellt. Es könne nicht festgestellt werden, dass ein Teil der aus dem Tiroler Unterland geholten und für Deutschland bestimmten Ladung tatsächlich wieder auf den vom beanstandeten Fahrer gelenkten "Hänger" aufgeladen worden bzw auf diesem verblieben seien. Für die Waren, die laut den Übergabelisten im Tiroler Unterland abgeholt worden seien, sei kein CMR-Frachtbrief ausgefüllt worden. Ein Kontrollblatt für die Kabotage sei im beanstandeten LKW nicht mitgeführt worden.

Beweiswürdigend stützte die belangte Behörde ihre Feststellungen zum Ablauf des strittigen Transportes vor allem auf die Aussage des Fahrers; dem Beweisantrag auf Einvernahme des Beschwerdeführers kam sie nicht nach.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, der Gütertransport von drei Firmen im Tiroler Unterland zur Firma D in Hall in Tirol sei als ein gesondert zu beurteilender abgeschlossener Transport zu beurteilen und stehe mit der anschließenden Verbringung der Güter zu Empfängern im In- und Ausland in keinem Zusammenhang mehr. Es habe sich um Kabotage gehandelt; das erforderliche Kontrollblatt sei nicht mitgeführt worden.

Der Beschwerdeführer habe zwar behauptet, seinen Aufklärungs- und Kontrollpflichten ausreichend nachgekommen zu sein und sich um die Erteilung einer entsprechenden Kabotage-Genehmigung für sein Unternehmen bemüht zu haben, welche ihm auch erteilt worden sei. Aus den Feststellungen ergebe sich aber, dass ein entsprechendes Kontrollblatt nicht mitgeführt worden sei und der Beschwerdeführer den Fahrer telefonisch angewiesen habe, den kontrollierenden Zollorganen mitzuteilen, dass das Kotrollblatt "auf dem Weg" sei. Damit habe er jedoch seine diesbezüglichen Kontrollpflichten gerade nicht erfüllt, sondern es ergebe sich vielmehr, dass nicht rechtzeitig dafür gesorgt worden sei, dass das notwendige Kontrollblatt dem Lenker zur Verfügung stand. Ein wirksames Kontrollsystem, das die gegenständliche Verwaltungsübertretung verhindert hätte, sei somit nicht vorgelegen. Dem Beschwerdeführer sei jedenfalls fahrlässiges Verhalten zur Last zu legen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf eine Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der gegenständliche Fall gleicht in sachverhaltsmäßiger und rechtlicher Hinsicht jenem, der mit hg Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl 2010/03/0180, entschieden worden ist. Auf dessen Begründung (zur strittigen Rechtsfrage, ob Kabotage auch dann vorliegt, wenn Güter zunächst im Bundesgebiet zu einem Sammelort gebracht, dort ab- bzw umgeladen werden und anschließend ins Ausland transportiert werden) wird gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen.

2. In der Beschwerde wird geltend gemacht, es sei "aktenwidrig", dass nach den Feststellungen der belangten Behörde "die Ladung" in Hall in Tirol abgeladen worden sei. Es gebe keine Beweisergebnisse, dass die Waren ("also sämtliche") bei der Firma

D abgeladen worden seien. Insbesondere die Negativfeststellung der belangten Behörde, es könne nicht festgestellt werden, dass ein Teil der aus dem Tiroler Unterland geholten und für Deutschland bestimmten Ladung tatsächlich wieder auf den beanstandeten "Hänger" aufgeladen worden bzw dort verblieben sei, sei unrichtig. Dem widerspreche allein die Tatsache, dass ordnungsgemäße CMR-Frachtbriefe ausgestellt worden seien.

Dem Beschwerdeführer ist zuzustimmen, dass die von der belangten Behörde beweiswürdigend herangezogene Aussage des Fahrers im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung vom keine Grundlage für die Feststellung bot, die gesamte auf dem beanstandeten LKW transportierte Ware sei in Hall in Tirol abgeladen worden. Nach seinen Angaben kam "ein Teil der Ware (…) runter, ein Teil auf den Hänger hinauf" und "der Rest, der für Deutschland bestimmt" war, blieb am Fahrzeug. Dass der Lenker im Folgenden einräumte, nicht angeben zu können, welcher Teil der Lieferung nach Deutschland gegangen und welcher in Hall in Tirol verblieben sei, ändert nichts an der Tatsache, dass nach seiner Aussage zumindest nur Teile der Güter in Hall in Tirol abgeladen worden sind.

Diese Ungenauigkeit in der Begründung des angefochtenen Bescheides ist jedoch im Ergebnis nicht von Bedeutung, weil nach den insoweit unbedenklichen behördlichen Feststellungen davon auszugehen ist, dass jedenfalls hinsichtlich eines Teiles der Ladung (nämlich jenes Teiles, der in Hall in Tirol abgeladen worden ist) Kabotage vorgelegen ist, womit auch die Verpflichtung zum Mitführen des Kontrollblattes bestanden hat.

3. Die Beschwerde rügt weiters, die belangte Behörde habe zu Unrecht auf die Einvernahme des Beschwerdeführers verzichtet. Es gelingt ihr allerdings nicht, die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang führt sie lediglich aus, bei Einvernahme des Beschwerdeführers wäre hervorgekommen, dass er zum Zeitpunkt, als die Fahrt von ihm freigegeben worden sei, davon ausgegangen sei und auch ausgehen habe können, dass keine Kabotage vorläge, weil die ihm zugekommenen Informationen im Hinblick auf das Ziel der Fahrt (die Waren sollten von Österreich nach Deutschland gebracht werden) keinen Anlass für die Annahme gegeben hätten, dass eine Kabotage vorliege. Der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass sein Fahrer gar keine zusätzliche Genehmigung für die Fahrt brauche, insbesondere keine Unterlagen zur Genehmigung der Kabotagefahrt.

Der Beschwerdeführer behauptet damit nicht, vor Beginn der Fahrt über den Ablauf des gegenständlichen Gütertransportes (einschließlich Ab- bzw Umladung von Gütern in Hall in Tirol) unrichtige Vorstellungen gehabt zu haben. Er macht lediglich geltend, aufgrund des letztlich angestrebten Bestimmungsortes der Waren in Deutschland davon ausgegangen zu sein, dass der Gütertransport nach Hall in Tirol keine Kabotage gewesen sei. Dass diese Rechtsauffassung unzutreffend ist, ergibt sich aus dem unter Punkt 1. zitierten hg Erkenntnis. Auch ein unverschuldeter und damit entschuldigenden Rechtsirrtum im Sinne des § 5 Abs 2 VStG kommt dem Beschwerdeführer schon nach seinem Vorbringen nicht zugute. Ein solcher setzt nämlich voraus, dass dem Beschwerdeführer das Unerlaubte seines Verhaltens trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschuldigt auch eine irrige Gesetzesauslegung den Betroffenen nur dann, wenn sie unverschuldet war. Um sich darauf berufen zu können, bedarf es - zur Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht - einer Objektivierung der eingenommenen Rechtsauffassung durch geeignete Erkundigungen. Demnach ist der Gewerbetreibende bei Zweifel über den Inhalt der Verwaltungsvorschrift verpflichtet, hierüber bei der zuständigen Behörde Auskunft einzuholen; wenn er dies unterlässt, so vermag ihn die fehlerhafte Gesetzesauslegung grundsätzlich nicht von seiner Schuld zu befreien (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom , Zl 2002/03/0251, vom , Zl 2010/03/0179, und vom , Zl 2010/03/0044, und vom , Zl 2011/03/0023). Dass der Beschwerdeführer derartige - ihn entlastende - Erkundigungen eingeholt hätten, lässt sich seinem Vorbringen aber nicht entnehmen.

4. Soweit die Beschwerde - wie im angesprochenen Parallelfall - den Einwand der Verfolgungsverjährung erhebt, ihr ist zu entgegen zu halten, dass dem Beschwerdeführer schon in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom ein ausreichend konkretisierter Tatvorwurf bekannt gegeben worden ist. Durch diese Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2 VStG) wurde die Verjährungsfrist nach § 31 VStG unterbrochen.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am