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VwGH vom 27.01.2011, 2008/21/0615

VwGH vom 27.01.2011, 2008/21/0615

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Reinhard Schwarzkogler, Rechtsanwalt in 4650 Lambach, Marktplatz 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St-138/08, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein mazedonischer Staatsangehöriger, befindet sich jedenfalls seit in Österreich. Er stellte hier unter falscher Identität am einen Asylantrag, der vom Bundesasylamt mit Bescheid vom abgewiesen wurde. Dagegen erhob er Berufung, die er jedoch im Zuge der vom unabhängigen Bundesasylsenat am durchgeführten mündlichen Verhandlung - unter Richtigstellung seiner Identität - zurückzog.

Am stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Asylantrag. Dieser wurde mit zweitinstanzlichem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom gemäß §§ 7, 8 Asylgesetz 1997 abgewiesen, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Zl. 2005/01/0081, ab.

Am heiratete der Beschwerdeführer in Traun eine mazedonische Staatsangehörige. Der Ehe entstammen zwei, am bzw. am in Linz geborene Töchter.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) den Beschwerdeführer gemäß §§ 31, 53 und 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus. Er halte sich nunmehr nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens rechtswidrig in Österreich auf, zumal ihm weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei. Im Bundesgebiet hielten sich Geschwister des Beschwerdeführers auf; er beherrsche außerdem die deutsche Sprache perfekt in Wort und Schrift, sei seit Jahren in einem Bäckereibetrieb beschäftigt und seit 2004 verheiratet und habe für zwei Kinder zu sorgen, wobei die Ehefrau zur Zeit zum dritten Kind schwanger sei. In Anbetracht dessen und seines inländischen Aufenthalts seit Mai 1999 sei dem Beschwerdeführer eine diesen Umständen entsprechende Integration zuzubilligen. Dennoch erscheine seine Ausweisung als dringend geboten, wobei einerseits auf seine ursprünglich falschen Identitätsangaben und andererseits auf die schon von der erstinstanzlichen Behörde ins Treffen geführten unbestrittenen Verurteilungen - vom wegen § 127 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe und vom wegen § 228 Abs. 2 StGB ebenfalls zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe - zu verweisen sei. Ebenso sei - so im Folgenden die belangte Behörde wörtlich - "zu beachten, dass Ihre Gattin und die Kinder A. und A. in Österreich leben und deren Asylverfahren derzeit im Stand der Berufung ist". Die belangte Behörde argumentierte weiter, dass der Beschwerdeführer spätestens ab der bereits im April 2001 ergangenen erstinstanzlichen negativen Entscheidung in seinem ersten Asylverfahren nicht darauf hätte vertrauen dürfen, ein dauerndes Aufenthaltsrecht für Österreich zu erlangen. Da sich der Beschwerdeführer schon seit mehreren Monaten unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und dieser unrechtmäßige Aufenthalt die öffentliche Ordnung in hohem Maße gefährde, sei seine Ausweisung demnach gemäß § 66 Abs. 1 FPG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1259/08, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Die behördliche Annahme, im gegenständlichen Fall sei der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt, begegnet keinen Bedenken.

Der belangten Behörde ist allerdings anzulasten, dass sie im Grunde des § 66 FPG - hier noch in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 - keine ausreichende Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Inland mit den öffentlichen Interessen an seiner Außerlandesschaffung vorgenommen hat. Das bezieht sich vor allem auf den Umstand, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers und die 2004 und 2005 geborenen Kinder in Österreich leben (die Kinder seit ihrer Geburt) und hier einen noch nicht rechtskräftig erledigten Asylantrag gestellt haben. Dazu hat die belangte Behörde nur ausgeführt, es sei zu beachten, "dass Ihre Gattin und die Kinder A. und A. in Österreich leben und deren Asylverfahren derzeit im Stand der Berufung ist". Inwieweit dieser Aspekt tatsächlich "beachtet" worden ist, lässt sich dem bekämpften Bescheid allerdings nicht entnehmen. Insbesondere bleibt er jegliche Begründung dafür schuldig, wieso eine Trennung des Beschwerdeführers von seinen Familienangehörigen - im Hinblick auf deren anhängige Asylverfahren ist ihnen eine gemeinsame Ausreise mit dem Beschwerdeführer aus Österreich nicht zumutbar - dringend geboten sein soll (zu diesem Gesichtspunkt vgl. sinngemäß das ein Aufenthaltsverbot nach § 36 Abs. 2 Z 7 Fremdengesetz 1997 betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/21/0070; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2005/18/0560 bis 0562, und - betreffend eine asylrechtliche Ausweisung - das hg. Erkenntnis vom , 2008/23/0316). Das Erfordernis einer derartigen Trennung lässt sich ohne nähere Begründung auch nicht ohne Weiteres aus dem Umstand ableiten, dass der Beschwerdeführer ursprünglich eine falsche Identität verwendet hat und dass er zweimal - aus nicht konkret dargestellten Gründen - zu bedingten Geldstrafen verurteilt worden ist (der Beschwerdeführer zum oben genannten Erkenntnis vom hatte ebenfalls einen Verstoß gegen das Strafrecht zu verantworten), zumal er nach den Feststellungen der belangten Behörde schon seit Jahren durchgehend einer Erwerbstätigkeit nachgeht und die deutsche Sprache perfekt in Wort und Schrift beherrscht. Der Vollständigkeit halber sei dazu angemerkt, dass die perfekten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers schon in einem Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Linz vom festgehalten worden waren.

Nach dem Gesagten ist der bekämpfte Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am