VwGH vom 08.09.2009, 2008/21/0600
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des O, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. St 44/08, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Rückkehrverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie darauf, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2, 2. und 3. Fall sowie Vergehens nach § 28 Abs. 1 SMG zu einer (unbedingten) 12-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Er habe zur Ein- und Ausfuhr einer großen Menge Heroin durch andere Personen beigetragen, indem er vor dem in Wien oder einem anderen Ort Österreichs fernmündlich einem in den Niederlanden aufhältigen Suchtgiftlieferanten sinngemäß zugesagt habe, in Wien jenes Suchtgift in Empfang zu nehmen, das ein Kurier von den Niederlanden nach Wien transportieren werde. Am habe er dieses Suchtgift, 1.651,8 g Heroin brutto, nach dessen Transport von den Niederlanden nach Wien in Empfang genommen. Dieses habe er in Wien mit dem Vorsatz erworben und in Salzburg mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.
Auf Grund dieser massiven - eine große Menge Heroin betreffenden - Suchtgiftkriminalität habe der Beschwerdeführer schwer wiegend gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen. Jede Suchtmittelkriminalität bewirke nämlich Gesundheitsgefährdungen in großem Ausmaß, die vor allem auch besonders schutzwürdige jugendliche Personen beträfen, und unterliege einer hohen Wiederholungsgefahr. Der Beschwerdeführer gefährde somit massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit, sodass die Erlassung eines Rückkehrverbotes nach § 62 Abs. 1 und 2 FPG gerechtfertigt sei.
Der Beschwerdeführer sei am in das Bundesgebiet eingereist und habe am Tag darauf einen Asylantrag gestellt. Dieser sei mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen worden. Zugleich sei gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Nigeria festgestellt und gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. die Ausweisung dorthin verfügt worden. Dagegen habe er eine (hg. zur Zl. 2008/20/0103 protokollierte) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, der mit Beschluss vom die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei.
Der Beschwerdeführer sei bis zum in einer Grundversorgungseinrichtung polizeilich gemeldet gewesen. In der Folge habe er eine Lebensgemeinschaft mit der österreichischen Staatsbürgerin H. unterhalten. Seine Mutter und seine Geschwister hielten sich in Nigeria auf, während er in Österreich keine Familienangehörigen habe. Er gehe keiner geregelten Beschäftigung nach, sei ledig, ohne Sorgepflichten und mittellos. Die während seines rund dreijährigen Aufenthaltes erreichte Integration sei angesichts des massiven Fehlverhaltens, das der dargestellten Verurteilung zu Grunde liege, zu relativieren. Auf Grund der besonderen Gefährlichkeit, die mit der Suchtmitteldelinquenz einhergehe, wäre die fremdenpolizeiliche Maßnahme jedoch selbst bei ansonsten völliger sozialer Integration vorzunehmen gewesen. Das Rückkehrverbot sei nämlich zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Das maßgebliche öffentliche Interesse wöge unverhältnismäßig schwerer als gegenläufige private Interessen des Beschwerdeführers. Auch seien keine besonderen Umstände ersichtlich, aus denen eine Übung des der Behörde durch § 62 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers in Betracht käme.
Das Rückkehrverbot sei auf unbefristete Zeit zu verhängen gewesen, weil angesichts der großen Wiederholungsgefahr, die im Bereich der angesprochenen Kriminalitätsform bestehe, nicht abgesehen werden könne, wann die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, wiederum wegfallen würden.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen:
Die Auffassung der belangten Behörde, dass der die Erlassung eines Rückkehrverbotes ermöglichende Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, begegnet in Anbetracht der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten 12-monatigen Freiheitsstrafe keinen Bedenken. Der Beschwerdeführer releviert in diesem Zusammenhang die aufrechte Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die ihm Unterhalt gewähre, und leitet daraus eine analoge Anwendbarkeit des § 86 Abs. 1 FPG ab. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass nach § 87 FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG nur für Familienangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG gelten. Zu dieser "Kernfamilie" zählt zwar ein Ehegatte, nicht jedoch der Lebensgefährte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0092).
Soweit der Beschwerdeführer auf seine mit Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom gemäß § 46 Abs. 2 StGB verfügte bedingte Entlassung aus der Strafhaft nach Verbüßung von neun Monaten der über ihn verhängten Freiheitsstrafe (am ) verweist, ist dem zu entgegnen, dass die Fremdenpolizeibehörde das Fehlverhalten eines Fremden und die daraus abzuleitende Gefährlichkeit ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts, also unabhängig von gerichtlichen Erwägungen über bedingte Strafnachsichten oder eine bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug, zu beurteilen hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/21/0057, und vom , Zl. 2008/21/0441).
Ebenso wenig ist es plausibel, wenn der Beschwerdeführer auf das Fehlen einer eigenen Drogenabhängigkeit hinweist und daraus ein zumindest geringeres Maß an Gefährlichkeit oder einer Wahrscheinlichkeit künftiger Tatwiederholungen abzuleiten trachtet. Gerade hieraus kann nämlich ebenso gut auf ein besonders berechnendes und gewinnorientiertes Verhalten geschlossen werden, das, wurden Kontakte zu einschlägigen Suchtgiftkreisen einmal geknüpft, eine Tatwiederholung auch künftig besorgen lässt.
In Anbetracht des massiven, eine große Menge an Heroin betreffenden Fehlverhaltens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die im § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand, handelt es sich doch bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonderes gefährliche Kriminalitätsform mit erfahrungsgemäß generell hoher Wiederholungsgefahr. Das bloße Vorbringen, künftig keine weiteren Straftaten begehen zu wollen, kann die Gefahr eines Rückfalls in die Drogenkriminalität nicht ausschließen. Dazu bedürfte es einer längeren Zeit des Wohlverhaltens nach Entlassung aus der Haft, wofür die seither verstrichene Zeit jedoch bei weitem zu kurz ist. Es bestand somit kein Grund, eine für den Beschwerdeführer günstige Verhaltensprognose zu treffen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/21/0073, und vom , Zl. 2009/18/0131).
Gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 62 Abs. 3 FPG ist ein Rückkehrverbot, würde dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 iVm § 62 Abs. 3 FPG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 darf ein Rückkehrverbot nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf die Dauer des Aufenthaltes, das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.
Bereits die belangte Behörde hat zutreffend den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit dem und die aufrechte Lebensgemeinschaft (samt daraus bezogenem Unterhalt und Gewährleistung aufrechter Wohnversorgung) berücksichtigt. Auf Grund der massiven Delinquenz des Beschwerdeführers erweist sich dennoch das Rückkehrverbot im Grunde des § 66 FPG als gerechtfertigt, zumal der noch nicht besonders lange inländische Aufenthalt in seinem Gewicht insofern zu relativieren ist, als er zur Gänze auf der vorläufigen Stellung als Asylwerber beruht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0057). Auch die dabei bezogene Grundversorgung hat den Beschwerdeführer im Übrigen nicht von der Begehung der dargestellten Straftat abgehalten. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg vorgeworfen werden, keine oder lediglich eine unzureichende Interessenabwägung durchgeführt zu haben.
Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, über ihn wäre in jedem Fall kein unbefristetes, sondern lediglich ein befristetes Rückkehrverbot zu verhängen gewesen. Damit ist er jedoch darauf zu verweisen, dass ein Rückkehrverbot gemäß § 63 Abs. 1 FPG u.a. in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG unbefristet erlassen werden kann. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes ist gemäß § 63 Abs. 2 erster Satz FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der von der belangten Behörde zutreffend in den Vordergrund gestellten Schwere der beschriebenen Straftat und der hohen Sozialschädlichkeit der Weitergabe von Heroin kann der Beurteilung nicht entgegengetreten werden, es sei derzeit noch nicht absehbar, zu welchem Zeitpunkt die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährlichkeit weggefallen sein werde.
Soweit die Beschwerde schließlich unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Parteiengehörs rügt, dass der Beschwerdeführer niemals persönlich einvernommen worden sei und daher keine Gelegenheit gehabt habe, sein Vorbringen direkt der belangten Behörde zur Kenntnis zu bringen, damit diese einen unmittelbaren Eindruck von seiner Persönlichkeit gewinne, so ist nicht ersichtlich, inwieweit dem behaupteten Verfahrensmangel Relevanz zukommen soll, legt doch die Beschwerde nicht dar, welches für den Beschwerdeführer günstige Ergebnis seine Vernehmung konkret erbracht hätte. Im Übrigen hatte der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit, sich in seiner Stellungnahme sowie in seiner Berufung Parteiengehör zu verschaffen. Darüber hinaus besteht im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf eine Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/21/0068, und vom , Zl. 2009/18/0131, mwN).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am