VwGH vom 20.11.2019, Ra 2019/15/0103

VwGH vom 20.11.2019, Ra 2019/15/0103

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart, vertreten durch die Dax Wutzlhofer & Partner Rechtsanwälte GmbH in 7000 Eisenstadt, Rusterstraße 62 /1/ 4. Stock, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom , Zlen. E G16/06/2019.001/010 und E G16/06/2019.002/010, betreffend Kommunalsteuer 2017 samt Säumniszuschlag (weitere Partei: Burgenländische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: N in W, vertreten durch Mag. Stephan Potz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Opernring 7/18), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

1 Mit Bescheiden vom setzte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Oberwart Kommunalsteuer für den Zeitraum 1. Jänner bis sowie einen Säumniszuschlag fest. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, im Zuge einer durch die Finanzverwaltung bzw. die Sozialversicherung durchgeführten gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben sei eine von der Selbstbemessung abweichende Kommunalsteuerbemessungsgrundlage festgestellt worden. Die mitbeteiligte Partei habe für den gegenständlichen Zeitraum bisher keine Kommunalsteuerzahlungen geleistet.

2 Die mitbeteiligte Partei (ein Verein) erhob gegen diese Bescheide "Beschwerde" und beantragte die Festsetzung der Kommunalsteuer mit 0 EUR. Darin wurde geltend gemacht, es handle sich um einen nicht auf Gewinn gerichteten, gemeinnützigen und mildtätigen Verein, der insbesondere die begünstigten Zwecke der Resozialisierungshilfe und Reintegrationshilfe für Straffällige, Unterstützung von Opfern sowie Präventionsarbeit verfolge und dabei unmittelbar für hilfsbedürftige Personen bzw. im direkten Dienst an Menschen tätig sei. Es würden ausschließlich unentbehrliche Hilfsbetriebe iSd § 45 Abs. 2 BAO geführt. Alle vom Verein angebotenen Hilfestellungen (wie psychosoziale Beratung und Betreuung) würden gegenüber der Klientel unentgeltlich angeboten. Die Erfüllung der dem Verein obliegenden Aufgaben werde mehrheitlich durch Zuschüsse zur Deckung der Unkosten bzw. durch verlustabdeckende Zuschüsse der öffentlichen Hand ermöglicht, wodurch in weit überwiegenden Teilen der Tätigkeitsbereiche keine Unternehmereigenschaft iSd § 3 KommStG vorliege. Sämtliche Vereinstätigkeiten fielen unter die Befreiungsvorschriften des § 8 Z 2 KommStG.

3 Mit Bescheid des Gemeinderates vom wurde die "Beschwerde" als unbegründet abgewiesen.

4 Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid eine - als Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Landesverwaltungsgericht bezeichnete - Beschwerde.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und änderte den Bescheid des Gemeinderates dahin ab, dass der Berufung Folge gegeben und die Kommunalsteuer für das Jahr 2017 sowie der Säumniszuschlag (jeweils) mit null Euro festgesetzt werde. Es sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. 6 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der mitbeteiligte Verein arbeite seit dem Jahr 1957 im Bereich der justiznahen Sozialarbeit, der Straffälligenhilfe (Bewährungshilfe, Haftentlassenenhilfe), Opferhilfe und Prävention. Der Verein sei im gesamten Bundesgebiet tätig und in neun leistungserbringende Einrichtungen gegliedert. In der Stadtgemeinde Oberwart gebe es einen Standort, in dem zwei Personen hauptberuflich beschäftigt seien.

7 Die Finanzierung des Vereins erfolge zu rund 90% durch das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz. Weitere Auftraggeber seien andere Bundesministerien, Länder und Gemeinden.

8 Mit dem damaligen Bundesminister für Justiz sei bereits am ein Generalvertrag über die Durchführung der Straffälligenhilfe geschlossen worden. Der Vertragsgegenstand umfasse folgende Leistungen: von den Justizbehörden angeordnete Tätigkeiten der Bewährungshilfe; außergerichtlicher Tatausgleich; freiwillige Bewährungshilfe; Haftentlassenenhilfe; Betrieb von Heimen; sonstige Tätigkeiten, die in Ergänzung dieser Maßnahmen die Resozialisierung der Probanden/Klienten erleichterten, z. B. die Zurverfügungstellung von Wohnungs- und Arbeitsprogrammen, einzelfallübergreifende Aktivitäten, soziales Training und Therapie; Aus- und Fortbildung von Personen, die für den Auftraggeber sozialarbeiterisch tätig seien; Unterstützung anderer im Bereich der Straffälligenhilfe tätigen Dienststellen oder Einrichtungen.

9 Am gegenständlichen Standort seien vom Verein im Jahr 2017 folgende Tätigkeiten durchgeführt worden:

10 a) 155 Fälle von Bewährungshilfe-Betreuungen: Typische Merkmale der betreuten Personen seien Langzeitarbeitslosigkeit, finanzielle Probleme, Wohnungslosigkeit, Arbeit an der Reduktion der Rückfallswahrscheinlichkeit sei notwendig. Das Alter bei der Anordnung von Bewährungshilfe sei bei fast der Hälfte der Personen zwischen 14 und 26 Jahren gelegen. Etwa 45% der betreuten Personen seien - bei Heranziehung der Ausgleichszulagenrichtsätze als Maßstab - als materiell hilfsbedürftig anzusehen. Bei 22% der Personen liege eine psychiatrische Diagnose vor; rund 72% der betreuten Personen seien im Jahr 2017 oder davor in Kontakt mit Suchtmitteln gestanden. Wer Bewährungshilfe bekomme, werde vom Verein unterstützt bei der Auseinandersetzung mit dem eigenen straffälligen Verhalten, der Wohnungs- und Arbeitssuche, beim Kontakt mit Ämtern und Behörden und vor allem bei der persönlichen Wiedereingliederung in die Gesellschaft.

11 b) 20 Fälle elektronisch überwachter Hausarrest: 45% der insoweit betreuten Personen seien zwischen 14 und 26 Jahre alt. 39% seien als materiell hilfsbedürftig anzusehen. 50% der betreuten Personen hätten Suchtmittel konsumiert oder hätten sich in einer Substitutionsbehandlung befunden. Bei der Betreuung des elektronisch überwachten Hausarrestes leiste der Verein notwendige Unterstützung in einer krisenträchtigen Lebensphase. Die Leistungen reichten von psychosozialer Begleitung und Betreuung, über die Bearbeitung von Gewaltproblematiken, die Hilfe bei psychischen und physischen Problemen auch im Zusammenhang mit Alkohol- und Suchtmittelmissbrauch bis zur Organisation des Alltags und der Besprechung zukünftiger Risikosituationen. 12 c) 19 Fälle Vermittlung gemeinnütziger Leistungen: Die Aufgabe der Mitarbeiter der mitbeteiligten Partei sei es, eine dem Delikt und dem Beschuldigten entsprechende Einrichtung zur Ableistung der gemeinnützigen Leistungen auszuwählen, die Beschuldigten zu beraten und zu unterstützen. Unterstützung werde auch bei den Bemühungen zum Ausgleich der Tatfolgen gewährt. 13 d) 3 Fälle Haftentlassenenhilfe: Dabei würden die betreuten Personen bei ihren Bemühungen um die Erlangung weiterer Hilfen zur Vermittlung von Unterkunft und Arbeit sowie um die sonstige Wiedereingliederung in das Leben in Freiheit mit Rat und Tat unterstützt. Der Bruch in der Lebensweise nach der Haftentlassung stelle eine enorme Belastung dar, die nicht selten zu psychischen Krisen führe, was es umso schwerer mache, wieder Fuß zu fassen. Ein hoher Anteil der hier betreuten Personen sei nach der Haftentlassung beschäftigungslos; sie lebten in prekären Wohnverhältnissen und wiesen ein niedriges Einkommen sowie hohe Schulden auf. Durch Haftaufenthalte gerieten Familiensysteme oft in eine massive Krise. Ein hoher Anteil der betreuten Personen habe eine Suchterkrankung und oft zusätzliche gesundheitliche Probleme. Ziel der Haftentlassenenhilfe sei es, Menschen dabei zu unterstützen, materielle Notlagen zu beseitigen, eine Tagesstruktur zu erlernen, Behördentermine wahrzunehmen, geeignete Unterkünfte zu finden, bei der Geltendmachung von finanziellen Ansprüchen zu beraten, bei der Organisation und Verwaltung der zur Verfügung stehenden Finanzen zu helfen und Verhaltensweisen nahezubringen, wie man mit Geld umgehe, ohne neuerliche Schulden zu machen.

14 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht weiters aus, wie sich aus den Statuten des Vereins ergebe, sei dieser Verein gemeinnützig und nicht auf Gewinn ausgerichtet. Im Wesentlichen sei er im Bereich der Straffälligen- und in der Opferhilfe tätig. Sein Zweck sei, die Öffentlichkeit in dem Sinne zu beeinflussen, sich an Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Personen und Personengruppen zu beteiligen, sowie Einrichtungen zu fördern und zu betreiben, die der umfassenden justiznahen Sozialarbeit sowie der Vermeidung sozialer Konflikte im Allgemeinen und gerichtlich strafbarer Handlungen im Besonderen dienten. Seine Tätigkeiten reichten von der Wahrnehmung der Aufgaben der justiznahen Sozialarbeit (Bewährungshilfe, Vermittlung gemeinnütziger Leistungen, Haftentlassenenhilfe) über die Opferberatung bis zur Beratung und Betreuung von Alkohol- und Suchtgiftkranken.

15 Es handle sich hiebei ausschließlich um die Verfolgung mildtätiger und gemeinnütziger Zwecke.

16 Die betreuten Personen wiesen meist mehrere der folgenden Merkmale auf: persönliche (seelische, geistige) Notsituation/Krise; psychisch labil/krank, aggressiv, gewalttätig;

straffällig oder einer Straftat beschuldigt; haftentlassen;

gesellschaftlich isoliert; konfrontiert mit langen Phasen der Arbeits- und Perspektivenlosigkeit; materiell prekäre Situation;

wohnungslos; gesundheitliche Schwierigkeiten auch im Zusammenhang mit Alkohol- und Suchtmittelmissbrauch; großer Anteil der betreuten Personen unter 27 Jahren; Betreuung auch von Personen über 55 bzw. 60 Jahren.

17 Im Rahmen der Bewährungshilfe seien die betreuten Personen gemäß § 52 Abs. 1 StGB unter anderem bei ihren Bemühungen zu unterstützen, wesentliche Lebensbedürfnisse zu decken, insbesondere Unterkunft und Arbeit zu finden. Schon diese spezifischen Vorgaben des Gesetzgebers brächten zum Ausdruck, dass hier ein besonderer Hilfsbedarf vorliege.

18 All die am Standort geleisteten betreuerischen Tätigkeiten milderten die Hilfsbedürftigkeit der betreuten Klienten. Diese Tätigkeiten seien als mildtätig zu beurteilen.

19 Die Tätigkeit des Vereins sei überdies in weiten Teilen als gemeinnützig im Bereich der Jugend- oder Familienfürsorge einzuordnen. Die sozialarbeiterische Betreuung von straffälligen Vätern, Müttern und Kindern diene jedenfalls auch zur Stabilisierung von Familien und damit der Familienfürsorge. Je nach Problemlage und Klientenstruktur handle es sich auch um Kranken- und Altenfürsorge.

20 Da die Tätigkeiten sohin sowohl als mildtätig als auch als gemeinnützig zu qualifizieren seien, sei diese Tätigkeit an diesem Standort von der Kommunalsteuer befreit. Der Gemeinderat hätte daher der Berufung Folge geben und die Kommunalsteuer mit 0 EUR festsetzen müssen. Der Beschwerde sei daher Folge zu geben und der Bescheid entsprechend abzuändern gewesen. Der Säumniszuschlag sei unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages mit 0 EUR zu berechnen gewesen.

21 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Gemeinderates.

22 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat der mitbeteiligte Verein eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

23 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

24 Die Revision ist entgegen dem Vorbringen der mitbeteiligten

Partei zur Klarstellung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig. Sie ist auch begründet. 25 Gemäß § 52 Abs. 1 StGB hat sich - nach Anordnung der Bewährungshilfe durch das Gericht (vgl. § 50 StGB) - ein Bewährungshelfer "mit Rat und Tat darum zu bemühen, dem Rechtsbrecher zu einer Lebensführung und Einstellung zu verhelfen, die diesen in Zukunft von der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen abzuhalten vermag. Soweit es dazu nötig ist, hat er ihn auf geeignete Weise bei seinen Bemühungen zu unterstützen, wesentliche Lebensbedürfnisse zu decken, insbesondere Unterkunft und Arbeit zu finden."

26 § 8 Kommunalsteuergesetz 1993 (in der Fassung BGBl. I Nr. 180/2004) lautet auszugsweise:

"§ 8. Von der Kommunalsteuer sind befreit:

(...)

2. Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, soweit sie mildtätigen Zwecken und/oder gemeinnützigen Zwecken auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, Kinder-, Jugend-, Familien-, Kranken-, Behinderten-, Blinden- und Altenfürsorge dienen (§§ 34 bis 37, § 39 bis 47 der Bundesabgabenordnung). § 5 Abs. 3 letzter Satz ist sinngemäß anzuwenden."

27 § 35 BAO lautet (in der Stammfassung, BGBl. Nr. 194/1961):

"§ 35. (1) Gemeinnützig sind solche Zwecke, durch deren Erfüllung die Allgemeinheit gefördert wird.

(2) Eine Förderung der Allgemeinheit liegt nur vor, wenn die Tätigkeit dem Gemeinwohl auf geistigem, kulturellem, sittlichem oder materiellem Gebiet nützt. Dies gilt insbesondere für die Förderung der Kunst und Wissenschaft, der Gesundheitspflege, der Kinder-, Jugend- und Familienfürsorge, der Fürsorge für alte, kranke oder mit körperlichen Gebrechen behaftete Personen, des Körpersports, des Volkswohnungswesens, der Schulbildung, der Erziehung, der Volksbildung, der Berufsausbildung, der Denkmalpflege, des Natur-, Tier- und Höhlenschutzes, der Heimatkunde, der Heimatpflege und der Bekämpfung von Elementarschäden."

28 § 37 BAO lautet (ebenfalls in der Stammfassung):

"§ 37. Mildtätig (humanitär, wohltätig) sind solche Zwecke, die darauf gerichtet sind, hilfsbedürftige Personen zu unterstützen."

29 In der Regierungsvorlage zum Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993, 1238 BlgNR 18. GP 2, war in § 8 Z 2 noch vorgesehen, dass gemeinnützige Krankenanstalten im Sinne des jeweils geltenden Krankenanstaltengesetzes von der Kommunalsteuer befreit seien. Im Rahmen der Behandlung der Regierungsvorlage im Finanzausschuss wurde § 8 Z 2 dahin abgeändert, dass diese Bestimmung nunmehr der derzeitigen Formulierung (abgesehen von dem mit BGBl. Nr. 680/1994 angefügten letzten Satz) entspricht. Zur Begründung führte der Finanzausschuss an (1302 BlgNR 18. GP 2):

"Es erscheint gerechtfertigt, nicht auf Gewinn gerichtete Unternehmen in die Befreiung aufzunehmen, soweit sie unmittelbar mildtätigen Zwecken dienen oder gemeinnützig auf dem Gebiet der Gesundheitspflege und der sozialen Fürsorge tätig werden. Die bisher in Z 2 enthaltenen gemeinnützigen Krankenanstalten können entfallen, weil diese durch die weitergehende Neuformulierung umfaßt sind."

30 Der Finanzausschuss traf - an der bereits angegebenen Stelle - weiters zwei Feststellungen zu § 8 Z 2 KommStG: Der Finanzausschuss halte fest, dass zu den dort angeführten Behinderteneinrichtungen nach Maßgabe der § 34 ff BAO auch geschützte Werkstätten gehörten, in denen Behinderte beschäftigt würden; weiters fielen Rehabilitationseinrichtungen nach Maßgabe der § 34 ff BAO unter die Befreiungsbestimmungen.

31 Zu dem mit BGBl. I Nr. 680/1994 angefügten letzten Satz wurde in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1624 BlgNR 18. GP 12) ausgeführt:

"Der angefügte Satz soll eine Vereinbarung zwischen Steuerschuldner und erhebungsberechtigten Gemeinden ermöglichen. Dadurch soll die Aufteilung der Bemessungsgrundlage in einen steuerpflichtigen und steuerbefreiten Teil bei gemischter unternehmerischer Tätigkeit erleichtert werden."

32 § 8 Z 2 KommStG enthält eine taxative Aufzählung derjenigen gemeinnützigen Zwecke, die eine Befreiung von der Kommunalsteuer nach sich ziehen. Von den im § 35 Abs. 2 BAO - dort in einer bloß beispielhaften Aufzählung - genannten gemeinnützigen Zwecken sind nur die Zwecke der Gesundheitspflege und die näher umschriebenen Fürsorgezwecke von der Kommunalsteuer befreit (vgl. , VwSlg. 7939/F). Betreffend Mildtätigkeit enthält § 8 Z 2 KommStG hingegen keine vergleichbare Einschränkung gegenüber § 37 BAO. Wie auch aus den Erläuterungen zum Bericht des Finanzausschusses hervorgeht, sollen Unternehmen in die Befreiung aufgenommen werden, soweit sie unmittelbar mildtätigen Zwecken dienen oder gemeinnützig auf den genannten Gebieten tätig werden. Es entspricht sohin - entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei - der mit dem Wortlaut des Gesetzes übereinstimmenden Absicht des Gesetzgebers, dass die Befreiung Unternehmen umfasst, soweit sie entweder mildtätigen Zwecken dienen oder soweit sie gemeinnützigen Zwecken auf bestimmten Gebieten dienen.

33 Mildtätig sind solche Zwecke, die darauf gerichtet sind, hilfsbedürftige Personen zu unterstützen. Hilfsbedürftigkeit kann aufgrund materieller Not bestehen, sie kann sich aber auch wegen der körperlichen und geistigen Verfassung der Personen ergeben, insbesondere bei Kranken und Gebrechlichen. Mildtätigkeit ist insoweit auf die Linderung menschlicher Not gerichtet (vgl. ; , 99/16/0091, VwSlg. 7647/F).

34 Dass der Begriff der Mildtätigkeit in den Statuten des mitbeteiligten Vereins nicht ausdrücklich genannt ist, schließt die Steuerbefreiung im vorliegenden Fall nicht aus (vgl. ). Wenn sich die Statuten insbesondere auf die Straffälligen- und Opferhilfe beziehen, so handelt es sich dabei um Personen, die - wie auch im angefochtenen Erkenntnis näher dargelegt wird - zumindest zu einem erheblichen Anteil persönlich oder materiell hilfsbedürftig sind. Ausschließlichkeit der mildtätigen Zweckverfolgung ist aber im Hinblick auf die partielle Abgabenbefreiung nach § 8 Z 2 KommStG nicht erforderlich (vgl. ). 35 Entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Partei sind auch die Tätigkeiten des mitbeteiligten Vereins, soweit sie darauf gerichtet sind, hilfsbedürftige Personen zu unterstützen, als mildtätig zu beurteilen. Die Unterstützung kann insbesondere auch durch Dienstleistungen oder Beratungen erfolgen (vgl. Ritz, BAO6, § 37 Tz 4). Dass diese Tätigkeiten unter Berücksichtigung des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts erfolgen, nimmt diesen Tätigkeiten nicht ihren Charakter als Unterstützung hilfsbedürftiger Personen.

36 Gleiches gilt auch für die Beurteilung der Tätigkeiten der mitbeteiligten Partei, soweit sie den in § 8 Z 2 KommStG näher genannten gemeinnützigen Zwecken dienen. Hier sind zwar nur Zwecke der Gesundheitspflege und näher umschriebene Fürsorgezwecke genannt; Zwecke der Bewährungshilfe sind nicht (gesondert) angeführt (vgl. hingegen etwa § 52 Abs. 2 Z 17 der deutschen Abgabenordnung). Dies schließt aber nicht aus, dass im Rahmen der Bewährungshilfe insbesondere auch Zwecke der Jugendfürsorge oder Familienfürsorge verfolgt werden. Es kann hiezu aber - wie auch betreffend arbeitsmarktpolitische Maßnahmen (vgl. neuerlich ) - nicht angenommen werden, dass Tätigkeiten der Bewährungshilfe in jedem Fall dem Begriff der Familienfürsorge oder der Jugendfürsorge zu subsumieren wären. 37 Entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Partei ist das Kriterium der Förderung der Allgemeinheit im vorliegenden Fall erfüllt, besteht doch zum einen eine Förderung im Interesse der Allgemeinheit (vgl. Ritz, BAO6, § 37 Tz 3) schon darin, durch die Bewährungshilfe die Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen zu vermeiden. Zum anderen ist aber der Kreis der zu betreuenden (fördernden) Personen nicht iSd § 36 BAO eingeschränkt. Einschränkungen, die sich aus der Fördersache selbst ergeben, sind hingegen unbedenklich (vgl. neuerlich Ritz, aaO). 38 Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes ist aber nicht ableitbar, in welchem Ausmaß sich die Tätigkeiten des mitbeteiligten Vereins auf hilfsbedürftige Personen beziehen oder den genannten gemeinnützigen Fürsorgezwecken dienen. Insbesondere kann dies aus den jeweils vom Verwaltungsgericht angeführten Prozentsätzen nicht abgeleitet werden, da sich die genannten Gruppen jeweils (zum Teil) überschneiden (das Verwaltungsgericht führt auch aus, dass die betreuten Personen mehrere der aufgezählten Merkmale aufweisen), sodass die angeführten Prozentsätze nicht sinnvoll addierbar sind. Auch führt das Verwaltungsgericht dazu nur aus, dass die betreuten Personen "meist" bestimmte Merkmale aufwiesen, sodass insbesondere auch nicht abgeleitet werden kann, dass alle betreuten Personen eines dieser Merkmale, die zur materiellen oder persönlichen Hilfsbedürftigkeit führen könnten oder die Tätigkeit als Jugend- oder allenfalls auch Altenfürsorge beurteilbar machen könnten, aufweisen.

39 Wenn das Verwaltungsgericht dazu auch auf § 52 Abs. 1 StGB verweist, so ist zu bemerken, dass es nach dieser Bestimmung Aufgabe des Bewährungshelfers ist, dem Rechtsbrecher zu einer Lebensführung und Einstellung zu verhelfen, die diesen in Zukunft von der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen abzuhalten vermag. Hilfsbedürftigkeit im Sinne des § 37 BAO (oder auch ein gemeinnütziger Zweck iSd § 8 Z 2 KommStG) wird damit nicht angesprochen. Nur soweit es (dazu) nötig ist, hat der Bewährungshelfer - nach § 52 Abs. 1 Satz 3 StGB - den Rechtsbrecher bei seinen Bemühungen zu unterstützen, wesentliche Lebensbedürfnisse zu decken, insbesondere Unterkunft und Arbeit zu finden. Auch der Gesetzgeber geht damit davon aus, dass Hilfsbedürftigkeit (iSd § 37 BAO) nicht jedenfalls gegeben ist. 40 Hinzuweisen ist darauf, dass eine nähere Bestimmung des begünstigungsfähigen Bereichs der Höhe nach grundsätzlich auch im Schätzungswege erfolgen kann (vgl. neuerlich ).

41 Abschließend ist darauf zu verweisen, dass bei völliger Steuerbefreiung nicht - wie im angefochtenen Erkenntnis vorgenommen - die Kommunalsteuer mit 0 EUR festzusetzen wäre. Eine Festsetzung nach § 201 BAO hat nämlich nur dann zu ergehen, wenn die Behörde von der eingereichten Erklärung abweicht; bei völliger Steuerbefreiung wäre daher im vorliegenden Fall der Bescheid über die Festsetzung der Kommunalsteuer ersatzlos zu beheben (vgl. , mwN).

42 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen

Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG

aufzuheben.

43 Von der von der revisionswerbenden Partei beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. 44 Die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht hat als Revisionswerber keinen Anspruch auf Aufwandersatz (§ 47 Abs. 4 VwGG).

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019150103.L00

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