VwGH vom 30.01.2014, 2013/10/0266
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des MD in W, vertreten durch MMag. Dr. Reinhard Perstel, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Maderstraße 1/12, gegen den Bescheid des Senates der Universität Wien vom , Zl. ReMiK 890-2012/13, betreffend Aufhebung einer Prüfung nach § 79 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 (UG), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung der (letzten zulässigen) Wiederholung der "FÜM II, schriftliche Fachprüfung aus Bürgerlichem Recht und Unternehmensrecht", abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe als Mangelhaftigkeit der Prüfung geltend gemacht, dass ihm im Zuge der (vierstündigen) Prüfung ein WC-Gang "zeitnah" nicht möglich gewesen sei, weil er erst 41 Minuten nach seiner Meldung über die Notwendigkeit, eine Toilette aufsuchen zu müssen, das WC habe aufsuchen dürfen. Den Harndrang habe der Beschwerdeführer mit der extremen psychischen Belastung durch die Prüfungssituation begründet, weshalb eine Konzentration auf die Prüfung nicht mehr möglich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass ihm deshalb 41 Minuten der Prüfungszeit gefehlt und sich das geschwundene Leistungsvermögen durch die Harndrucksituation negativ auf den Rest der Prüfungszeit ausgewirkt hätten. Während der Prüfung habe der Beschwerdeführer weiters unter Zahnschmerzen gelitten und sei ihm auch ein Stück eines Zahnes abgebrochen. Als weiteren Grund für seine psychische Belastung habe der Beschwerdeführer auch einen kürzlichen Todesfall in der Familie sowie eine gerichtliche Auseinandersetzung mit seinem Vater und die Beendigung der Studienbeihilfe angeführt. Dem Einwand der (erstinstanzlichen) Behörde, der Beschwerdeführer hätte die Prüfung abbrechen können, habe der Beschwerdeführer entgegen gehalten, dass seine Entscheidungsfähigkeit durch die Stresssituation derart beeinträchtigt gewesen sei, dass er diese Einsicht nicht mehr gehabt habe.
Dazu führte die belangte Behörde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschrift (§ 79 Abs. 1 UG) - aus, dass die Aufhebung einer Prüfung nur bei Glaubhaftmachung eines schweren Mangels in der Durchführung der Prüfung zulässig sei. Der von der Behörde erster Instanz festgestellte Sachverhalt sei unstrittig. Die längere Wartezeit für das Aufsuchen der Toilette resultiere aus einer prüfungsaufsichtlichen Maßnahme (um Absprachen der KandidatInnen außerhalb des Hörsaals zu verhindern). Der Beschwerdeführer sei diesbezüglich wie alle anwesenden Kandidaten behandelt worden. Die verfahrenstechnische Durchführung der Prüfung sei nicht mangelhaft gewesen, sodass objektiv kein Mangel in der Durchführung der Prüfung vorliege.
Über die Möglichkeit des Prüfungsabbruchs aus subjektiven Gründen habe der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben Bescheid gewusst. Dass die Stresssituation die Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt habe, sei nicht glaubhaft.
Objektivierbare Umstände für die behaupteten Beeinträchtigungen habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht. Ein übermäßiger Harndrang könnte durch eine medizinische Indikation hervorgerufen werden; eine solche sei vom Beschwerdeführer aber weder behauptet noch ein diesbezügliches medizinisches Attest vorgelegt worden. Auch für den abgebrochenen Zahn sei kein Attest vorgelegt worden. Außergewöhnliche, nur in der Person des Beschwerdeführers gelegene Beeinträchtigungen seien daher nicht glaubhaft gemacht worden.
Die weiteren vom Beschwerdeführer angeführten Umstände einer psychischen Beeinträchtigung (kürzlicher Todesfall, gerichtliche Auseinandersetzung, Verlust der Studienbeihilfe) seien nicht geeignet, eine Mangelhaftigkeit der Durchführung der Prüfung nach sich zu ziehen.
Die vom Beschwerdeführer dagegen zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde von diesem Gerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 648/2013-11, gemäß Art 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG (in der hier gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 noch maßgeblichen Fassung, die bis zum Ablauf des in Geltung stand) gebildeten Senat erwogen:
1. Die hier maßgebliche Bestimmung des UG (BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 81/2009) lautet:
" Rechtsschutz bei Prüfungen
§ 79. (1) Die Berufung gegen die Beurteilung einer Prüfung ist unzulässig. Wenn die Durchführung einer negativ beurteilten Prüfung einen schweren Mangel aufweist, hat das für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständige Organ diese Prüfung auf Antrag der oder des Studierenden mit Bescheid aufzuheben. Die oder der Studierende hat den Antrag innerhalb von zwei Wochen ab der Bekanntgabe der Beurteilung einzubringen und den schweren Mangel glaubhaft zu machen. Der Antritt zu der Prüfung, die aufgehoben wurde, ist nicht auf die zulässige Zahl der Prüfungsantritte anzurechnen."
2. Die Bestimmung des § 79 Abs. 1 zweiter Satz UG soll - wie auch durch das Abstellen auf einen "schweren Mangel" deutlich wird - eine Kontrolle der Durchführung von Prüfungen in Hinblick auf "Exzesse" ermöglichen (vgl. etwa zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0105, mwN).
Ein "schwerer Mangel" liegt etwa dann vor, wenn bei einer kommissionellen mündlichen Prüfung der Prüfungssenat nicht während der ganzen Dauer der Prüfung anwesend ist, wenn ein prüfungsunfähiger Kandidat beurteilt wird, wenn Zuständigkeitsvorschriften verletzt werden, oder wenn Verfahrensvorschriften nicht eingehalten werden (zB unzureichende Prüfungszeit), bei deren Einhaltung ein anderes Ergebnis zu erwarten gewesen wäre (vgl. die bei Perthold-Stoizner in Mayer (Hrsg), Kommentar UG2 § 79 II.4., angeführten Nachweise aus der hg. Rechtsprechung).
3. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, eine Wartezeit von 41 Minuten zum Aufsuchen der Toilette sei unangemessen und unzumutbar. Die belangte Behörde irre, wenn sie meine, ein übermäßiger Harndrang könne nur durch eine medizinische Indikation hervorgerufen werden. Hinsichtlich des abgebrochenen Zahnes sei ein medizinisches Attest nicht vorzulegen gewesen, weil der diesbezügliche Sachverhalt unstrittig sei. Von der Möglichkeit des Prüfungsabbruchs sei der Beschwerdeführer von der Prüfungsaufsicht "nicht exakt" informiert worden; der Beschwerdeführer habe daher zum Zeitpunkt der Prüfung über diese Möglichkeit nicht Bescheid gewusst. Die Annahme der belangten Behörde, dass die Entscheidungsfähigkeit im Rahmen der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Stresssituation nicht ausgeschlossen bzw. eingeschränkt gewesen sei, entspreche nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens.
4. Mit diesem Vorbringen wird allerdings keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dargetan:
4.1. Der Umstand einer - wenn auch längeren - Wartezeit eines Prüfungskandidaten für das Aufsuchen der Toilette begründet für sich noch keinen Mangel in der Durchführung der (schriftlichen) Prüfung; eine Verletzung von Verfahrensvorschriften (etwa eine Verkürzung der Prüfungszeit, wie vom Beschwerdeführer noch im Verwaltungsverfahren behauptet) kann darin nicht erblickt werden.
4.2. Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die von ihm vorgebrachten "Stressfaktoren" (Harndrang und Zahnschmerzen, sowie psychische Beeinträchtigung infolge Todesfalls, Gerichtsverfahrens und Verlust der Studienbeihilfe) eine Minderung seiner Konzentrationsfähigkeit und somit im Ergebnis eine relevante Beeinträchtigung seiner Prüfungsfähigkeit geltend macht, ist dem entgegen zu halten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine mit der Prüfung verbundene, durch psychische Angespanntheit hervorgerufene (bloße) Leistungsbeeinträchtigung - jedenfalls im Regelfall - nicht ausreicht, um eine unter dem Gesichtspunkt des § 79 Abs. 1 zweiter Satz UG erhebliche "Prüfungsunfähigkeit" des Kandidaten herbeizuführen. Eine Prüfungsunfähigkeit des Kandidaten im genannten Sinn liegt nur dann vor, wenn er aufgrund des von ihm geltend gemachten Grundes überhaupt nicht mehr in der Lage ist, passiv und aktiv am Prüfungsgeschehen teilzunehmen (vollständiger Verlust der Kommunikationsfähigkeit; vgl. näher das erwähnte hg. Erkenntnis vom , mwN).
Anhaltspunkte für die Annahme einer Prüfungsunfähigkeit des Beschwerdeführers im dargelegten Sinn sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar, zumal der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde ein substanziiertes Vorbringen erstattet hat.
4.3. Ob dem Beschwerdeführer die Möglichkeit des Prüfungsabbruchs bekannt war, kann insofern dahingestellt bleiben, als dies für die Frage der Rechtmäßigkeit der Durchführung der in Rede stehenden Prüfung nach Maßgabe des § 79 Abs. 1 zweiter Satz UG nicht von Relevanz ist.
5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 (in der am geltenden Fassung) iVm § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
6. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist. Weder Art 6 EMRK noch Art 47 GRC stehen einem Absehen von der mündlichen Verhandlung entgegen, weil weder zivilrechtliche Ansprüche im Sinne des Art 6 EMRK noch unionsrechtlich garantierte Rechte im Sinne des Art 47 GRC berührt sind.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-83551