VwGH vom 20.11.2019, Ra 2019/15/0101

VwGH vom 20.11.2019, Ra 2019/15/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger sowie Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des M Z in R, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG- 2018/14/2088-6, betreffend Übertretung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die verhängten Strafen sowie der Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom wurde der Revisionswerber als Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft wegen siebenfacher Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und über ihn sieben Geldstrafen in der Höhe von jeweils 3.000 EUR (samt Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von jeweils 14 Tagen) verhängt. 2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde hinsichtlich der Glücksspielgeräte Nr. 1, 2 und 3 als unbegründet ab. Das Landesverwaltungsgericht legte dem Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auf. Weiters modifizierte es den Spruch des Straferkenntnisses, indem es die Adresse des verfahrensgegenständlichen Lokals sowie die Funktion des Revisionswerbers konkretisierte. Außerdem ergänzte es die Strafsanktionsnorm mit "§ 52 Abs 2 erster Satz" GSpG. Im Übrigen gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde hinsichtlich der Glücksspielgeräte Nr. 4, 5, 6 und 7 Folge, behob das Straferkenntnis diesbezüglich und stellte das Strafverfahren ein. Weiters sprach es aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis - soweit der Beschwerde keine Folge gegeben wurde - richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde hat - nach Einleitung des Vorverfahrens - keine Revisionsbeantwortung eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision (gesondert) vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 Liegen - wie im vorliegenden Revisionsfall - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen gerichteten Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. ).

7 Schon mit dem Zulässigkeitsvorbringen des Revisionswerbers, es sei nicht ersichtlich, welchen Strafsatz das Landesverwaltungsgericht herangezogen habe, erweist sich die Revision als zulässig und begründet.

8 Das Landesverwaltungsgericht hat in seinem Spruch zwar die fehlende Strafsanktionsnorm des "§ 52 Abs 2 erster Satz" GSpG ergänzt. Es lässt sich aber auch im Zusammenhang mit der Begründung, in der insbesondere eine Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten hervorgehoben dargestellt wird, nicht erkennen, welchen konkreten Strafsatz das Landesverwaltungsgericht bei seiner Strafbemessung herangezogen hat. Da so vom Verwaltungsgerichtshof nicht überprüft werden kann, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint, hat das Landesverwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. 9 Weiters ist der Revisionswerber mit seinem Zulässigkeitsvorbringen, dass zwischen den verhängten Geldstrafen und den festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen kein auffallendes Missverhältnis bestehen dürfe, zumindest aber nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine diesbezügliche Begründung der Strafbemessung erforderlich sei, im Recht. 10 Nach dem vom Verwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen anzuwendenden § 16 Abs. 2 VStG (§ 38 VwGVG) darf die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen. 11 § 52 Abs. 2 GSpG sieht weder eine Freiheitsstrafe vor, noch ist für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von § 16 Abs. 2 VStG Abweichendes vorgesehen (vgl. ).

12 Das angefochtene Erkenntnis weist die durch den Revisionswerber erhobene Beschwerde dem Grunde nach ab und bestätigt somit die von der belangten Behörde verhängten Strafen. Durch diese Bestätigung hat das Landesverwaltungsgericht pro Glücksspielgerät eine Geldstrafe von 3.000 EUR und eine Ersatzfreiheitsstrafe von je zwei Wochen verhängt. Das Landesverwaltungsgericht begründete lediglich die Bestätigung der Geldstrafen. Die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen stehen jedoch - da ihr Höchstausmaß zu 100% ausgeschöpft wurde - in einem auffallenden Missverhältnis zur Höhe der verhängten Geldstrafen, die entweder mit der Mindeststrafe (beim 3. Strafsatz) oder mit 30% des gesetzlichen Rahmens (beim 1. Strafsatz) bemessen wurde. Eine Begründung für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe in dieser Höhe ist dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen. Auch das Straferkenntnis der belangten Behörde enthielt keine Begründung für die dort ursprünglich bemessene Ersatzfreiheitsstrafe.

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedenfalls dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht, dafür eine Begründung erforderlich (vgl. wieder ). Da - wie in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zutreffend aufgezeigt wird - eine solche im angefochtenen Erkenntnis nicht erfolgte, belastet auch dies den Strafausspruch mit Rechtswidrigkeit.

14 Ist der Ausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig, so ist der Strafausspruch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gänze aufzuheben (vgl. wieder ).

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Ausspruchs über die verhängten Strafen und des davon abhängigen Ausspruches über die Kosten des Verfahrens wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. 16 Zum übrigen Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; , Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; , Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; , Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie , Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom , Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Pfleger, C-390/12. 17 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom , Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. auch Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie , 0049, Rn. 24 ff ). 18 Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers steht das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher , 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

19 Der Revisionswerber bringt weiters vor, es sei innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine den Anforderungen des § 44a VStG entsprechende Verfolgungshandlung vorgelegen, da dem Revisionswerber in der Aufforderung zur Rechtfertigung weder vorgehalten worden sei, in welcher Weise die durch ihn vertretene Gesellschaft mit dem genannten Lokal in Verbindung stehen soll, noch worin die konkrete Handlung des Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen gelegen haben solle. Dem Revisionswerber sei auch nicht vorgehalten worden, dass die durch ihn vertretene Gesellschaft in einem derartigen Verhältnis zum Gegenstandslokal stehe, dass sie als deren Betreiberin anzusehen wäre. 20 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde in Ansehung der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a (nunmehr § 44a Z 1) VStG ausgeführt, dass dieser Bestimmung dann entsprochen werde, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes, sein. Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt (vgl. z.B. , mwN).

21 Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. neuerlich , mwN).

22 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt das Zurkenntnisbringen des Anzeigeninhaltes mit der Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme zur Rechtfertigung eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG dar, wenn die Anzeige alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale enthält (vgl. wiederum , mwN).

23 Die "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom konkretisierte den dem Revisionswerber angelasteten Sachverhalt, er habe als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft verbotene Ausspielungen mit mehreren konkret bezeichneten Glücksspielgeräten in einem unmissverständlich bezeichneten Lokal zu einem bestimmten Zeitpunkt unternehmerisch zugänglich gemacht. Mit dieser Aufforderung wurde den Anforderungen des § 44a VStG entsprochen. 24 Die Revision war daher, soweit sie den Schuldspruch betrifft, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

25 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019150101.L00

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