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VwGH 27.04.2016, 2013/10/0256

VwGH 27.04.2016, 2013/10/0256

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art144;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
RS 1
Kommt einer Partei nicht die Beschwerdelegitimation nach Art. 144 B-VG zu, da der angefochtene Bescheid nicht die subjektive Rechtssphäre dieser Partei berührt und wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den VfGH von diesem zurückgewiesen, gilt nichts anderes im Verfahren vor dem VwGH, sodass dieser Partei keine Beschwerdelegitimation nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zukommt. Eine Beschwerdeerhebung selbst unter der Annahme, die Beschwerde sei zulässigerweise gemäß § 26 Abs. 2 VwGG erhoben worden, erwiese sich als verspätet, wäre die Beschwerde in diesem Fall doch innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis vom Inhalt des Bescheides zu erheben gewesen (vgl. E , 94/12/0056, VwSlg 14787 A/1998).
Normen
AnerkennungsG 1874;
RRBG 1998 §11 Abs1;
RRBG 1998 §11;
VwRallg;
RS 2
Wie bereits aus der Überschrift des § 11 RRBG 1998 ersichtlich ist, normiert diese Bestimmung "zusätzliche Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz". Auch der Einleitungssatz des § 11 RRBG 1998 nimmt unmissverständlich darauf Bezug, dass für eine Anerkennung nach dem AnerkennungsG 1874 die "nachstehend genannten Voraussetzungen zusätzlich zu den im Gesetz betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. Nr. 68/1874, umschriebenen Erfordernissen" erfüllt sein müssen (vgl. die Materialien zur Stammfassung des § 11 RRBG 1998, 938 BlgNR 20. GP, 10). Es besteht daher kein Zweifel, dass in einem Verfahren auf Anerkennung als Religionsgesellschaft nach dem AnerkennungsG 1874 die in § 11 RRBG 1998 normierten Voraussetzungen zu beachten sind (vgl. den Verweis des VfGH in seinem E , VfSlg. 18965, darauf, dass die Bestimmung des § 11 Abs. 1 RRBG 1998 als lex fugitiva zum AnerkennungsG 1874 ergangen ist).
Normen
AnerkennungsG 1874 §1;
IslamG 1912 Art1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
RS 3
Mit dem Vorbringen einer Partei, sie sei nach Art. I des IslamG 1912 bereits als Religionsgesellschaft anerkannt, kann eine Verletzung im allein geltend gemachten Recht auf Anerkennung als Religionsgesellschaft nach dem AnerkennungsG 1874 schon deshalb nicht aufgezeigt werden, weil in diesem Fall eine - nochmalige - Anerkennung nach dem AnerkennungsG 1874 schon nach dem Einleitungssatz des § 1 legcit nicht in Betracht käme.
Normen
AnerkennungsG 1874;
IslamG 1912;
Islamische Glaubensgemeinschaft 1988;
RRBG 1998 §11;
RS 4
Bei Erfüllung der im AnerkennungsG 1874 und in § 11 RRBG 1998 normierten Voraussetzungen kommt eine Anerkennung nach dem AnerkennungsG 1874 grundsätzlich in Betracht, zumal dem auch das IslamG 1912 und die IslamVO 1988 nicht entgegenstehen (vgl. E VfSlg. 19240).
Norm
RRBG 1998 §11 Z1 litd;
RS 5
§ 11 Z. 1 lit. d RRBG 1998 sieht vor, dass dann, wenn der Nachweis aus den Daten der Volkszählung nicht möglich ist, dieser Nachweis in anderer geeigneter Form zu erbringen ist. Die bloße Berufung auf eine Anzahl von 600.000 Personen mit "Islam" als religiösem Bekenntnis stellt ebenso wenig einen Nachweis nach § 11 Z. 1 lit. d RRBG 1998 dar wie die bloße Behauptung, für 50.000 Anhänger des schiitischen Islam einzuschreiten.
Normen
AVG §63 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
RS 6
Nach dem Wortlaut des § 63 Abs 1 AVG richten sich der "Instanzenzug und das Recht zur Einbringung der Berufung" - abgesehen von den im AVG besonders geregelten Fällen - nach den Verwaltungsvorschriften. Mit dieser Bestimmung wird kein "Recht auf einen Instanzenzug" normiert. Nach der Rechtsprechung des VfGH bleibt - von verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Schaffung eines Instanzenzuges abgesehen - dem Gesetzgeber bei der Regelung einer Materie die Entscheidung überlassen, ob ein administrativer Instanzenzug überhaupt eingerichtet wird. Es ist daher verfassungsrechtlich zulässig, nur eine sachlich zuständige Behörde ohne Einräumung eines Instanzenzuges gegen ihre Entscheidung vorzusehen (vgl. E , VfSlg. 18281; die Betrauung eines Bundesministers als erste und einzige Instanz betreffend - E , VfSlg. 9600).
Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art51;
AnerkennungsG 1874;
IslamG 1912;
Islamische Glaubensgemeinschaft 1988;
RRBG 1998 §11;
RS 7
Bei einem Verfahren betreffend Anerkennung als gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft ist kein Sachverhalt gegeben, der zur Anwendung des Unionsrechts führte. Es liegt daher auch kein Anwendungsbereich der GRC iSd Art. 51 GRC vor. Nach dieser Bestimmung gilt die GRC für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union (vgl. E , 2011/12/0096).
Normen
B-VG Art144 Abs3;
VwGG §42 Abs1;
RS 8
Dem VwGG ist eine Bestimmung, die für den Fall der Abweisung einer Beschwerde, deren Abtretung an den Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung darüber vorsieht, ob eine Verletzung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht vorliegt und ob die in Rede stehende Bestimmung verfassungskonform ist, fremd.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 93/07/0051 E RS 5

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde 1. des Islamischen kulturellen Zentrums Al Mufid (IKZ) und 2. der Islamischen-Schiitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, beide in Wien und vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich Schmidt-Platz 7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vom , Zl. BMUKK-9.060/0003-KA/2013, betreffend Anerkennung als gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft,

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei wird zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Partei wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde über Antrag der erstbeschwerdeführenden Partei festgestellt, dass die religiöse Bekenntnisgemeinschaft "Islamische-Schiitische Glaubensgemeinschaft in Österreich" gemäß § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (BekGG) Rechtspersönlichkeit erworben habe.

2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag der erstbeschwerdeführenden Partei vom auf Anerkennung als gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft gemäß § 2 des Gesetzes vom 20. Mai 1874 betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften (AnerkennungsG 1874) iVm § 11 BekGG abgewiesen.

3 Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die erstbeschwerdeführende Partei, ein Verein nach dem Vereinsgesetz, habe am einen Antrag auf "Anerkennung als islamische-schiitische Glaubensgemeinschaft in Österreich" gestellt, der als Antrag auf Anerkennung als gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft gemäß § 2 AnerkennungsG 1874 mit der Bezeichnung "Islamische-schiitische Glaubensgemeinschaft in Österreich" zu verstehen sei. Dazu sei festzuhalten, dass die Anhänger des Islam aufgrund des Gesetzes vom betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islam als Religionsgesellschaft (IslamG 1912) bereits anerkannt seien. § 1 IslamG 1912 lege fest, dass die äußeren Rechtsverhältnisse des Islam auf der Grundlage der Selbstverwaltung und Selbstbestimmung im Verordnungswege zu regeln seien. Die Verordnung des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom , BGBl. 466/1988 (IslamVO 1988), lege in § 1 fest, dass die Anhänger des Islam in Österreich die Bezeichnung "Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich" führe.

§ 2 dieser Verordnung lege fest, dass die Verfassung bestimmte, in den Z. 1 bis 7 genannte Erfordernisse erfüllen müsse und diese Verfassung und deren Änderungen zu ihrer Wirksamkeit für den staatlichen Bereich der Genehmigung bedürften. Diese Genehmigung sei mit Bescheid vom erteilt worden. Nachfolgende Änderungen der Verfassung seien mit Bescheiden vom und genehmigt worden.

4 Weder im IslamG 1912 noch in der IslamVO 1988 oder der Verfassung der Islamischen Glaubensgemeinschaft sei die Möglichkeit einer weiteren islamischen Glaubensgemeinschaft vorgesehen. Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 19.240, sei erkannt worden, dass dies die Rechtspersönlichkeit für weitere sich als islamische Religionsgemeinschaften verstehende Konfessionen nicht zu hindern vermöge.

5 § 11 BekGG sehe neben dem gesicherten Bestand eine erforderliche Zahl an Mitgliedern von 2vT der letzten Volkszählung vor. Die letzte Volkszählung sei die Registerzählung 2011 gewesen, die eine Gesamtbevölkerung von 8,430.558 Einwohnern ergeben habe. Somit ergebe sich ein Erfordernis von zumindest 16.861 Mitgliedern.

6 Die erstbeschwerdeführende Partei habe mit die Rechtspersönlichkeit als religiöse Bekenntnisgemeinschaft erworben. Im Verfahren seien insgesamt 456 Anhänger glaubhaft gemacht worden; die Glaubhaftmachung weiterer Mitglieder sei nicht erfolgt. Es liege daher nicht die erforderliche Zahl von

16.861 Mitgliedern gemäß § 11 Z. 1 lit. d BekGG vor, sodass spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

7 Gegen die Bescheide der belangten Behörde vom und vom erhoben die beschwerdeführenden Parteien mit Schriftsatz vom Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

8 Mit Beschluss vom , B 828-829/2013, wies der Verfassungsgerichtshof diese Beschwerde, soweit sie sich gegen den Bescheid vom richtet, zurück. Weiters wies er die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid vom zurück. Soweit sich die erstbeschwerdeführende Partei gegen den Bescheid vom richtet, lehnte er die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese insoweit dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

9 Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzte die erstbeschwerdeführende Partei ihre Beschwerde. In der Beschwerdeergänzung tritt auch die nunmehr zweitbeschwerdeführende Partei als Beschwerdeführerin auf. Beide beschwerdeführenden Parteien richten sich in der Beschwerdeergänzung gegen die Bescheide der belangten Behörde vom und vom .

10 Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes bekanntzugeben, ob es sich dabei um einen Irrtum handelt oder ob mit der Beschwerdeergänzung nunmehr von der erstbeschwerdeführenden Partei auch der Bescheid vom bekämpft wird bzw. die zweitbeschwerdeführende Partei gegen die genannten Bescheide den Verwaltungsgerichtshof anruft, brachten die beschwerdeführenden Parteien in einer Stellungnahme zum Ausdruck, lediglich den Bescheid vom in Beschwerde zu ziehen. An einer Beschwerdeerhebung durch die zweitbeschwerdeführende Partei wurde hingegen festgehalten.

11 Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

12 Die beschwerdeführenden Parteien replizierten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu I.:

13 Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem genannten Beschluss vom die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der belangten Behörde vom unter Hinweis darauf zurückgewiesen, dass die zweitbeschwerdeführende Partei weder den Antrag auf Anerkennung als Religionsgesellschaft iSd AnerkennungsG 1874 gestellt habe noch Adressatin des den Antrag der erstbeschwerdeführenden Partei vom abweisenden Bescheides sei. Der Bescheid vom berühre nicht die subjektive Rechtssphäre der zweitbeschwerdeführenden Partei, sodass dieser nicht die Beschwerdelegitimation nach Art. 144 B-VG zukomme.

14 Nichts anderes gilt aber im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, sodass der zweitbeschwerdeführenden Partei keine Beschwerdelegitimation nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG zukommt. Hinzuweisen ist darauf, dass insoweit auch keine Abtretung der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde vorliegt. Im Übrigen erwiese sich eine Beschwerdeerhebung selbst unter der Annahme, die Beschwerde sei zulässigerweise gemäß § 26 Abs. 2 VwGG erhoben worden, als verspätet, wäre die Beschwerde in diesem Fall doch innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis vom Inhalt des Bescheides zu erheben gewesen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 14.878 A).

15 Schon allein deshalb erweist sich eine Beschwerdeerhebung der zweitbeschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der belangten Behörde vom als unzulässig, sodass die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei zurückzuweisen war.

Zu II.:

16 1.1. Da die Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der belangten Behörde vom vom Verfassungsgerichtshof noch vor dem dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurde, sind gemäß § 8 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung und des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

17 1.2. Das Gesetz vom 20. Mai 1874, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. 68/1874 (AnerkennungsG 1874), lautet auszugsweise:

"§. 1.

Den Anhängern eines bisher gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses wird die Anerkennung als Religionsgesellschaft unter nachfolgenden Voraussetzungen ertheilt:

1. Daß ihre Religionslehre, ihr Gottesdienst, ihre Verfassung, sowie die gewählte Benennung nichts Gesetzwidriges oder sittlich Anstößiges enthält;

2. daß die Errichtung und der Bestand wenigstens Einer nach den Anforderungen dieses Gesetzes eingerichteten Cultusgemeinde gesichert ist.

§. 2.

Ist den Voraussetzungen des §. 1 genügt, so wird die Anerkennung von dem Cultusminister ausgesprochen.

Durch diese Anerkennung wird die Religionsgesellschaft aller jener Rechte theilhaftig, welche nach den Staatsgesetzen den gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgesellschaften zukommen."

1.3. Das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I 19/1998 idF BGBl. I Nr. 78/2011 (BekGG), lautet auszugsweise:

"Begriff der religiösen Bekenntnisgemeinschaft§ 1. Religiöse Bekenntnisgemeinschaften im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Vereinigungen von Anhängern einer Religion, die gesetzlich nicht anerkannt sind.

...

Zusätzliche Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz

§ 11. Für eine Anerkennung müssen die nachstehend genannten Voraussetzungen zusätzlich zu den im Gesetz betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. Nr. 68/1874, umschriebenen Erfordernissen, erfüllt sein.

1. Die Bekenntnisgemeinschaft muss

...

d) über eine Anzahl an Angehörigen von mindestens 2 vT der Bevölkerung Österreichs nach der letzten Volkszählung verfügen. Wenn der Nachweis aus den Daten der Volkszählung nicht möglich ist, so hat die Bekenntnisgemeinschaft diesen in anderer geeigneter Form zu erbringen.

..."

1.4. Das Gesetz vom , betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islam als Religionsgesellschaft, RGBl. 159/1912 idF BGBl. 164/1988 (IslamG 1912), lautet auszugsweise:

"Artikel I.

Den Anhängern des Islams wird in den im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern die Anerkennung als Religionsgesellschaft im Sinne des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, R. G. Bl. Nr. 142, insbesondere des Artikels XV desselben, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewährt.

§ 1.

Die äußeren Rechtsverhältnisse der Anhänger des Islams sind auf Grundlage der Selbstverwaltung und Selbstbestimmung, jedoch unter Wahrung der Staatsaufsicht, im Verordnungsweg zu regeln, sobald die Errichtung und der Bestand wenigstens einer Kultusgemeinde gesichert ist.

..."

1.5. Die Verordnung des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom betreffend die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, BGBl. 466/1988 (IslamVO 1988), lautet auszugsweise:

"Auf Grund des § 1 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Anerkennung der Anhänger des Islams als Religionsgesellschaft, RGBl. Nr. 159/1912, in der Fassung der Kundmachung BGBl. Nr. 164/1988 wird hinsichtlich der äußeren Rechtsverhältnisse der durch dieses Gesetz anerkannten Religionsgesellschaft verordnet:

§ 1. Die Anhänger des Islams führen als anerkannte Religionsgesellschaft die Bezeichnung ‚Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich'.

..."

18 2.1. Die Beschwerde macht zusammengefasst geltend, der Antrag der erstbeschwerdeführenden Partei sei "auf eine Anerkennung als Religionsgesellschaft nach dem AnerkennungsG 1874" gerichtet gewesen. Der angefochtene Bescheid beziehe sich auf § 2 AnerkennungsG 1874 iVm § 11 BekGG. Diese von der belangten Behörde hergestellte Verbindung "zweier gänzlich unterschiedlicher Gesetze" sei unzulässig. Das BekGG sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Nach § 1 BekGG seien religiöse Bekenntnisgemeinschaften im Sinne dieses Bundesgesetzes Vereinigungen von Anhängern einer Religion, die gesetzlich nicht anerkannt seien. Sämtliche Anhänger des Islam in Österreich seien ungeachtet ihrer Glaubensrichtung innerhalb des Islam aber nach Art. I des IslamG 1912 bereits als Religionsgesellschaft anerkannt. Das BekGG sei daher zur Gänze nicht anwendbar, sodass auch dessen § 11 nicht heranzuziehen gewesen sei. Die belangte Behörde hätte bei der Beurteilung des Antrages der erstbeschwerdeführenden Partei ausschließlich das AnerkennungsG 1874 anwenden und prüfen müssen, ob gemäß dessen § 2 die Voraussetzungen des § 1 erfüllt seien, was der Fall sei. Ein "zahlenmäßiges Erfordernis" sei dem AnerkennungsG 1874 nicht zu entnehmen.

19 Damit ist die Beschwerde nicht im Recht:

20 Wie bereits aus der Überschrift des § 11 BekGG ersichtlich ist, normiert diese Bestimmung "zusätzliche Voraussetzungen für eine Anerkennung nach dem Anerkennungsgesetz". Auch der Einleitungssatz des § 11 BekGG nimmt unmissverständlich darauf Bezug, dass für eine Anerkennung nach dem AnerkennungsG 1874 die "nachstehend genannten Voraussetzungen zusätzlich zu den im Gesetz betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl. Nr. 68/1874, umschriebenen Erfordernissen" erfüllt sein müssen. Die Materialien zur Stammfassung des § 11 BekGG (938 BlgNR 20. GP, 10) führen u. a. Folgendes aus:

"Eine formelle Änderung des Anerkennungsgesetzes wäre im Hinblick auf den sonstigen Wortlaut dieses alten Gesetzes nicht tunlich. Die Neuerlassung eines dem Anerkennungsgesetz entsprechenden Gesetzes erscheint jedoch unzweckmäßig und auch nicht erforderlich. Daher wären Grundvoraussetzungen für die Anerkennung nach dem genannten Gesetz zu schaffen. Durch die Aufnahme dieser Grundvoraussetzungen in den vorliegenden Gesetzentwurf wird die Verknüpfung zwischen dem im Entwurf vorliegenden Gesetz und dem Anerkennungsgesetz dokumentiert."

21 Es besteht daher kein Zweifel, dass in einem Verfahren auf Anerkennung als Religionsgesellschaft nach dem AnerkennungsG 1874 die in § 11 BekGG normierten Voraussetzungen zu beachten sind (vgl. auch den Verweis des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom , VfSlg. 18.965, darauf, dass die Bestimmung des § 11 Abs. 1 BekGG als lex fugitiva zum AnerkennungsG 1874 ergangen ist). Die gegenteilige Ansicht der erstbeschwerdeführenden Partei trifft demnach nicht zu.

22 Soweit die erstbeschwerdeführende Partei den Standpunkt einnimmt, sie sei nach Art. I des IslamG 1912 bereits als Religionsgesellschaft anerkannt, so kann mit diesem Vorbringen eine Verletzung im allein geltend gemachten Recht auf Anerkennung als Religionsgesellschaft nach dem AnerkennungsG 1874 schon deshalb nicht aufgezeigt werden, weil in diesem Fall eine - nochmalige - Anerkennung nach dem AnerkennungsG 1874 schon nach dem Einleitungssatz des § 1 leg. cit. nicht in Betracht käme.

23 Bei Erfüllung der im AnerkennungsG 1874 und in § 11 BekGG normierten Voraussetzungen käme eine Anerkennung nach dem AnerkennungsG 1874 zwar grundsätzlich in Betracht, zumal dem auch das IslamG 1912 und die IslamVO 1988 nicht entgegenstehen. Dazu genügt es auf folgende Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im - in der Beschwerde zitierten - Erkenntnis vom , VfSlg. 19.240, zu verweisen:

"Die belangte Behörde geht im Ergebnis davon aus, dass die Bestimmungen des IslamG und der IslamVO den Bestand einer weiteren sich als islamisch verstehenden Religionsgemeinschaft neben der bereits gesetzlich anerkannten IGGiÖ nicht zulassen. Auch die beschwerdeführende Partei vertritt diese Auffassung, hegt jedoch gegen Art I und § 1 IslamG sowie gegen die IslamVO das Bedenken, dass diese Bestimmungen in verfassungswidriger Weise eine Zwangsgemeinde für verschiedene islamische Glaubensformen gegründet hätten. Der Gesetzgeber sei immer davon ausgegangen, dass die IGGiÖ als einzige islamische Religionsgesellschaft in Österreich alle Anhänger des Islam in Österreich vertreten solle.

... Diese Annahme der belangten Behörde und der

beschwerdeführenden Partei ist nicht zutreffend: Weder aus dem Wortlaut des Art I IslamG, wonach den Anhängern des Islam die Anerkennung als Religionsgesellschaft gewährt wird, noch aus jenem des § 1 IslamG, der die Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der Anhänger des Islam an den Zeitpunkt der Errichtung wenigstens einer Kultusgemeinde knüpft, kann der Schluss gezogen werden, dass es nur eine einzige islamische Religionsgesellschaft bzw. Bekenntnisgemeinschaft geben darf. Ebenso wenig ergibt sich eine solche Beschränkung zwingend aus § 1 IslamVO, wonach die Anhänger des Islam die Bezeichnung ‚Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich' führen.

...

Die Bestimmungen des Art I und des § 1 IslamG iVm der IslamVO überschreiten die von der Rechtsprechung des EGMR markierte Grenze des konventionsrechtlich Zulässigen nicht und gebieten insbesondere nicht, dass es nur eine rechtlich verfasste islamische Religionsgemeinschaft geben darf. Die Regelungen sind vielmehr bei verfassungskonformem Verständnis dahingehend auszulegen, dass eine Vertretung aller Anhänger des Islam durch eine (islamische) ‚Einheitsgemeinde' nicht vorgegeben ist, und stehen somit dem - von den Voraussetzungen des BekGG und des AnerkennungsG abhängigen - Bestand einer weiteren islamischen Religionsgemeinschaft nicht entgegen. ...

Bei Erfüllung der im AnerkennungsG bzw. im BekGG festgelegten Voraussetzungen kann - entsprechend der das Erkenntnis VfSlg. 11.574/1987 tragenden Grundposition - auch eine weitere sich als islamisch verstehende Religionsgemeinschaft gesetzlich anerkannt bzw. als religiöse Bekenntnisgemeinschaft eingetragen werden."

24 2.2. Der Beschwerde ist eine konkrete Bestreitung der Annahme der belangten Behörde, zur Erfüllung des in § 11 Z. 1 lit. d BekGG genannten Erfordernisses seien 16.861 Angehörige nachzuweisen, nicht zu entnehmen. Sie führt in diesem Zusammenhang vielmehr aus, diese Voraussetzung sei "realitätsfern". Das religiöse Bekenntnis scheine bei Zählungen aktuell nicht mehr auf, auch bei der letzten Zählung sei als Religionsbekenntnis nur der "Islam" - ohne Unterscheidung von Glaubensrichtungen - erfasst worden. Zudem seien die diesbezüglichen Eintragungen zur Volkszählung 2001 aus näher dargestellten Gründen nicht aussagekräftig. Da die letzte Volkszählung rund 400.000 Personen mit "Islam" als religiösem Bekenntnis ergeben habe, wobei von vielen Gezählten kein oder ein anderes Bekenntnis angegeben worden sei, und diese Zahl auf weit über 600.000 angestiegen sei, könne "keineswegs von einer Nichterbringung dieser Anzahl ausgegangen werden".

25 Mit diesem Vorbringen wird allerdings nicht aufgezeigt, dass von der erstbeschwerdeführende Partei im Verfahren vor der belangten Behörde eine Anzahl von mindestens 16.861 Angehörigen nachgewiesen worden wäre. Die erstbeschwerdeführende Partei ist insofern darauf zu verweisen, dass § 11 Z. 1 lit. d BekGG vorsieht, dass dann, wenn der Nachweis aus den Daten der Volkszählung nicht möglich ist, dieser Nachweis in anderer geeigneter Form zu erbringen ist. Dass ein derartiger Nachweis erbracht worden wäre, wird mit dem oben wiedergegebenen allgemein gehaltenen Vorbringen nicht dargelegt; die bloße Berufung auf eine Anzahl von 600.000 Personen mit "Islam" als religiösem Bekenntnis stellt ebenso wenig einen derartigen Nachweis dar wie die - etwa im Rubrum der Beschwerde enthaltene - bloße Behauptung, für 50.000 Anhänger des schiitischen Islam einzuschreiten.

26 Die Annahme der belangten Behörde, die Voraussetzung des § 11 Z. 1 lit. d BekGG liege im Beschwerdefall nicht vor, ist vor dem Hintergrund der Beschwerdeausführungen somit nicht als rechtswidrig zu erkennen. Davon ausgehend mangelt es den in der Beschwerde mit umfangreichen Darlegungen behaupteten (sonstigen) Verfahrensmängeln aber schon an der Relevanz für den Verfahrensausgang, sodass auf diese nicht weiter einzugehen ist.

27 2.3. Soweit die erstbeschwerdeführende Partei geltend macht, die belangte Behörde habe in erster und letzter Instanz entschieden, dies verletze § 63 Abs. 1 AVG, der von einem Recht zur Einbringung einer Berufung ausgehe, so ist auf den Wortlaut dieser Bestimmung zu verweisen, wonach sich der "Instanzenzug und das Recht zur Einbringung der Berufung" - abgesehen von den im AVG besonders geregelten Fällen - nach den Verwaltungsvorschriften richten. Entgegen der Ansicht der erstbeschwerdeführenden Partei wird mit dieser Bestimmung kein "Recht auf einen Instanzenzug" normiert.

28 Im Weiteren ist auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach - von verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Schaffung eines Instanzenzuges abgesehen - dem Gesetzgeber bei der Regelung einer Materie die Entscheidung überlassen bleibt, ob ein administrativer Instanzenzug überhaupt eingerichtet wird. Es ist daher verfassungsrechtlich zulässig, nur eine sachlich zuständige Behörde ohne Einräumung eines Instanzenzuges gegen ihre Entscheidung vorzusehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , VfSlg. 18.281, sowie - die Betrauung eines Bundesministers als erste und einzige Instanz betreffend - das Erkenntnis vom , VfSlg. 9.600, jeweils mwN).

29 Soweit sich die erstbeschwerdeführende Partei auf Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) beruft, genügt die Feststellung, dass im Beschwerdefall kein Sachverhalt gegeben ist, der zur Anwendung des Unionsrechts führte. Es liegt daher auch kein Anwendungsbereich der GRC im Sinne des Art. 51 GRC vor. Nach dieser Bestimmung gilt die GRC für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/12/0096, mwN).

30 2.4. Soweit die erstbeschwerdeführende Partei eine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend macht, ist sie darauf zu verweisen, dass für die Behandlung eines solchen Vorbringens der Verwaltungsgerichtshof zufolge Art. 133 Z. 1 iVm Art. 144 Abs. 1 B-VG nicht zuständig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/10/0175, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/10/0236). Zu den von der erstbeschwerdeführenden Partei ebenfalls geltend gemachten Normbedenken ist im Übrigen auf den genannten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom zu verweisen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aufgrund des Beschwerdevorbringens nicht veranlasst, Normbedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

31 2.5. Die Beschwerde bringt auch vor, "weder im vorangegangenen Verfahren noch in früheren Verfahren" vor dem Verfassungsgerichtshof seien - näher ausgeführte - Verletzungen von Grundrechten behandelt worden. Es werde deshalb "eine neuerliche Vorlage der Beschwerde" an den Verfassungsgerichtshof verlangt. Im Weiteren werde angeregt, die Beschwerde wieder an den Verfassungsgerichtshof zu überweisen bzw. abzutreten, da vor einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes noch näher ausgeführte "Vorfragen" durch den Verfassungsgerichtshof zu lösen seien.

32 Zu diesem Vorbringen genügt es darauf hinzuweisen, dass dem B-VG bzw. dem VwGG eine Bestimmung, die eine solche Abtretung oder Überweisung vorsähe, fremd ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis von , Zl. 2013/10/0175, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/07/0051).

33 3. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Partei war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

34 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil dadurch eine weitere Klärung des Falles nicht zu erwarten ist und auch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

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Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art51;
AnerkennungsG 1874 §1;
AnerkennungsG 1874;
AVG §63 Abs1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art144 Abs3;
B-VG Art144;
IslamG 1912 Art1;
IslamG 1912;
Islamische Glaubensgemeinschaft 1988;
RRBG 1998 §11 Abs1;
RRBG 1998 §11 Z1 litd;
RRBG 1998 §11;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwRallg;
Sammlungsnummer
VwSlg 19360 A/2016
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut
des Gesetzes VwRallg3/2/1
Instanzenzug Zuständigkeit Allgemein
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde
subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und
Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde
Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint
keineBESCHWERDELEGITIMATION
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der
wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung
Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht
Anfechtungsrecht VwRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:2013100256.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAE-83522