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VwGH vom 26.01.2012, 2008/21/0568

VwGH vom 26.01.2012, 2008/21/0568

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des R in T, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 144.932/5-III/4/08, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1979 geborene Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger von Bangladesch. Er reiste im Oktober 2001 unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte hier einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde erstinstanzlich am abgewiesen, gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch zulässig sei.

Mit Vertrag vom wurde der Beschwerdeführer von einem 1960 geborenen, aus Bangladesch stammenden österreichischen Staatsbürger an Kindes statt angenommen. Mit Beschluss vom bewilligte das Bezirksgericht Tamsweg die Adoption, weil zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Wahlvater bereits ein Verhältnis wie zwischen leiblichem Vater und Kind bestehe; die Eltern des Beschwerdeführers und die Ehefrau des Wahlvaters hätten der Adoption zugestimmt, der Unterhalt der drei minderjährigen Kinder des Wahlvaters sei nicht gefährdet.

Im Hinblick auf die bewilligte Adoption beantragte der Beschwerdeführer im Juli 2005 eine Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG". Damit im Zusammenhang zog er seine gegen den oben genannten Bescheid vom erhobene Berufung im Asylverfahren zurück.

Im März 2008 modifizierte der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - ein erster abweisender Bescheid war mittlerweile aufgehoben worden - dahingehend, dass es sich um einen Erstantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" handle. Mit Bescheid vom wies die Bezirkshauptmannschaft Tamsweg diesen Antrag, im Wesentlichen gestützt auf § 21 Abs. 1 und 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, wegen unzulässiger "Inlandsantragstellung" ab; die Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde, weil kein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben sei, gemäß § 74 NAG nicht zugelassen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Außerdem stellte er den Antrag, es möge festgestellt werden, dass er vom Inland aus einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" aus humanitären Gründen einbringen könne. Diesen Antrag wies die Bezirkshauptmannschaft Tamsweg mit Bescheid vom gemäß § 74 NAG als unzulässig zurück, wogegen der Beschwerdeführer ebenfalls Berufung erhob.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) die gegen die beiden Entscheidungen der Bezirkshauptmannschaft Tamsweg erhobenen Berufungen ab. Dabei stützte sie sich, soweit sie über den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung erkannte, ebenfalls auf § 21 Abs. 1 NAG, gründete ihre Entscheidung aber über die Erwägungen der Erstbehörde hinaus auch darauf, dass außerdem allgemeine und besondere Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. (Schon) § 21 Abs. 1 NAG stehe aber einer Bewilligung des gegenständlichen Antrages entgegen, weil dieser Antrag ein Erstantrag sei und nicht - wie geboten - bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland eingebracht worden sei und weil der seit unrechtmäßig in Österreich aufhältige Beschwerdeführer die Entscheidung über den Antrag auch nicht im Ausland, sondern im Inland abgewartet habe. Unter dem Blickwinkel des § 72 NAG - so die belangte Behörde an anderer Stelle ihres Bescheides - könne keine "besondere Berücksichtigungswürdigkeit" erkannt werden. Insbesondere stelle die Wahlkindschaft zu einem österreichischen Staatsbürger keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinn des § 72 NAG dar, weil diese erst am vertraglich gegründet worden sei und weil der seit 1997 volljährige Beschwerdeführer bis 2001 nicht bei seinem Wahlvater und dessen Ehefrau gelebt habe. Das Familienleben sei daher jedenfalls zu einem Zeitpunkt vertraglich begründet worden, zu dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei oder zumindest hätte bewusst sein müssen; der Fortbestand des in Österreich vollständig neu begründeten Familienlebens sei von vornherein fraglich gewesen. Liege demnach kein unter § 72 Abs. 1 NAG zu subsumierender Sachverhalt vor, so werde einerseits die Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen. Andererseits könne dann auch der vom Beschwerdeführer nachträglich gestellte Feststellungsantrag nicht erfolgreich sein.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage seitens der belangten Behörde erwogen:

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde den vorliegenden Fall im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zutreffend nach der Rechtslage des am in Kraft getretenen NAG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) beurteilt hat (§§ 81 Abs. 1, 82 Abs. 1 NAG). Gemäß dem demnach anzuwendenden § 21 Abs. 1 NAG hätte der Beschwerdeführer somit nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes die Entscheidung über seinen im März 2008 modifizierten, bereits im Juli 2005 gestellten Erstantrag im Ausland abwarten müssen. Diese Erfolgsvoraussetzung hat der Beschwerdeführer unstrittig nicht erfüllt, es liegt auch keiner der nach § 21 Abs. 2 NAG zur Inlandsantragstellung berechtigenden Ausnahmefälle vor.

Das Recht, die Entscheidung über seinen Antrag im Inland abzuwarten, käme daher für den Beschwerdeführer nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Danach ist die Inlandsantragstellung - einschließlich des Abwartens der Entscheidung über den Antrag im Inland - in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen (§ 72 Abs. 1 NAG) von Amts wegen zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. Der (mit BGBl. I Nr. 29/2009 aufgehobene) § 72 NAG stellte insbesondere auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen einen Aufenthaltstitel zu erteilen. Ein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" im Sinne dieser Bestimmung liegt auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch auf Verbleib in Österreich besteht (siehe zum Ganzen aus jüngerer Zeit etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0538, mwN).

Unter diesem Gesichtspunkt macht der Beschwerdeführer geltend, dass er sich acht Jahre in Österreich aufhalte und die Berufung im Asylverfahren im Vertrauen "auf die Bestimmungen des damals geltenden Fremdengesetzes" zurückgezogen habe. Wegen der ihn treffenden Verschärfung der Gesetze dürfe er nicht mehr arbeiten; er sei vollständig darauf angewiesen, dass ihm ein "humanitäres Aufenthaltsrecht" zuerkannt werde. Er habe über seine Wahleltern eine starke Bindung zu Österreich, spreche sehr gut Deutsch und habe sich keiner strafbarer Handlungen schuldig gemacht.

Diesem Vorbringen ist zunächst zu erwidern, dass sich der Beschwerdeführer bei Bescheiderlassung erst knapp sieben Jahre (und nicht wie behauptet acht Jahre) in Österreich befand und dass er nicht von einem Ehepaar, sondern von einer Einzelperson adoptiert worden ist. Im Übrigen ist ihm mit der belangten Behörde entgegenzuhalten, dass diese Adoption erst im Erwachsenenalter erfolgte und dass sich die geltend gemachten familiären Beziehungen zum Wahlvater - der verheiratet ist und drei minderjährige leibliche Kinder hat - erst in Österreich entwickeln konnten. Die Bindungen des Beschwerdeführers an Österreich sind daher nicht so ausgeprägt, dass von einem aus Art. 8 EMRK resultierenden Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und damit von einer Verpflichtung der belangten Behörde, die "Inlandsantragstellung" nach § 74 NAG zuzulassen, ausgegangen werden müsste.

Angesichts dessen, dass die Beurteilung nach § 74 NAG - nach dem Gesagten zutreffend - bereits im Hauptverfahren erfolgte, ist für einen gesonderten, im Gesetz nicht vorgesehenen Feststellungsantrag kein Platz. Auch dessen Zurückweisung erfolgte daher im Ergebnis zu Recht. Die Beschwerde, deren weitere Ausführungen sich auf das von der belangten Behörde angenommene Fehlen allgemeiner und besonderer Erteilungsvoraussetzungen beziehen, worauf es hier aber nicht mehr ankommt, war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-83486