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VwGH vom 22.12.2009, 2008/21/0561

VwGH vom 22.12.2009, 2008/21/0561

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der S, vertreten durch Reiffenstuhl & Reiffenstuhl Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 41/9, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 318.523/2-III/4/08, betreffend Versagung einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die aus dem Kosovo stammende, damals neunjährige Beschwerdeführerin reiste im Mai 1999 mit ihren Eltern und Geschwistern legal nach Österreich ein. In der Folge gestellte Asylanträge wurden rechtskräftig negativ erledigt.

Mit dem von ihren Rechtsvertretern verfassten, an die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach (BH) gerichteten Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, die Behörde möge ihr "die Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen, in eventu die Aufenthaltsbewilligung als Schülerin gem. § 63 NAG erteilen."

Den Hauptantrag wies die BH mit Bescheid vom zurück (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/21/0091).

Den hier gegenständlichen Eventualantrag hatte die BH bereits mit Bescheid vom gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen, weil es sich um einen Erstantrag handle, der nach der genannten Bestimmung im Ausland einzubringen und dessen Erledigung dort abzuwarten sei.

In der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin vor allem geltend, die BH wäre verpflichtet gewesen, zunächst über den auf die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gerichteten Primärantrag und erst nach dessen negativer Erledigung über den auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für Schüler gerichteten Eventualantrag abzusprechen.

Dieser Berufung gab die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 19 Abs. 1 NAG keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es sei dem Erfordernis der persönlichen Antragstellung nach § 19 Abs. 1 NAG nicht entsprochen worden, weil der Antrag (schriftlich) durch den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin gestellt worden sei. Eine Heilung dieses Formmangels sei nicht möglich, sodass der Antrag von der BH schon nach dieser Bestimmung zurückzuweisen gewesen wäre. Angesichts dieses Ergebnisses sei eine Prüfung "hinsichtlich § 21 Abs. 1 NAG" und "hinsichtlich der vorliegenden unzulässigen Doppelantragstellung (vgl. § 19 Abs. 2 NAG)" entbehrlich. In Bezug auf den Hauptantrag betreffend Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen werde festgehalten, dass darüber von der BH noch nicht entschieden worden sei. Zu diesem Umstand werde festgestellt, dass eine Antragstellung gemäß §§ 72 ff NAG nicht zulässig sei, weil eine solche Niederlassungsbewilligung lediglich von Amts wegen erteilt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

In der Beschwerde wird - wie schon in der Berufung - ins Treffen geführt, die BH wäre verpflichtet gewesen, zuerst über den Primärantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen zu entscheiden.

Dem ist beizupflichten:

Auch die belangte Behörde erkannte, dass es sich beim gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für Schüler um einen sogenannten Eventualantrag handelt. Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird bereits dem Primärantrag stattgegeben, so wird der Eventualantrag gegenstandslos. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Eine solche Unzuständigkeit ist von der Berufungsbehörde von Amts wegen aufzugreifen und der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2005/21/0041, mwN).

Diese nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebotene verfahrensrechtliche Vorgangsweise ist - anders als die belangte Behörde offenbar zu meinen scheint - auch dann einzuhalten, wenn sich der Hauptantrag als unzulässig erweist. Ein solcher Antrag ist dann eben vor der Erledigung des Eventualantrages zurückzuweisen.

Ergänzend ist zu dem von der belangten Behörde als allein tragend herangezogenen Grund für die Abweisung der Berufung darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt hat, § 19 Abs. 1 erster Satz NAG begründe ein Formalerfordernis, dessen Missachtung nicht zur sofortigen Zurückweisung führen dürfe, sondern einer Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG zugänglich sei, die in einer persönlichen Bestätigung der Antragstellung bestehe (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0906, mwN; siehe in diesem Sinn zu einem insoweit mit dem vorliegenden vergleichbaren Fall auch das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0212). Soweit in der Gegenschrift auch mit der unzulässigen Inlandsantragstellung nach § 21 Abs. 1 NAG argumentiert wird, geht dies schon deshalb ins Leere, weil der angefochtene Bescheid darauf nicht gestützt, sondern die Prüfung dieser Frage dort ausdrücklich als "entbehrlich" angesehen wurde.

Der angefochtene Bescheid war aber schon aus den vorgenannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am