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VwGH vom 08.09.2011, 2011/03/0111

VwGH vom 08.09.2011, 2011/03/0111

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des C S in W, vertreten durch Dr. Michaela Iro, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Invalidenstraße 13/1/15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl M63/013353/2010, betreffend Nachsicht vom Befähigungsnachweis für das Taxi- und Mietwagen-Gewerbe,

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. den Beschluss gefasst:

Der in eventu gestellte Antrag, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu stellen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen einen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, mit dem das Ansuchen des Beschwerdeführers um Nachsicht vom Befähigungsnachweis hinsichtlich des Erfordernisses einschlägiger Berufspraxis bzw "um die individuelle Befähigung für die Gewerbe: Taxi- und Mietwagen-Gewerbe" zurückgewiesen wurde, gemäß § 66 Abs 4 AVG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Behörde erster Instanz habe ihre Entscheidung hauptsächlich damit begründet, dass infolge der mit Bundesgesetz BGBl I Nr 24/2006 erfolgten Änderung des Gelegenheitsverkehrsgesetzes (GelverkG), mit der dem § 5 Abs 5 GelverkG der Satz "die §§ 18 und 19 GewO 1994 sind nicht anzuwenden" angefügt worden sei, der "Nachsichtswerber" (Beschwerdeführer) keinen Rechtsanspruch auf eine sachliche Erledigung seines Ansuchens um Nachsicht vom Befähigungsnachweis bzw auf Feststellung der individuellen Befähigung für die im Spruch genannten Gewerbe habe.

Der Beschwerdeführer habe in der Berufung im Wesentlichen vorgebracht, dass ein verfassungswidriges Gesetz angewendet worden sei. Nach Darlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dazu unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 259/07, aus, dass es dem Gesetzgeber frei stehe, die Ausübung von bestimmten Gewerben in Sondergesetzen außerhalb der Gewerbeordnung zu regeln. Dies gelte etwa auch für das Güterbeförderungsgewerbe (VfSlg 17207/2004). Auf Grund der Besonderheiten dieses Gewerbes sei es insbesondere nicht unsachlich, wenn im § 5 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 besondere Bestimmungen auch in Bezug auf die Voraussetzungen für die Konzessionserteilung getroffen würden. Wenn der österreichische Gesetzgeber von der Ermächtigung des Art 3 Abs 4 lit b der Richtlinie 96/26/EG nicht Gebrauch mache und eine Befreiung von der Prüfung bei praktischer Berufserfahrung nicht vorsehe, so handle er weder gemeinschaftsrechtswidrig noch verfassungswidrig. Die Befreiung sei nämlich in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt, bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Ablegung einer Kontrollprüfung. Der österreichische Gesetzgeber habe daher gemeinschaftsrechtlich davon Abstand nehmen dürfen, die Befreiung auszusprechen, ohne innerstaatlich gegen das aus den Art 6 Abs 1 und Art 18 StGG ableitbare Gebot der Berücksichtigung gleichwertiger Ausbildungsgänge zu verstoßen. Dieses Gebot verlange zwar, dass der Gesetzgeber sachlich gleichwertige Ausbildungsalternativen ohne Diskriminierung zu berücksichtigen habe, wenn diese evidentermaßen - insbesondere auch durch deren Anerkennung durch den Gesetzgeber - vorhanden seien. Der Gesetzgeber überschreite jedoch nicht seinen weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit von Ausbildungsalternativen, wenn er bei Vorliegen (bloß) praktischer Erfahrungen in einem bestimmten Beruf das Erreichen des Ausbildungszieles nicht in gleicher Weise als nachgewiesen erachte wie bei Ablegung einer Prüfung und daher die Ablegung dieser Prüfung in jedem Fall als Voraussetzung für den Berufszugang festlege.

Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 266/07, würden die im Erkenntnis vom , G 259/07, betreffend § 5 Abs 4 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 getroffenen Überlegungen ohne Einschränkung auch für die verfassungsrechtliche Beurteilung der entsprechenden Wortfolge in § 5 Abs 5 GelverkG gelten.

Aus den Eingaben des Beschwerdeführers sei ersichtlich, dass sich dieser "nicht so sehr oder wenigstens nicht vorrangig" gegen das Erfordernis einer Prüfung - die er bis dato aber ebenfalls nicht abgelegt habe - wende, sondern er habe zuletzt mit Eingabe vom um Feststellung seiner individuellen Befähigung vor allem auch wegen des Erfordernisses einer mindestens dreijährigen fachlichen Tätigkeit ersucht. Die in diesem Zusammenhang angesprochene Richtlinie 96/26/EG ermögliche es den Mitgliedstaaten in Art 3 Abs 4 lit b, bei fünfjähriger praktischer Berufserfahrung in leitender Funktion eine bloße Kontrollprüfung statt der Prüfung vorzusehen. Selbst wenn diese Möglichkeit im innerstaatlichen Recht umgesetzt worden wäre, wäre dies ohne Relevanz für das im österreichischen Recht zusätzlich aufgestellte Erfordernis einer dreijährigen fachlichen Tätigkeit (zusätzlich zur Prüfung) gemäß § 5 Abs 5 GelverkG.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringe, die angebliche "Inkompatibilität" (gemeint sei offenkundig: einer Feststellung der individuellen Befähigung für die gegenständlichen Gewerbe mit dem Unionsrecht), beziehe sich nach dem Text der Richtlinie ausschließlich auf Fahrzeuge mit mehr als neun beförderten Personen inklusive Lenker, also nicht auf Taxi und Mietwagen mit höchstens neun zu befördernden Personen, sei er auf Art 89 B-VG zu verweisen: Eine allfällige Verfassungswidrigkeit des GelverkG infolge des zusätzlich aufgestellten Erfordernisses einer mindestens dreijährigen fachlichen Tätigkeit habe die belangte Behörde nicht zu prüfen, weil sie an gehörig kundgemachte Gesetze gebunden sei.

Der Beschwerdeführer habe keinen Rechtsanspruch auf eine sachliche Erledigung des eingebrachten Ansuchens um Nachsicht vom Befähigungsnachweis bzw auf Feststellung der individuellen Befähigung für die im Spruch genannten Gewerbe, sodass der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben. Nach Erteilung eines Verbesserungsauftrags, unter anderem zur bestimmten Bezeichnung des Rechtes, in dem sich der Beschwerdeführer verletzt erachtet und zur Anführung der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, werden Beschwerdepunkt und Beschwerdegründe in der verbesserten Beschwerde wie folgt ausgeführt:

"Beschwerdepunkt

Der beiliegende Bescheid wird angefochten, weil sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Feststellung seiner individuellen Befähigung zur Ausübung des Taxigewerbes infolge richtlinienwidriger innerstaatlicher Gesetze, nach Ablauf der Umsetzungsfrist, verletzt erachtet, bzw. weil sich der Beschwerdeführer in seinem einfach gesetzlich gewährten Recht auf Nichtanwendung richtlinienwidriger innerstaatlicher Gesetze nach Ablauf der Umsetzungsfrist, nämlich des § 5 Abs. 5 GelverkG, soweit es in Widerspruch zu Richtlinie 96/26/EG ist, verletzt erachtet.

Beschwerdegründe

Strittig ist allein, ob die Richtlinie 96/26/EG insoweit korrekt umgesetzt wurde, als dort - wie auch im bekämpften Bescheid zugestanden - gewisse Einschränkungen hinsichtlich wechselseitiger Anerkennung von Qualifikationen getroffen wurden, dort aber ausschließlich von Fahrzeugen die Rede ist, mit denen mehr als neun Personen befördert werden, was nach österreichischer Terminologie nicht unter den Begriff 'Taxigewerbe' subsumierbar ist.

Nach der gesicherten Judikatur des EuGH ist der Richtlinientext nach Ablauf der Umsetzungsfrist zwar nicht direkt anwendbar, sondern sind innerstaatliche Bestimmungen, die dem Richtlinientext widerstreiten nicht länger anzuwenden. Dies ist hier der Fall: Der Richtlinientext geht nur von Fahrzeugen aus, die mehr als neun Personen befördern, sodass kein vernünftiger Grund erkennbar ist, warum der Ausschluss einer Bestimmung, die sonst in der gesamten GewO uneingeschränkt anwendbar ist, nur in Bezug auf das Taxigewerbe nicht anwendbar sein sollte, noch dazu, da solches im Richtlinientext gar nicht verlangt wird, sondern eine Überregulierung vorliegt, für die kein Grund erkennbar ist. Der Bf verkennt nicht, dass die(se) Einschränkung für das Mietwagengewerbe - soweit sie die Verwendung von Autobussen betrifft - durchaus gelten mag.

Was jedoch die Verwendung von Pkw für beide Gewerbe betrifft, bedeutet die Einschränkung eine unvertretbare Diskriminierung, die vom Unionsrecht nach dem Text der Richtlinie nicht ableitbar ist und als solche außerdem gegen Art 6 StGG sowie Art 7 B-VG verstößt."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. § 5 Abs 5 GelverkG (in der Fassung der Novelle BGBl I Nr 24/2006) lautet:

"(5) Die Voraussetzung der fachlichen Eignung (Befähigungsnachweis) wird nachgewiesen durch

1. eine Bescheinigung über die erfolgreiche Ablegung einer Prüfung vor einer Prüfungskommission, die vom Landeshauptmann bestellt wird, oder

2. eine Bescheinigung der Prüfungskommission auf Grund von Universitäts-, Fachhochschul- oder Fachschuldiplomen, die gründliche Kenntnisse aller Sachgebiete der Prüfung im Sinne des Abs. 8 Z 1 gewährleisten. Werden durch die Universitäts-, Fachhochschul- und Fachschuldiplome nicht alle Sachgebiete der Prüfung abgedeckt, so ersetzt die Bescheinigung die Prüfung im Sinne der Z 1 nur für jene Sachgebiete, für die auf Grund der Universitäts-, Fachhochschul- oder Fachschuldiplome gründliche Kenntnisse gewährleistet sind.

Beim Taxi-Gewerbe und Mietwagen-Gewerbe mit Personenkraftwagen ist zusätzlich eine mindestens dreijährige fachliche Tätigkeit in dem jeweils angestrebten Gewerbe selbst oder in einem Betrieb, in dem dieses Gewerbe gemeinsam mit anderen Gewerben ausgeübt wird, oder in einem dem Gewerbe fachlich nahestehenden Berufszweig durch eine Bestätigung eines Sozialversicherungsträgers nachzuweisen. Die §§ 18 und 19 GewO 1994 sind nicht anzuwenden."

Die Richtlinie 96/26/EG des Rates vom über den Zugang zum Beruf des Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr sowie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für die Beförderung von Gütern und die Beförderung von Personen im Straßenverkehr und über Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit der betreffenden Verkehrsunternehmer, Amtsblatt Nr L 124 vom , S 1, koordiniert die Bedingungen für den Zugang zum Beruf des Güter- oder des Personenkraftverkehrsunternehmers. Im Sinne dieser Richtlinie gilt gemäß Art 1 Abs 2 als "Beruf des Personenkraftverkehrsunternehmers" die Tätigkeit jedes Unternehmens, das eine der Öffentlichkeit oder bestimmten Benutzergruppen angebotene Personenbeförderung gegen Vergütung durch die beförderte Person oder durch den Veranstalter der Beförderung ausführt, und zwar mit Kraftfahrzeugen, welche nach ihrer Bauart und ihrer Ausstattung geeignet und dazu bestimmt sind, mehr als neun Personen - einschließlich Fahrer - zu befördern.

2. Der Beschwerdeführer strebte die bescheidmäßige Feststellung seiner individuellen Befähigung für das Taxi- und Mietwagengewerbe an. Gemäß § 3 Abs 1 Z 3 GelverkG ist das Taxigewerbe definiert als das Gewerbe der "Personenbeförderung mit Personenkraftwagen, die zu jedermanns Gebrauch an öffentlichen Orten bereitgehalten werden oder durch Zuhilfenahme von Fernmeldeeinrichtungen angefordert werden (mit Kraftfahrzeugen betriebenes Platzfuhrwerks-Gewerbe (Taxi-Gewerbe))". Gemäß § 3 Abs 3 GelverkG gelten Kombinationskraftwagen als Personenkraftwagen im Sinne des GelverkG.

Ein Personenkraftwagen ist im Sinne der Definition in § 2 Abs 1 Z 5 KFG ein Kraftwagen, der nach seiner Bauart und Ausrüstung ausschließlich oder vorwiegend zur Beförderung von Personen bestimmt ist und außer dem Lenkerplatz für nicht mehr als acht Personen Plätze aufweist. Ein Kombinationskraftwagen ist nach der Definition in § 2 Abs 1 Z 6 KFG ein Kraftwagen, der nach seiner Bauart und Ausrüstung dazu bestimmt ist, wahlweise vorwiegend zur Beförderung von Personen oder vorwiegend zur Beförderung von Gütern verwendet zu werden, und außer dem Lenkerplatz für nicht mehr als acht Personen Plätze aufweist.

3. Der Beschwerdeführer hat um Nachsicht vom Befähigungsnachweis hinsichtlich des Erfordernisses einschlägiger Berufspraxis bzw um die individuelle Befähigung für die Gewerbe "Taxi- und Mietwagen-Gewerbe" angesucht. Wie sich aus dem oben wieder gegebenen Beschwerdepunkt ergibt, erachtet er sich jedoch nur in dem von ihm behaupteten Recht auf Feststellung seiner individuellen Befähigung zur Ausübung des Taxigewerbes verletzt. Für dieses - definitionsgemäß durch Personenkraftwagen - auszuübende Gewerbe ist die vom Beschwerdeführer angesprochene Richtlinie 96/26/EG schon auf Grund der Definition des Personenkraftverkehrsunternehmers in Art 1 Abs 2 zweiter Spiegelstrich der Richtlinie nicht von Bedeutung.

4. Soweit das Vorbringen des Beschwerdeführers auch dahin zu verstehen ist, dass er die von den Regelungen in der Gewerbeordnung abweichende Regelung im GelverkG als gleichheitswidrig ansieht, reicht es aus, den Beschwerdeführer auf die bereits von der belangten Behörde zitierten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , G 259/07, sowie vom , G 266/07, zu verweisen.

5. Da sohin bereits die Beschwerde erkennen ließ, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Beschwerdeführer stellte in eventu den Antrag, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung des Art 1 Abs 2, zweiter Spiegelstrich, der Richtlinie 96/26/EG zu richten. Schon im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der angesprochenen Bestimmung ("mehr als neun Personen - einschließlich Fahrer -"), doch auch da der Beschwerdeführer nicht darzulegen vermag, welche Bedeutung die angestrebte Auslegung für den Beschwerdefall haben könnte, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Der Antrag des Beschwerdeführers war zudem zurückzuweisen, weil dem Beschwerdeführer ein Rechtsanspruch auf das

Einholen einer Vorabentscheidung nicht zukommt (vgl uva etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2002/18/0019). Wien, am