VwGH vom 08.10.2014, 2013/10/0226
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, die Vizepräsidentin Dr. Sporrer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richterinnen und Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des F H in F, vertreten durch Mag. Martin Steinlechner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 17, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. U-30.194/18, betreffend Wiederherstellungsauftrag nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte sowie zum abfallwirtschaftsrechtlichen Teil des gegenständlichen Bescheides wird auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/07/0101, sowie vom , Zl. 2013/07/0232, verwiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Tiroler Landesregierung als zuständige Behörde gemäß § 42 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 - TNSchG 2005, LGBl. Nr. 26 idF LGBl. Nr. 150/2012, die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Spruchpunkt II. b) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (BH) vom , mit dem dem Beschwerdeführer gemäß § 17 TNSchG 2005 die Entfernung einer Schüttung unter Vorlage eines Projektes einer Fachperson aufgetragen worden war, als unbegründet ab; die Frist zur Einreichung eines entsprechenden Projektes zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes wurde mit neu festgesetzt.
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht - soweit sich dieser auf den Wiederherstellungsauftrag nach § 17 TNSchG 2005, Spruchpunkt II. b) des erstinstanzlichen Bescheides, bezieht - hervor, dass der Beschwerdeführer beginnend mit April 2005 eine Schüttung auf näher bestimmten Grundparzellen der KG F vorgenommen habe, ohne die erforderliche naturschutzrechtliche (und abfallwirtschaftsrechtliche) Genehmigung einzuholen. Diese Schüttung befinde sich im Bereich der laut Biotopkartierung ausgewiesenen Nasswiese. Aufgrund der Biotopkartierung, in der der gesamte Biotopkomplex im Waldbereich mit ca. 1.000 m2 eingezeichnet und als artenreiche Feuchtwiese festgehalten sei, sei von einem hochwertigen Standort auszugehen. Aufgrund der Beseitigung dieses Feuchtstandortes hätten massive Beeinträchtigungen für die Schutzgüter Naturhaushalt und Lebensraum festgestellt werden können. Im Randbereich der Schüttung hätten u.a. Feuchtgebietsarten wie Sumpfdotterblume, Waldsimse und Mädesüß festgestellt werden können. Des Weiteren seien östlich und nördlich angrenzend an die Schüttung verschiedene Feuchtgebietsarten festgestellt worden, ergänzend zu den bereits erwähnten der Schachtelhalm.
Für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes sei die vollständige Entfernung des geschütteten Materials notwendig, wozu dieses bis zum gewachsenen Boden abzugraben und die Drainagierung zu entfernen sei. Die Materialien würden von einem örtlichen Bauvorhaben (K-Hof F) stammen, die Schüttung sei außerhalb der geschlossenen Ortschaft durchgeführt worden.
Nach Darlegung ihrer Zuständigkeit gab die belangte Behörde die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des TNSchG 2005 wieder und führte aus, dass auf den betroffenen Grundparzellen vom Bestehen eines Feuchtgebietes ausgegangen werden könne, ungeachtet dessen, dass der ursprüngliche Zustand des Geländes aufgrund der vorgenommenen Schüttungen nicht mehr vollständig nachvollzogen werden könne. Der nunmehrige Beschwerdeführer habe die Tatbestände des § 9 TNSchG 2005 mehrfach verwirklicht: Er habe jedenfalls ohne naturschutzrechtliche Bewilligung Materialien in ein Feuchtgebiet eingebracht, Geländeaufschüttungen vorgenommen und Entwässerungsvorrichtungen angebracht, wozu auch Kraftfahrzeuge verwendet worden seien. Die Schüttung sei als Anlage im Sinne des § 9 lit. c TNSchG 2005 zu qualifizieren.
Da sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 17 TNSchG 2005 vorlägen, habe die erstinstanzliche Behörde zu Recht den Wiederherstellungsauftrag erteilt, wobei die Vorlage eines Projektes zur Wiederherstellung nicht nur zwecks detaillierter Festlegung der auch aus naturkundefachlicher Sicht notwendigen Maßnahmen, sondern insbesondere auch um möglicherweise eintretende Gefahrenmomente im Zuge der Entfernung hintanzuhalten - etwa um durch ein "falsches" Angraben der Schüttung verursachte Rutschungen zu vermeiden. Die kontrollierte Wiederherstellung sei erforderlich, um das Feuchtgebiet im Zuge der Entfernung des geschütteten Materials nicht in einem noch größeren Ausmaß zu beeinträchtigen bzw. zu zerstören und insgesamt eine sichere, strukturierte und fachgemäße Durchführung zu gewährleisten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Soweit sich die Beschwerde auf die Bestätigung des abfallwirtschaftsrechtlichen Auftrages bezieht, wurde sie unter hg. Zl. 2013/07/0232 protokolliert und mit dem eingangs erwähnten Erkenntnis vom abgewiesen. Soweit sich die Beschwerde gegen die mit gleichem Bescheid erfolgte Bestätigung des naturschutzrechtlichen Auftrages wendet, wurde sie unter hg. Zl. 2013/10/0226 protokolliert.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass gemäß dem letzten Satz des § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren - soweit (wie für den vorliegenden "Altfall") durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist - die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.
Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetzes - TNSchG 2005, LGBl. Nr. 26/2005 idF LGBl. Nr. 150/2012, lauten (auszugsweise):
"§ 3
Begriffsbestimmungen
...
(8) Feuchtgebiet ist ein vom Wasser geprägter, in sich geschlossener und vom Nachbargebiet abgrenzbarer Lebensraum mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften. Dazu gehören insbesondere auch Röhrichte und Großseggensümpfe, Quellfluren und Quellsümpfe, Flach- und Zwischenmoore, Hochmoore, Moor- und Bruchwälder.
...
§ 9
Schutz von Feuchtgebieten
In Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften bedürfen folgende Vorhaben einer naturschutzrechtlichen Bewilligung:
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a) | das Einbringen von Material; |
b) | das Ausbaggern; |
c) | die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden; |
d) | jede über die bisher übliche Art und den bisher üblichen Umfang hinausgehende Nutzung; |
e) | Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen sowie jede sonstige Veränderung der Bodenoberfläche; |
f) | Entwässerungen; |
g) | die Verwendung von Kraftfahrzeugen. |
... | |
§ 17 | |
Rechtswidrige Vorhaben |
(1) Wird ein nach diesem Gesetz, einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes oder einem der in der Anlage zu § 48 Abs. 1 genannten Gesetze bewilligungspflichtiges Vorhaben, ausgenommen Werbeeinrichtungen, ohne naturschutzrechtliche Bewilligung oder entgegen einem in diesen Vorschriften enthaltenen Verbot, ohne dass hiefür eine Ausnahmebewilligung vorliegt, ausgeführt, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde demjenigen, der dies veranlasst hat, oder, wenn dieser nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden kann, dem Grundeigentümer oder dem sonst über das Grundstück Verfügungsberechtigten mit Bescheid
a) die weitere Ausführung des Vorhabens oder die Verwendung einer Anlage zu untersagen und
b) die zur Wiederherstellung des früheren Zustandes erforderlichen Maßnahmen auf seine Kosten aufzutragen; ist die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht möglich oder kann der frühere Zustand nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand festgestellt werden, so ist dieser zu verpflichten, den geschaffenen Zustand auf seine Kosten so zu ändern, dass den Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 bestmöglich entsprochen wird.
...
§ 48
Übergangsbestimmungen
(1) Die in der Anlage angeführten, nach § 45 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991 als Gesetze geltenden Verordnungen über die Erklärung von Gebieten zu Naturschutzgebieten nach § 4 und nach § 20 Abs. 3 des Naturschutzgesetzes LGBl. Nr. 31/1951 bleiben so lange in Geltung, bis durch Verordnungen, die aufgrund dieses Gesetzes erlassen werden, eine anderweitige Regelung getroffen wird.
..."
Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf die Biotopkartierung und die Stellungnahmen des Naturschutzsachverständigen gestützte Auffassung zugrunde, dass die vom Beschwerdeführer vorgenommene Schüttung im Flächenausmaß von ca. 2.600 m2 und mit einem Schüttvolumen von ca. 2.000 m3 auf einer artenreichen Feuchtwiese hochwertiger Art erfolgt sei. Aufgrund der Beseitigung des Feuchtstandortes im Ausmaß von 1.000 m2 seien massive Beeinträchtigungen für die Schutzgüter Naturhaushalt und Lebensraum festzustellen. Im randlichen Bereich der Schüttung hätten u.a. Feuchtgebietsarten wie Sumpfdotterblume, Waldsimse und Mädesüß festgestellt werden können. Nördlich bzw. östlich angrenzend an die Schüttung habe der Amtssachverständige ebenfalls verschiedene Feuchtgebietsarten festgestellt, ergänzend zu den bereits Erwähnten den Schachtelhalm.
Die Schüttung sei ohne naturschutzrechtliche Bewilligung durchgeführt worden. Für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes sei die vollständige Entfernung des geschütteten Materials notwendig, wozu dieses bis zum gewachsenen Boden abzugraben sei. Des Weiteren sei die vollständige Entfernung von Drainagen notwendig.
Der Beschwerdeführer rügt die Feststellung, wonach sich die Aufschüttung in einem Feuchtgebiet befinde: Daraus, dass der Amtssachverständige für Naturschutz eine Erstbegehung der gegenständlichen Schüttung erst durchführen habe können, als diese bereits im Gang gewesen sei und der Sachverständige laut Biotopkartierung verschiedenste Ausprägungen an Feuchtstandorten unterhalb der Deponie feststellen habe können, ergäbe sich nach Auffassung des Beschwerdeführers, dass das Feuchtgebiet unterhalb, also talwärts der Aufschüttung liege und nicht im Aufschüttungsbereich. Im Verwaltungsverfahren sei nicht abschließend festgestellt worden, ob tatsächlich ein Feuchtgebiet durch die gegenständliche Aufschüttung betroffen sei.
Des Weiteren sei der Wiederherstellungsauftrag nach dem TNSchG 2005 auch deshalb rechtswidrig, weil weder Feststellungen zum früheren, wiederherzustellenden Zustand getroffen worden seien, noch darüber, welche Maßnahmen mit welchem Aufwand dazu erforderlich seien. Bei Erhebung des Sachverhaltes hätte sich nach Auffassung des Beschwerdeführers herausgestellt, dass der frühere Zustand nicht mehr herstellbar sei bzw. nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand hergestellt werden könne.
Mit diesen Vorbringen wird allerdings keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt. Soweit der Beschwerdeführer die Feststellungen betreffend das Vorliegen eines Feuchtgebietes releviert und sich dabei auf die Ausführungen des Sachverständigen zur Frage von Feuchtstandorten unterhalb der Deponie bezieht, so ist zu entgegnen, dass der Bescheid eindeutige Feststellungen aus naturkundlicher Sicht zum Feuchtgebiet enthält: So wird auf die Biotopkartierung verwiesen, in der eine artenreiche Feuchtwiese als hochwertiger Standort ausgewiesen ist. Dieser Befund stützt sich auch auf die Stellungnahmen des naturkundefachlichen Amtssachverständigen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom sowie vom , der ausführte, dass mit Sicherheit vernässte Bereiche eingeschüttet worden seien. Der Behörde kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie sich zum früheren Vorhandensein eines Feuchtgebietes im Bereich der Schüttung auf die Biotopkartierung sowie die eindeutigen Stellungnahmen des Amtssachverständigen für Naturkunde stützt.
Die belangte Behörde ist daher zu Recht zum Ergebnis gekommen, es seien im vorliegenden Fall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 TNSchG 2005 erfüllt.
Soweit der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des Wiederherstellungsauftrages daraus abzuleiten versucht, dass keine Feststellungen zum früheren Zustand getroffen worden seien bzw. dass der frühere Zustand nicht mehr herstellbar sei bzw. nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand hergestellt werden könne, ist ihm zu entgegnen, dass zwar aufgrund der durch den Beschwerdeführer konsenslos vorgenommenen Schüttung das genaue Ausmaß und die Qualität der eingeschütteten Feuchtstandorte nicht mehr exakt festgestellt werden konnte, der angefochtene Bescheid jedoch ausreichend detaillierte Feststellungen zu der auf der eingeschütteten Fläche vormals vorgefundenen Feuchtgebietsvegetation enthält, durch deren Bestand der "frühere Zustand" charakterisiert wird (vgl. idS auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/10/0168).
Was den Einwand des Beschwerdeführers hinsichtlich des behaupteten unverhältnismäßig großen Aufwandes zur Wiederherstellung betrifft, so zeigt er auch damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Er übersieht nämlich, dass es sich ausschließlich um die zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes erforderlichen Aufträge handelt und er alleine es war, der den rechtswidrigen Zustand herbeigeführt und zu verantworten hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/10/0186, mwN).
Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom richtet, mit dem im Instanzenzug der naturschutzrechtliche Wiederherstellungsauftrag erteilt wurde, war sie daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. I Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
WAAAE-83449