VwGH vom 26.04.2011, 2011/03/0100
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des C H in W, vertreten durch Prof.Dipl.Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom , Zl E1/417787/2010, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 21 Abs 2 iVm § 22 Abs 2 Waffengesetz 1996 (WaffG) ab.
Begründend führte sie im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer betreibe seit dem Jahr 1980 in W, Mgasse 2, ein Handelsgewerbe, welches auf den Kleinhandel mit Papier-, Schreib-, Kurz-, und Galanteriewaren sowie Rauchrequisiten in Verbindung mit einer Tabaktrafik beschränkt sei. Er sei im Besitz einer "Baikal Coach Gun" (Langwaffe), die in einschlägigen Internetforen als "Verteidigungsmittel in den eigenen vier Wänden" gepriesen werde. Eine Waffenbesitzkarte habe er nicht.
In der Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer den Waffenpassantrag erstmals näher - und zwar mit den Besonderheiten der beruflichen Tätigkeit als Trafikant - begründet. Es komme zu einem hohen täglichen, überwiegend reinen Bargeldumsatz. Im Geschäft befinde sich zwar eine Bankomatkassa, doch wären die damit getätigten Umsätze vergleichsweise gering. Aus vorgelegten Bankbestätigungen gehe hervor, dass zB im Zeitraum bis EUR 11.300,-- pro Woche bar eingezahlt worden seien. Außerhalb seiner Trafik befänden sich vier Automaten, die zu befüllen und bei denen das eingeworfene Bargeld zu entnehmen seien. Bereits vor ca sechs Jahren sei der Beschwerdeführer Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls in seiner Trafik geworden, wobei er durch einen Schlag mit der Täterwaffe verletzt worden sei. Damals habe er den Täter trotz dessen Waffe mittels Schlägen unter Verwendung eines Zeitungsständers zur Flucht gezwungen.
In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer diese Ausführungen dahingehend ergänzt, dass er sich keinen Sicherheitsdienst für die Geldtransporte zur Bank leisten könne, weil den hohen Umsätzen nur ein geringer Gewinn gegenüberstehe. Er habe im Geschäft nur eine Teilzeitkraft eingestellt, die er in Stoßzeiten nicht allein lassen könne. Die Tageslosung nach Schließung der Trafik zum Nachttresor der Bank zu bringen, sei auch keine gute Lösung, weil er diese Vorgangsweise wegen der nächtlichen Zeit für noch gefährlicher erachte. Es könnten daher nach dem Gesagten die Geldtransportwege des Beschwerdeführers zur Bank leicht ausspioniert werden. Auch durch das Befüllen der Zigarettenautomaten und die Geldentnahme ergebe sich eine weitere Gefahrenquelle für den Beschwerdeführer.
Nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesvorschriften sowie der dazu ergangenen hg Rechtsprechung führte die belangte Behörde weiter aus, der Beschwerdeführer habe einen Bedarf zum Führen einer Waffe nicht glaubhaft gemacht. Es stehe ihm frei, eine Waffenbesitzkarte zu beantragen, um eine Waffe im Geschäftslokal bei sich zu haben. Diese "Sicherheit" sei im Übrigen schon jetzt - jedenfalls ansatzweise - gegeben, weil der Beschwerdeführer im Besitz einer Langwaffe sei. Die Notwendigkeit des Transports von Geld und "geldgleichen" Waren begründe für sich noch keine besondere Gefahrenlage, die auch durch das Erfordernis der Betreuung "dislozierter" Automaten nicht aufgezeigt werde. Der Beschwerdeführer habe insgesamt keine über bloße Vermutungen und Befürchtungen hinausgehende konkrete Gefährdung dargetan. Dies gelte auch unter Bedachtnahme auf den erwähnten, vor vielen Jahren erfolgten Raubüberfall in der Trafik des Beschwerdeführers, weil er den Täter auch ohne Verwendung einer Schusswaffe habe vertreiben können, die von ihm zur künftigen Abwehr solcher Vorfälle ergriffenen Maßnahmen offensichtlich für ausreichend gehalten habe (widrigenfalls er ja unmittelbar danach den Waffenpassantrag gestellt hätte) und darüber hinaus damals - jedenfalls denkmöglicher Weise - auch eine auf Grund einer Waffenbesitzkarte besessene Faustfeuerwaffe ausreichend gewesen wäre und somit ein Bedarf zum Führen einer solchen damit nicht begründet werde.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des Waffengesetzes 1996 (WaffG), BGBl I Nr 12/1997 idF vor der hier noch nicht einschlägigen Novelle BGBl I Nr 43/2010, lauten:
"Ermessen
§ 10. Bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen sind private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist.
...
Ausstellung von Waffenbesitzkarte und Waffenpaß
§ 21. (1) Die Behörde hat verläßlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und für den Besitz einer genehmigungspflichtigen Schußwaffe eine Rechtfertigung anführen können, auf Antrag eine Waffenbesitzkarte auszustellen. Die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte an andere verläßliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und für den Besitz einer solchen Waffe eine Rechtfertigung anführen können, liegt im Ermessen der Behörde; ebenso die Ausstellung an Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, sofern sie den Nachweis erbringen, daß der Besitz einer solchen Waffe für die Ausübung ihres Berufes erforderlich ist.
(2) Die Behörde hat verläßlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schußwaffen nachweisen, einen Waffenpaß auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verläßliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde.
...
Rechtfertigung und Bedarf
§ 22. (1) Eine Rechtfertigung im Sinne des § 21 Abs. 1 ist jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, daß er die genehmigungspflichtige Schußwaffe innerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften zur Selbstverteidigung bereithalten will.
(2) Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs 2 ist jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, daß er außerhalb von Wohn oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann."
§ 6 der zweiten Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Durchführung des Waffengesetzes (2. WaffV), BGBl II Nr 313/1998, lautet:
"Ermessen bei der Ausstellung von Waffenpässen
§ 6. Das der Behörde in § 21 Abs 2 Waffengesetz eingeräumte Ermessen darf nur im Rahmen privater Interessen geübt werden, die einem Bedarf (§ 22 Abs 2 WaffG) nahe kommen."
2. Ausgehend von dieser Rechtslage ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2005/03/0038, mwN).
Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine genehmigungspflichtige Schusswaffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2006/03/0171, mwN, und aus jüngerer Zeit die hg Erkenntnisse vom , Zl 2007/03/0138, und vom , Zl 2010/03/0072).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in einer Vielzahl von Erkenntnissen, insbesondere auch betreffend Tabaktrafikanten, dargelegt, dass die Durchführung von Geldtransporten - auch in den Abendstunden - und selbst das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine Gefahr darstellt, die einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen begründen würde (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom , Zl 98/20/0358 (Geschäftsführer eines Restaurationsbetriebs), vom , Zl 2005/03/0016 (Außendienstmitarbeiter) , vom , Zl 2005/03/0038 (Geschäftsführer eines Transportunternehmens für Banken), vom , Zl 2007/03/0057 (Geschäftsführer eines technischen Unternehmens), vom , Zl 2007/03/0138, mwN (Tabaktrafikant), und vom heutigen Tag, Zl 2010/03/0109 (Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma) und Zl 2010/03/0200 (Tankstellen-, Garagen- und Kfz-Werkstättenunternehmer)).
Dabei wurde klargestellt, dass die Notwendigkeit des Transports von Geldbeträgen im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko begründet. Liegt mit Rücksicht auf die maßgebenden örtlichen und zeitlichen Umstände - unbeschadet der für jedermann bestehenden Gefahr, auch zur Tageszeit und in Gebieten mit günstigen Sicherheitsverhältnissen allenfalls das Opfer eines räuberischen Überfalles zu werden - kein erhöhtes Sicherheitsrisiko vor, fehlt es an einem Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen (vgl dazu etwa das zitierte hg Erkenntnis Zl 2007/03/0138).
2. Die Beschwerde macht als Verfahrensmangel geltend, dass sich die belangte Behörde "in keinster Weise mit dem konkreten Einzelfall auseinandergesetzt" habe. Es sei "lediglich extrem verkürzt und nahezu kryptisch" das Vorbringen erwähnt und in der Folge bloß aus allgemeinen Überlegungen heraus (auf Grund der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Tabaktrafikant) auf einen mangelnden Bedarf geschlossen worden. Dies komme de facto einem "Waffenpassverbot" für Tabaktrafikanten gleich. In einem ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahren sei die Behörde aber gehalten, sich mit dem konkreten Sachverhalt auseinanderzusetzen. Dies habe im gegenständlichen Fall nicht stattgefunden. Es sei dem angefochtenen Bescheid auch nicht zu entnehmen, von welchem erwiesenen Sachverhalt die belangte Behörde ausgehe. Im gegenständlichen Fall bestehe offensichtlich eine konkrete Gefährdung, ansonsten sei es wohl nicht zu erklären, dass der Beschwerdeführer bereits Opfer eines bewaffneten Raubüberfalls in seiner Trafik gewesen sei. Die belangte Behörde führe diesbezüglich aus, dass der Beschwerdeführer eine über bloße Vermutungen und Befürchtungen hinausgehende konkrete Gefährdung nicht dargetan habe, weil er den Täter beim erfolgten Raubüberfall auch ohne Verwendung einer Schusswaffe habe vertreiben können. Völlig unerwähnt lasse die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer bei diesem Raubüberfall in seiner Trafik durch einen Schlag mit der Waffe verletzt worden und ärztliche Behandlungen in Anspruch nehmen habe müssen. Dass der Täter letztlich geflüchtet sei, könne wohl nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass beim Beschwerdeführer keine Gefährdungslage bestehe. Wie die belangte Behörde vermeinen könne, dass der Beschwerdeführer die zur künftigen Abwehr solcher Vorfälle ergriffenen Maßnahmen für ausreichend gehalten habe, sei für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar. Nach der Rechtsprechung müsse lediglich eine Gefährdungslage gegeben sein. Welche Änderung dieser Gefährdungslage dadurch erfahre, ob man nach einem Raubüberfall mit Verletzungsfolgen unmittelbar oder später einen Waffenpassantrag stelle oder nicht, sei nicht verständlich.
Dem ist Folgendes zu erwidern:
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde zwar vor, sein Vorbringen nur extrem verkürzt wiedergegeben zu haben, zeigt jedoch keine Umstände auf, die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt worden wären. Insbesondere trifft es nicht zu, dass die belangte Behörde den vor mehreren Jahren erfolgten Raubüberfall auf den Beschwerdeführer in ihre Überlegungen nicht oder nur mit falschen Sachverhaltsannahmen einbezogen hätte (im angefochtenen Bescheid wurde ausdrücklich festgehalten, dass der Beschwerdeführer bei diesem Überfall auch verletzt worden ist). Die belangte Behörde hat überzeugend ausgeführt, dass allein aus diesem längere Zeit zurückliegenden Überfall nicht auf eine (fortdauernde) besondere Gefahrenlage geschlossen werden kann, der durch das Führen einer Faustfeuerwaffe außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten des Beschwerdeführers wirksam begegnet werden könnte. Den in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen der belangten Behörde hält die Beschwerde nichts Stichhältiges entgegen.
Der belangten Behörde kann deshalb nicht entgegen getreten werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Waffenpasses an den Beschwerdeführer - auf der Grundlage seines Vorbringens - für nicht gegeben erachtete.
3. Soweit die Beschwerde geltend macht, die belangte Behörde habe zu Unrecht einem in der Berufung gestellten Eventualantrag auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte nicht stattgegeben, ist ihr entgegen zu halten, dass "Sache" des Berufungsverfahrens lediglich die vom Beschwerdeführer in erster Instanz beantragte und von der Erstbehörde versagte Ausstellung eines Waffenpasses war. Die in der Berufung hilfsweise begehrte Ausstellung einer Waffenbesitzkarte stellt im Vergleich dazu eine verschiedene "Sache" dar. Durch die vom Beschwerdeführer gewünschte Ausstellung einer Waffenbesitzkarte hätte die Berufungsbehörde daher die "Sache" des Berufungsverfahrens überschritten, wozu sie nicht berechtigt war (vgl auch dazu das hg Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl 2010/03/0109, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird).
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am