VwGH 18.03.2015, 2013/10/0218
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Unabdingbare Voraussetzung für das Vorliegen eines Bescheides ist, dass aus dem Inhalt der Erledigung eindeutig hervorgeht, dass gegenüber individuell bestimmten Personen eine normative Anordnung getroffen werden soll. Entscheidend ist, ob nach dem Inhalt der Erledigung ein autoritatives Wollen der Behörde anzunehmen ist, ob die Erledigung also einen die zur Entscheidung stehende Rechtssache bindend regelnden Spruch im materiellen Sinn enthält, der in Rechtskraft erwachsen kann (vgl. E , 2012/10/0227). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der D Verwaltungsgesellschaft mbH in L, vertreten durch Dr. Klaus Fürlinger und Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwälte in 4040 Linz, Gerstnerstraße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. LF1-FO-121/025-2013, betreffend Zurückweisung einer Berufung iA. ForstG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das an die Beschwerdeführerin ergangene Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs (im Folgenden "BH") vom hat folgenden Wortlaut:
"Betrifft: (Beschwerdeführerin), Rodung gem. § 17a FG 1975 auf Grundstück Nr. 608 in der KG W
Wiederbewaldungsauftrag
Im Zuge einer Kontrolle wurde festgestellt, dass die mit durch die Behörde zur Kenntnis genommene Rodung nicht durchgeführt wurde. Zwar wurden die Bäume auf der zur Rodung angemeldeten Fläche gefällt, der Rodungszweck 'Obstgarten' allerdings nicht erfüllt.
Somit muss Ihnen mitgeteilt werden, dass die Gültigkeit der angemeldeten Rodung erloschen ist, die Kahlfläche Wald im Sinne des Forstgesetzes darstellt, und daher mit standortstauglichem Vermehrungsgut forstlicher Holzgewächse rechtzeitig wiederzubewalden ist.
Die Wiederbewaldung gilt als rechtzeitig, wenn die hiezu erforderlichen Maßnahmen (Saat oder Pflanzung) bis längstens des fünften, dem Entstehen der Kahlfläche oder Räumde nachfolgenden Kalenderjahres ordnungsgemäß durchgeführt wurden.
Die Wiederbewaldung soll durch Naturverjüngung erfolgen, wenn in einem Zeitraum von zehn Jahren eine Naturverjüngung durch Samen, Stock- oder Wurzelausschlag vorhanden ist, die eine volle Bestockung der Wiederbewaldungsfläche erwarten lässt.
Aus forstfachlicher Sicht ist im gegenständlichen Fall damit zu rechnen, dass durch Naturverjüngung (Samen, Stock- oder Wurzelausschlag) eine rechtzeitige vollständige Wiederbewaldung erreicht werden kann. Daher kann vorerst von der Vorschreibung einer aktiven Aufforstung abgesehen werden.
Ergeht an:
...
Für den Bezirkshauptmann
Mag. K ..."
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung "mangels Vorliegen eines Bescheides als unzulässig zurückgewiesen."
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe mit Schreiben vom eine beabsichtigte Rodung an der Südseite des Grundstücks Nr. 608, KG W, auf einer Fläche von 998 m2 angezeigt und in einem weiteren Schreiben mitgeteilt, dass der forstliche Bewuchs von der besagten Fläche entfernt, also die Rodung durchgeführt worden sei. Die Kenntnisnahme der Rodung durch die BH sei mit Schreiben vom erfolgt.
Das - mit Berufung bekämpfte - Schreiben der BH vom trage zwar die Überschrift "Wiederbewaldungsauftrag", doch könne daraus nicht der Bescheidcharakter des Schreibens abgeleitet werden, weil ihm die Absicht der Behörde fehle, eine normative Anordnung zu treffen. In conreto habe die BH der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Gültigkeit der angemeldeten Rodung erloschen sei, die Kahlfläche Wald im Sinne des Forstgesetzes darstelle und daher rechtzeitig wiederzubewalden sei. Der letzte Absatz enthalte die Mitteilung, dass vorerst von der Vorschreibung einer aktiven Aufforstung abgesehen werden könne. Es handle sich unter Zugrundelegung objektiver Gesichtspunkte um eine Information über die Sach- und Rechtslage und somit um keine bescheidmäßige Erledigung.
Mangels Vorliegen eines Bescheides sei die Berufung zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich ua. in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt. Sie bringt - mit näheren Darlegungen - vor, das Schreiben der BH vom sei als Bescheid zu qualifizieren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass im vorliegenden Fall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden sind.
§ 17a Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440 idF BGBl. I Nr. 104/2013 (ForstG), lautet (auszugsweise):
"Anmeldepflichtige Rodung
§ 17a. (1) Einer Rodungsbewilligung bedarf es nicht, wenn
die Rodungsfläche ein Ausmaß von 1 000m2 nicht übersteigt und
der Antragsberechtigte das Rodungsvorhaben unter Anschluss der in § 19 Abs. 2 genannten Unterlagen bei der Behörde anmeldet und
3. die Behörde dem Anmelder nicht innerhalb von sechs Wochen ab Einlangen der Anmeldung mitteilt, dass die Rodung aus Rücksicht auf das öffentliche Interesse an der Walderhaltung ohne Erteilung einer Rodungsbewilligung nach § 17 nicht durchgeführt werden darf.
§ 91 Abs. 2 gilt sinngemäß.
(2) ...
(3) Die Gültigkeit der Anmeldung erlischt, wenn die angemeldete Rodung nicht innerhalb eines Jahres ab Einlangen der Anmeldung bei der Behörde durchgeführt wird.
(4) Im Falle der Anmeldung einer befristeten Rodung im Sinne des § 18 Abs. 4, die nach Abs. 1 Z 3 durchgeführt werden darf, ist die Waldfläche vom Rodungsberechtigten bis spätestens fünf Jahre nach Ablauf der in der Anmeldung angeführten Frist im Sinne des § 13 wiederzubewalden."
Zu prüfen ist, ob mit dem genannten Schreiben der BH ein Bescheid vorliegt, gegen den Berufung erhoben werden konnte.
Unabdingbare Voraussetzung für das Vorliegen eines Bescheides ist, dass aus dem Inhalt der Erledigung eindeutig hervorgeht, dass gegenüber individuell bestimmten Personen eine normative Anordnung getroffen werden soll. Entscheidend im vorliegenden Fall ist damit, ob nach dem Inhalt der Erledigung der BH ein autoritatives Wollen der Behörde anzunehmen ist, ob die Erledigung also einen die zur Entscheidung stehende Rechtssache bindend regelnden Spruch im materiellen Sinn enthält, der in Rechtskraft erwachsen kann (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 56 Rz. 10 ff mwN, und die dort angeführte hg. Judikatur, sowie aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/10/0227).
Das gegenständliche Schreiben der BH verfolgte zunächst erkennbar den Zweck, die Beschwerdeführerin über das Erlöschen der Gültigkeit der angemeldeten Rodung (infolge Nichterfüllung des Rodungswecks) in Kenntnis zu setzen.
Weiters wurde die Beschwerdeführerin darauf aufmerksam gemacht, dass - als Konsequenz hieraus - die Kahlfläche (Wald) mit standortstauglichem Vermehrungsgut forstlicher Holzgewächse binnen fünf Jahren wiederzubewalden ist. Damit hat die BH erkennbar lediglich auf die der Beschwerdeführerin - nach Maßgabe des mit BGBl I Nr. 104/2013 eingeführten § 17a Abs. 4 ForstG - schon von Gesetzes wegen erwachsende Wiederbewaldungsverpflichtung hingewiesen (vgl. auch die Gesetzesmaterialien, RV 2297 BlgNR, 24. GP, S. 26, wonach mit § 17a Abs. 4 ForstG "die den Rodungsberechtigten treffende Wiederbewaldungspflicht gesetzlich normiert (wird), sodass eine bescheidmäßige Vorschreibung nicht
mehr erforderlich ... ist."); das Schreiben diente somit auch in
dieser Hinsicht bloßen Informationszwecken. Dass mit dem genannten Schreiben kein bescheidmäßiger Abspruch über konkrete Wiederbewaldungsmaßnahmen erteilt werden sollte, erhellt schließlich auch aus dem letzten Absatz des Schreibens, wo explizit zum Ausdruck gebracht wird, dass eine behördliche Anordnung der Wiederbewaldung "vorerst" nicht erlassen werden muss.
Das Schreiben der BH stellt somit mangels rechtskraftfähigen Spruchs keinen Bescheid dar; der Auffassung der belangten Behörde, wonach es sich lediglich um eine "Information über die Sach- und Rechtslage" handle, kann nicht entgegen getreten werden. Die Zurückweisung der dagegen erhobenen Berufung erfolgte demnach zu Recht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen Mitteilungen Bescheidcharakter Bescheidbegriff Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2015:2013100218.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAE-83436