VwGH vom 12.08.2014, 2013/10/0217
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der H KG in L, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Untermarkt 16, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. U-14.657/1, betreffend naturschutzbehördlicher Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom hat die Tiroler Landesregierung der Beschwerdeführerin gemäß § 15 Abs. 5 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 - TNSchG 2005, LGBl. Nr. 26, den Auftrag erteilt, die neben einer Bundesstraße auf bestimmt bezeichneten Grundstücken ohne naturschutzbehördliche Bewilligung errichteten Werbeeinrichtungen zu entfernen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass das Vorhandensein der Werbeeinrichtungen im Zuge einer Dienstfahrt im März 2013 festgestellt worden sei. Eine Werbetafel befinde sich auf einem Metallgerüst, wobei es sich um eine weinrote Tafel mit weißer Schrift handle. Die andere Tafel befinde sich auf einem Stadel und habe ein Ausmaß von etwa 3,5 x 2 m. Beide Tafeln träten in der Landschaft allein schon auf Grund ihrer Größe und Farbgebung in Erscheinung. Sie erregten in beiden Fahrtrichtungen die Aufmerksamkeit der Autofahrer und wiesen auf das Hotel der Beschwerdeführerin hin. Es handle sich daher jedenfalls um Werbeeinrichtungen im Sinn von § 3 Abs. 3 TNSchG 2005.
Auf Grund der Größe und Farbgebung erfülle keine dieser beiden Werbeeinrichtungen einen Ausnahmetatbestand im Sinn der Verordnung der Tiroler Landesregierung über die Anforderungen für bewilligungsfreie Werbeeinrichtungen.
Beide Werbeeinrichtungen seien außerhalb einer geschlossenen Ortschaft situiert, weshalb sie gemäß § 15 TNSchG 2005 bewilligungspflichtig seien. Die Einrichtungen grenzten zwar teilweise an bebautes Gebiet, welches die Voraussetzungen einer geschlossenen Ortschaft erfülle, seien jedoch - wie aus dem einen Bestandteil des angefochtenen Bescheides bildenden Orthofoto hervorgehe - nicht von einer geschlossenen Ortschaft umgeben. Vielmehr befinde sich rund um die Werbetafeln großteils eine vollkommen unbebaute landwirtschaftliche Nutzfläche. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ende eine geschlossene Ortschaft mit den am Rand gelegenen Gebäuden; diese Gebäude hätten kein "Umfeld", in dem die Errichtung von Werbetafeln ohne Bewilligung möglich sei. Gemäß § 41 Tiroler Raumordnungsgesetz dürften ortsübliche Stadel in Holzbauweise im Freiland errichtet werden. Bei dem Stadel, auf dem eine der gegenständlichen Werbetafeln angebracht sei, handle es sich eindeutig um einen solchen Stadel in ortsüblicher Holzbauweise, der nach raumordnungsrechtlichen Vorschriften im Freiland errichtet werden dürfe. Dieser Stadel sei daher gemäß § 3 Abs. 2 letzter Satz TNSchG 2005 nicht als zu einer Ortschaft gehörendes Betriebsgebäude zu qualifizieren.
Der Verfassungsgerichtshof hat die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom , B 1038/2013-5, nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass im vorliegenden Fall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden sind.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 - TNSchG 2005, LGBl. Nr. 26, haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"§ 3
Begriffsbestimmungen
...
(2) Geschlossene Ortschaft ist ein Gebiet, das mit mindestens fünf Wohn- oder Betriebsgebäuden zusammenhängend bebaut ist, wobei der Zusammenhang bei einem Abstand von höchstens 50 Metern zwischen zwei Gebäuden noch nicht als unterbrochen gilt. Zur geschlossenen Ortschaft gehören auch Parkanlagen, Sportanlagen und vergleichbare andere weitgehend unbebaute Grundstücke, die überwiegend von einem solchen Gebiet umgeben sind. Land- und forstwirtschaftliche Gebäude, die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften im Freiland errichtet werden dürfen, gelten nicht als Betriebsgebäude.
(3) Werbeeinrichtung ist eine im Landschaftsbild in Erscheinung tretende Einrichtung, die der Anpreisung oder der Ankündigung dient oder die sonst auf etwas hinweisen oder die Aufmerksamkeit erregen soll.
...
§ 15
Sonderbestimmungen für Werbeeinrichtungen
(1) Die Errichtung, Aufstellung, Anbringung oder Änderung von Werbeeinrichtungen außerhalb geschlossener Ortschaften bedarf einer naturschutzrechtlichen Bewilligung, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 weder durch die Materialbeschaffenheit, Größe, Form, Farbe, Lichtwirkung und dergleichen der Werbeeinrichtung noch durch deren Errichtung, Aufstellung, Anbringung oder Änderung am vorgesehenen Ort beeinträchtigt werden.
(2) Keiner naturschutzrechtlichen Bewilligung bedürfen die Errichtung, Aufstellung, Anbringung oder Änderung von
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a) | Werbeeinrichtungen an Gebäuden mit Aufenthaltsräumen; |
b) | gesetzlich vorgeschriebenen Geschäfts- und Betriebsstättenbezeichnungen und damit im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Werbeeinrichtungen, soweit sich die Werbeeinrichtungen an Gebäuden oder auf dem selben Grundstück wie das Geschäfts- oder Betriebsgebäude befinden; |
c) | Werbeeinrichtungen, die den in der Verordnung nach Abs. 3 festgelegten Anforderungen entsprechen; |
d) | Hinweisen auf vorübergehende Veranstaltungen, sofern sie innerhalb von sechs Wochen vor dem Beginn der Veranstaltung errichtet, aufgestellt oder angebracht werden; sie sind spätestens zwei Wochen nach dem Ende der Veranstaltung zu entfernen; |
e) | Anlagen zum Anschlagen von Plakaten durch Gruppen, die sich an der Wahlwerbung für die Wahl zum Europäischen Parlament, des Bundespräsidenten, zu einem allgemeinen Vertretungskörper oder zu den satzungsgebenden Organen einer gesetzlichen beruflichen Vertretung oder an der Werbung für eine Volksabstimmung, eine Volksbefragung oder ein Volksbegehren auf Grund landes- oder bundesrechtlicher Vorschriften beteiligen, sofern sie innerhalb von sechs Wochen vor dem Wahltag, dem Tag der Volksabstimmung oder der Volksbefragung bzw. dem Beginn der Eintragungszeit und während dieser erfolgt. Solche Anlagen sind spätestens zwei Wochen nach dem Wahltag, dem Tag der Volksabstimmung oder Volksbefragung bzw. dem Ende der Eintragungszeit von der betreffenden Gruppe zu entfernen. |
(3) Die Landesregierung hat durch Verordnung Kriterien für die Errichtung, Aufstellung oder Anbringung, Materialbeschaffenheit, Größe, Form, Farbe, Lichtwirkung, Schriftart und dergleichen von Werbeeinrichtungen festzulegen, bei deren Erfüllung anzunehmen ist, dass die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 nicht beeinträchtigt werden.
...
(5) Wurde eine bewilligungspflichtige Werbeeinrichtung ohne Bewilligung errichtet, aufgestellt, angebracht oder geändert oder eine Werbeeinrichtung entgegen dem Abs. 2 lit. d oder e nicht rechtzeitig entfernt, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde demjenigen, der dies veranlasst bzw. unterlassen hat, oder, wenn dieser nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt oder überhaupt nicht herangezogen werden kann, dem Grundeigentümer oder dem sonst über das Grundstück Verfügungsberechtigten mit Bescheid aufzutragen, die Werbeeinrichtung unverzüglich, längstens jedoch innerhalb eines Monats zu entfernen.
...
§ 48
Übergangsbestimmungen
...
(4) § 15 Abs. 5 bis 8 und § 18 gelten auch für die in diesen Bestimmungen jeweils erwähnten Anlagen und Maßnahmen, die vor dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes errichtet, aufgestellt, angebracht oder ausgeführt wurden.
..."
Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, die Errichtung der gegenständlichen Werbetafeln veranlasst zu haben und über keine naturschutzbehördliche Bewilligung zu verfügen. Sie behauptet auch nicht, dass die Tafeln einem Ausnahmetatbestand gemäß § 15 Abs. 2 TNSchG 2005 oder einer dazu ergangenen Verordnung unterfielen, bringt jedoch vor, dass diese Werbeeinrichtungen bereits seit mehr als 40 Jahren bestünden und der Entfernungsauftrag nach dem TNSchG 2005 daher dem "Rückwirkungsverbot" widerspreche. Die belangte Behörde habe es unterlassen, das Alter der Werbetafeln zu ermitteln.
Dazu ist auszuführen, dass bereits nach § 3 Abs. 1 des Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 31/1951, "das Anbringen oder Aufstellen jeder Art von Ankündigungen, insbesondere zu geschäftlichen Werbezwecken, außerhalb geschlossener Ortschaften" einer Genehmigung durch die Bezirksverwaltungsbehörde bedurfte. Auch nach § 5 Abs. 1 lit. b Z. 8 des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1975, bedurfte außerhalb geschlossener Ortschaften "die Errichtung, Aufstellung, Anbringung oder Änderung von Werbeeinrichtungen" einer naturschutzbehördlichen Bewilligung. Ausgenommen waren lediglich gesetzlich vorgeschriebene Geschäfts- und Betriebsstättenbezeichnungen sowie Wahlplakate. Eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Regelung enthielt die Wiederverlautbarung als Tiroler Naturschutzgesetz 1991, LGBl. Nr. 25, in den §§ 6 Abs. 1 lit. i und 15 Abs. 7. Schließlich enthielt das - als TNSchG 2005 wiederverlautbarte - TNSchG 1997, LGBl. Nr. 33, in seinem § 15 bereits die im Wesentlichen unverändert in Geltung stehende Regelung, die weitere Ausnahmen von der Bewilligungspflicht vorsieht.
Demnach hätten die gegenständlichen Werbetafeln - unter der Voraussetzung, dass sie außerhalb einer geschlossenen Ortschaft liegen (siehe dazu gleich unten) - auch dann einer naturschutzbehördlichen Bewilligung bedurft, wenn sie tatsächlich bereits vor 40 Jahren aufgestellt worden wären. Ein Entfernungsauftrag gemäß § 15 Abs. 5 TNSchG 2005 könnte gemäß § 48 Abs. 4 leg. cit. auch dann ergehen, wenn die Werbeeinrichtung bereits vor Inkrafttreten des TNSchG 2005 errichtet worden wäre.
Weiters bringt die Beschwerdeführerin vor, dass keine Bewilligungspflicht bestehe, weil die Tafeln nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid teilweise an bebautes Gebiet angrenzten und sich daher in einer geschlossenen Ortschaft befänden.
Dazu ist zunächst auszuführen, dass sich nach den Feststellungen der belangten Behörde eine der beiden gegenständlichen Werbetafeln auf einem Stadel befindet. Die - von der Beschwerdeführerin nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass es sich bei diesem Stadel um ein landwirtschaftliches Gebäude handelt, das gemäß § 3 Abs. 2 letzter Satz TNSchG nicht als Betriebsgebäude gilt und daher bei der Beurteilung des Vorliegens einer geschlossenen Ortschaft außer Betracht zu bleiben hat, ist unbedenklich.
Nach den Feststellungen der belangten Behörde - die mit dem einen Bestandteil des angefochtenen Bescheides bildenden Orthofoto übereinstimmen - grenzt der Standort beider Tafeln zwar zum Teil an verbautes Gebiet (wobei nach dem Orthofoto ein Weg bzw. eine Straße dazwischen liegt), befindet sich jedoch außerhalb dieses Gebietes und ist großteils von unbebauter landwirtschaftlicher Nutzfläche umgeben. Nach der hg. Judikatur zu § 3 Abs. 2 TNSchG 2005 wird eine "geschlossene Ortschaft" durch eine Ansammlung von weniger als 50 m von einander entfernt gelegenen Gebäuden konstituiert und begrenzt; das Gebiet zwischen zwei solchen Gebäudeansammlungen bzw. einer solchen Ansammlung und einem mehr als 50 m davon entfernt gelegenen Gebäude zählt nicht zur geschlossenen Ortschaft (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 2011/10/0054, vom , Zl. 2007/10/0186, und vom , Zl. 2005/10/0018). Die beiden Tafeln, die sich jedenfalls außerhalb des durch Wohn- und Betriebsgebäude verbauten Gebiets befinden, liegen daher unabhängig von ihrer Entfernung zu diesen Gebäuden außerhalb einer geschlossenen Ortschaft, weshalb sie einer naturschutzbehördlichen Bewilligung bedürfen.
Da eine solche Bewilligung unstrittig nicht erteilt worden ist, hat die belangte Behörde gemäß § 15 Abs. 5 TNSchG 2005 zu Recht den gegenständlichen Entfernungsauftrag erteilt.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-83431