VwGH vom 04.06.2020, Ra 2019/15/0020
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger sowie Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des G Ö in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl. LVwG-2018/42/1304-8, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol),
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Soweit das angefochtene Erkenntnis den Schuldspruch betrifft, wird die Revision zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Soweit das angefochtene Erkenntnis den Ausspruch über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens betrifft, wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom wurde der Revisionswerber der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und wurden über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 3.000 € sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von jeweils 12 Tagen und 9 Stunden verhängt. Das Straferkenntnis ist an den Revisionswerber adressiert und ihm auch persönlich zugestellt worden.
2Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol wurde die dagegen erhobene Beschwerde mit geringfügigen Modifizierungen des Spruches als unbegründet abgewiesen, dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt und ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der die belangte Behörde nach Einleitung des Vorverfahrens Stellung genommen hat.
4Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (, 0042, mwN).
8Zunächst ist dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision zu erwidern, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV aufgeworfenen Fragen klar bzw. geklärt sind. Die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte sind ebenso geklärt (vgl. Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; , Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; , Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; , Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie , Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Er hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom , Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser - weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht mit seiner Beurteilung im Revisionsfall im Ergebnis nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Pfleger, C-390/12.
9Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom , Online Games Handels GmbH u.a., C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie bis 0049, Rn. 24 ff).
10Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei steht das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher , 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
11Mit dem Vorbringen, dass das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2017/17/0052, bezüglich (unzulässiger) Werbepraktiken ein entsprechendes Beweisverfahren durchzuführen und entsprechende Feststellungen zu treffen gehabt hätte, wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ausreichend dargetan (vgl. , 0203).
12Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der gegenständlichen Revision überdies vor, das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol sei nicht seinem ausgewiesenen Rechtsvertreter, sondern ihm persönlich zugestellt worden, weshalb keine rechtswirksame Zustellung stattgefunden habe. Dazu genügt es auf die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis zu verweisen. Im Hinblick auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/02/0276, und vom , 2011/08/0180, wird damit keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.
13Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.
14Der Revisionswerber ist jedoch im Hinblick auf den Strafausspruch insbesondere der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe im Recht. Die Revision ist in diesem Umfang auch begründet.
15Nach dem vom Verwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen anzuwendenden § 16 Abs. 2 VStG (§ 38 VwGVG) darf die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen.
16§ 52 Abs. 2 GSpG sieht weder eine Freiheitsstrafe vor, noch ist für die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von § 16 Abs. 2 VStG Abweichendes vorgesehen (vgl. ).
17Sowohl das Landesverwaltungsgericht als auch die Landespolizeidirektion Tirol sind von der Wiederholung einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG ausgegangen. Durch die Bestätigung des verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses hat das Landesverwaltungsgericht - ausgehend von einem Strafrahmen von 3.000 € bis 30.000 € pro Glücksspielgerät - eine Geldstrafe von 3.000 € verhängt. Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde mit 12 Tagen und 90 Stunden bemessen. Sie steht jedoch - da ihr Höchstausmaß zu ca. 90 % ausgeschöpft wurde - in einem auffallenden Missverhältnis zur Höhe der verhängten Geldstrafe, die mit der Mindeststrafe festgesetzt wurde. Eine Begründung für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe in dieser Höhe ist dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen. Auch das Straferkenntnis enthielt keine Begründung.
18Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedenfalls dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht, dafür eine Begründung erforderlich. Da - wie in der Zulässigkeitsbegründung der Revision zutreffend aufgezeigt wird - eine solche im angefochtenen Erkenntnis nicht erfolgte, belastet dies jedenfalls den Strafausspruch mit Rechtswidrigkeit (vgl. ).
19Ist der Ausspruch bezüglich der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig, so ist der Strafausspruch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gänze aufzuheben (vgl. erneut ).
20Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Strafausspruchs wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
21Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150020.L00 |
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