VwGH vom 24.04.2013, 2011/03/0085

VwGH vom 24.04.2013, 2011/03/0085

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des L R in G, vertreten durch Mag. Martin Dohnal, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24/13, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl BMVIT- 53.573/0001-II/L1/2010, betreffend Verlängerung der Gültigkeit des Berufshubschrauberpilotenscheins,

Spruch

I.) zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 1. (Abweisung des Verlängerungsantrages) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

II.) den Beschluss gefasst:

Im Übrigen, also insoweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrages auf Aussetzung des Verfahrens) richtet, wird sie als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Begründung

Mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheides wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Verlängerung der Gültigkeit seines Berufshubschrauberpilotenscheines ab.

Mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wies sie den mit der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid verbundenen Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens (bis zur Entscheidung des damals vor dem Verwaltungsgerichtshof zu Zl 2010/03/0036 anhängigen Beschwerdeverfahrens) ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 102 iVm 169 Abs 1 Z 1 Luftfahrtgesetz (LFG) schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von EUR 5.000,-- verhängt worden, weil er - zu näher bezeichneten Zeitpunkten am - ein Luftverkehrsunternehmen gemäß § 101 LFG betrieben und im Rahmen dieses Unternehmens die gewerbliche Beförderung von Personen unternommen habe, ohne die dafür erforderlichen Bewilligungen gemäß § 102 Abs 1 LFG vorweisen zu können. Diese rechtskräftige Entscheidung lasse Schlüsse auf die Verlässlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 32 LFG zu, weil das Delikt nicht nur als Verstoß gegen eine Verkehrsvorschrift im Sinne des § 4 Zivilluftfahrt-Personalverordnung 2006 (ZLPV 2006) anzusehen sei, sondern zudem einen direkten Bezug zur Tätigkeit des Beschwerdeführers als Luftfahrer habe, da die Verstöße gegen die Bestimmungen des LFG im Zuge seiner Tätigkeit als Berufshubschrauberpilot erfolgt seien. Die Vorschriften über die gewerbliche Beförderung von Personen im Rahmen von Luftverkehrsunternehmen gemäß § 101 LFG hätten eine derart hohe Bedeutung für die Sicherheit der Zivilluftfahrt, dass der dem Beschwerdeführer angelastete gravierende Verstoß gegen § 102 Abs 1 LFG auch dann zu seiner Beurteilung als unzuverlässig führen müsse, wenn es sich um ein einmaliges Fehlverhalten handeln sollte. Gemäß § 4 ZLPV 2006 reiche nämlich eine schwere Zuwiderhandlung aus, um nicht mehr als verlässlich angesehen zu werden. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers sei daher nicht davon auszugehen, dass er die sich aus dem LFG ergebenden Verpflichtungen einhalten werde. Es sei aber nur jener verlässlich, aus dessen bisherigem Verhalten geschlossen werden könne, dass er auch in Zukunft den Verpflichtungen des LFG nachkommen werde. Diesbezüglich führe das Straferkennntnis an, dass die Strafe unter anderem zu verhängen gewesen sei, um den Beschwerdeführer von der Begehung gleicher oder ähnlicher Handlungen abzuhalten. Daraus lasse sich schließen, dass auch die Strafbehörde stark an der zukünftigen Einhaltung der Verpflichtungen des LFG durch den Beschwerdeführer und somit an dessen Verlässlichkeit gezweifelt habe.

Es sei noch anzumerken, dass ein weiteres Fehlverhalten des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Wels zu AZ 13 Hv 2/07h festgestellt worden sei. In diesem Verfahren sei dem Beschwerdeführer der Abwurf einer Außenlast eines näher bezeichneten Helikopters am am Dstein/Shütte ohne unverzügliche Meldung und ohne die Setzung von Vorsorgemaßnahmen vorgeworfen worden. Das Verfahren sei letztlich am nach Erfüllung der Diversionsauflagen vorläufig eingestellt worden. Dennoch stehe fest, dass sich der Beschwerdeführer bereits im Jahr 2006 beim Betreiben eines Luftfahrzeuges nicht vorschriftsgemäß verhalten habe. Von einem verlässlichen Piloten wäre jedenfalls eine unverzügliche Meldung bzw das Setzen von Vorsorgemaßnahmen zu erwarten gewesen.

Schließlich sei festzuhalten, dass von der belangten Behörde kein entscheidend ins Gewicht fallender Zeitraum des Wohlverhaltens im Sinne des § 4 Abs 2 ZLPV 2006 erkannt werden könne. Seit den Verstößen gegen § 102 Abs 1 LFG durch den Beschwerdeführer am sei noch nicht genügend Zeit vergangen, um davon ausgehen zu können, dass er sein Verhalten grundlegend geändert habe.

Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die zu Zl 2010/03/0036 erhobene Beschwerde sei nicht berechtigt, weil die verwaltungsgerichtliche Beschwerde nichts an der Rechtskraft des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom ändere und eine Aussetzung des Verfahrens nicht rechtfertige.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Zu Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides:

1. Gemäß § 9 Zivilluftfahrt-Personalverordnung 2006, BGBl II Nr 205/2006 (ZLPV 2006), hat die zuständige Behörde Scheine und Berechtigungen, sofern nicht gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung eine unbefristete Gültigkeit bzw eine Aufrechterhaltung der Berechtigung bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen vorgesehen ist, für eine - näher umschriebene - Gültigkeitsdauer auf Antrag zu verlängern, wenn (unter anderem) die Voraussetzungen für die Erteilung weiter gegeben sind (§ 9 Z 1 leg cit).

Als Voraussetzung für die Erteilung eines Zivilluftfahrtscheines sieht § 30 Abs 1 lit b Luftfahrtgesetz, BGBl Nr 253/1957 idF BGBl I Nr 83/2008 (LFG), unter anderem vor, dass der Bewerber verlässlich ist (Verweis auf § 32 LFG).

Nach § 32 LFG ist ein Bewerber um einen Zivilluftfahrtschein dann als verlässlich anzusehen, wenn auf Grund seines bisherigen Verhaltens anzunehmen ist, dass er den aus diesem Bundesgesetz sich ergebenden Verpflichtungen nachkommen wird.

Gemäß § 4 Abs 1 ZLPV 2006 ist ein Bewerber insbesondere dann nicht als verlässlich iSd § 32 LFG anzusehen, wenn er Alkohol oder Suchtgift missbraucht oder wenn er sich einer schweren Zuwiderhandlung oder wiederholter Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- oder Verkehrsvorschriften oder gegen die Vorschriften zum Schutz der körperlichen Sicherheit schuldig gemacht hat.

Bei Vorliegen von Verfehlungen im Sinne von § 4 Abs 1 ZLPV 2006 ist nach § 4 Abs 2 ZLPV 2006 auf die seither verstrichene Zeit und auf das Verhalten des Bewerbers während dieser Zeit Bedacht zu nehmen.

2. Die belangte Behörde verwies in ihrer Entscheidung vor allem auf die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom . Der gegen diesen Bescheid erhobenen verwaltungsgerichtlichen Beschwerde wurde jedoch mit hg Erkenntnis vom , Zl 2010/03/0036, Berechtigung zuerkannt und der angefochtene Bescheid in Anwendung des § 42 Abs 3a VwGG dahin abgeändert, dass das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Verfolgungsverjährung eingestellt wurde.

Gemäß § 42 Abs 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof hat die mit dieser Bestimmung angeordnete ex-tunc-Wirkung von aufhebenden Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes zur Folge, dass der Rechtszustand im Nachhinein so zu betrachten gewesen wäre, als ob der aufgehobene Bescheid nie erlassen worden wäre (vgl dazu aus jüngerer Zeit etwa , mwN). Nichts Anderes gilt, wenn der Verwaltungsgerichtshof - wie im vorliegenden Fall - anstelle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes von der mit BGBl I Nr 51/2012 neu geschaffenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die entscheidungsreife Sache im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis selbst zu entscheiden, zumal damit lediglich eine Abkürzung des Verfahrens, das anderenfalls in einer Aufhebung des angefochtenen Strafbescheides und der Erlassung des durch die überbundene Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes präjudizierten Ersatzbescheides bestanden hätte, vorgenommen wurde.

Ausgehend davon ist der Rechtszustand im vorliegenden Fall nicht anders zu beurteilen als in Fällen eines aufhebenden verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses, was zur Folge hat, dass die Rechtszustand so zu betrachten ist, als ob bei Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides (über die Verlängerung seines Berufspilotenscheines) keine rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der ihm vorgeworfenen Delikte vom vorgelegen ist. Auf eine solche hat sich die belangte Behörde - ohne selbst Feststellungen über die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Delikte zu treffen - aber tragend gestützt, um die Unzuverlässigkeit des Beschwerdeführers zu begründen. Durch die rückwirkende Beseitigung des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom ist dieser Argumentation der Boden entzogen, weshalb der angefochtene Bescheid an inhaltlicher Rechtswidrigkeit leidet.

Daran ändert nichts, dass die belangte Behörde auch von einem weiteren Fehlverhalten des Beschwerdeführers im April 2006 ausging. Ein solche Sichtweise verbietet sich schon deshalb, weil der angefochtene Bescheid nicht erkennen lässt, dass die belangte Behörde auch bei Außerachtlassung der von ihr angenommenen rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , also nur unter Zugrundelegung des angeführten Vorfalls vom April 2006, insbesondere unter Berücksichtigung des § 4 Abs 2 ZLPV 2006 von der mangelnden Zuverlässigkeit ausgegangen wäre. Deshalb erübrigt es sich, auf die zwischen den Parteien strittige Frage, ob dem Beschwerdeführer zu diesem Vorwurf ausreichend Parteiengehör eingeräumt worden ist, näher einzugehen. II. Zu Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides:

Aufgrund des zwischenzeitlich ergangenen hg Erkenntnisses vom , Zl 2010/03/0036, sind das diesbezügliche Beschwerdeverfahren, bis zu dessen Beendigung der Beschwerdeführer die Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens beantragt hatte, und das betreffende Verwaltungsstrafverfahren selbst abgeschlossen.

Aus diesem Grund kann der Beschwerdeführer durch die mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides erfolgte Abweisung seines Aussetzungsantrages nicht mehr in subjektiv öffentlichen Rechten verletzt sein.

Die Beschwerde war deshalb in diesem Punkt in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

III. Zusammenfassend war der angefochtene Bescheid daher in seinem Spruchpunkt 1. gemäß § 42 Abs 1 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben; hinsichtlich des angefochtenen Spruchpunktes 2. ist hingegen eine Gegenstandslosigkeit der Beschwerde eingetreten und es war das Verfahren einzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455. Das Kostenmehr-begehren findet in diesen Rechtsgrundlagen keine Deckung.

Wien, am