VwGH vom 18.03.2015, 2013/10/0196
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Ö in Wien, vertreten durch Dr. Michael Lesigang, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 82, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit vom , Zl. BMG- 92400/0025-II/A/4/2013, betreffend Anerkennung als Leit-Ethikkommission, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom Oktober 2009 wies die belangte Behörde den von der beschwerdeführenden Partei am und neuerlich am gestellten Antrag auf Anerkennung als Leit-Ethikkommission als unzulässig zurück.
Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0254, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus, dass für die Ethikkommission bzw. deren Rechtsträger im Falle der Versagung der in § 41b Abs. 2 AMG vorgesehenen Kundmachung ein gesetzlicher Anspruch auf Erlassung eines Bescheides bestehe, der in der Sache über das Vorliegen der Kundmachungsvoraussetzungen abspreche. Die belangte Behörde habe daher zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.
Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen, nunmehr angefochtenen, Bescheid vom wies die belangte Behörde den eingangs erwähnten Antrag auf Anerkennung als Leit-Ethikkommission gemäß § 41b Abs. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) iVm. § 3 Abs. 1 der Leit-Ethikkommissionsverordnung (im Folgenden: Verordnung) ab.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, einem Inspektionsbericht des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen vom zufolge sei die Zahl der von der gegenständlichen Ethikkommission beurteilten Projekte unter besonderer Berücksichtigung der Phasen klinischer Prüfungen gering gewesen. Seit der Einführung der Leit-Ethikkommission (im Jahr 2004) würden nur 4 bis 5 Projekte pro Jahr begutachtet werden.
Gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung müsse die Ethikkommission über eine ausreichende Erfahrung in der Beurteilung von klinischen Prüfungen in einer Vielzahl repräsentativer unterschiedlicher Sonderfächer verfügen. Diese sei dann gegeben, wenn die Ethikkommission seit mindestens drei Jahren bestehe und in dieser Zeit eine größere Anzahl von klinischen Prüfungen verschiedener Phasen beurteilt habe.
Die gegenständliche Ethikkommission bestehe unstrittig länger als drei Jahre. Im Zeitraum der letzten drei Jahre sei jedoch keine größere Anzahl von klinischen Prüfungen verschiedener Phasen beurteilt worden, weil vier bis fünf Projekte pro Jahr keine "größere Anzahl" darstellten und auch nicht eine "Vielzahl repräsentativer unterschiedlicher Sonderfächer" betreffen könnten.
Mangels Erfüllung der Anforderung des § 3 Abs. 1 der Verordnung sei der Antrag auf Anerkennung als Leit-Ethikkommission abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass im vorliegenden Fall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden sind.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983 idF. BGBl. I Nr. 63/2009 (AMG), lauten (auszugsweise):
" Begriffsbestimmungen betreffend klinische Prüfungen
§ 2a. (1) 'Klinische Prüfung' ist eine systematische Untersuchung eines Arzneimittels an einem Prüfungsteilnehmer, die mit dem Ziel durchgeführt wird,
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1. | Wirkungen von Prüfpräparaten zu erforschen oder nachzuweisen, |
2. | Nebenwirkungen von Prüfpräparaten festzustellen, oder |
3. | die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel und die Ausscheidung von Prüfpräparaten zu untersuchen. |
Dies umfasst klinische Prüfungen, die in einem oder mehreren Prüfzentren in einer oder mehreren Vertragsparteien des Europäischen Wirtschaftsraumes durchgeführt werden. ... |
(2) 'Multizentrische klinische Prüfung' ist eine nach einem einzigen Prüfplan durchgeführte Prüfung, die in mehr als einem Prüfzentrum erfolgt und daher von mehr als einem Prüfer vorgenommen wird, wobei die Prüfzentren sich in einer einzigen oder in mehreren Vertragsparteien des Europäischen Wirtschaftsraumes oder in Vertragsparteien und Drittländern befinden können.
...
(6) 'Ethikkommission' ist ein unabhängiges Gremium, das sich aus Angehörigen von Gesundheitsberufen und in nichtmedizinischen Bereichen tätigen Personen zusammensetzt und dessen Aufgabe es ist, den Schutz der Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen der Prüfungsteilnehmer zu sichern und diesbezüglich Vertrauen der Öffentlichkeit zu schaffen.
...
Multizentrische Prüfungen
§ 41b. (1) Für multizentrische Prüfungen ist die Stellungnahme einer einzigen österreichischen Ethikkommission ausreichend. Der Sponsor hat dazu eine Ethikkommission zu befassen, die die durch Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Frauen festgelegten Anforderungen erfüllt. Diese Verordnung hat insbesondere
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1. | die organisatorischen Rahmenbedingungen, |
2. | die für die Beurteilung der erforderlichen umfassenden Erfahrung maßgebenden Umstände, und |
3. | die internen qualitätssichernden Maßnahmen |
zu berücksichtigen. |
(2) Ethikkommissionen, die eine Tätigkeit im Rahmen multizentrischer Prüfungen anstreben, haben dies dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen unter Nachweis der nach Abs. 1 geforderten Voraussetzungen zu melden. Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen hat die Ethikkommissionen, die die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllen im Amtsblatt zur Wiener Zeitung kundzumachen.
(3) ..."
Die in Durchführung des § 41b Abs. 1 AMG ergangene Leit-Ethikkommissions-Verordnung, BGBl. II Nr. 214/2004, lautet auszugsweise:
"§ 1. Eine Ethikkommission für die Beurteilung im Rahmen einer multizentrischen klinischen Prüfung hat die in den §§ 2 bis 7 festgelegten Kriterien und Anforderungen zu erfüllen.
...
§ 3. (1) Die Ethikkommission muss über ausreichende Erfahrung in der Beurteilung von klinischen Prüfungen in einer Vielzahl repräsentativer unterschiedlicher Sonderfächer verfügen. Diese ist dann gegeben, wenn die Ethikkommission seit mindestens drei Jahren besteht und in dieser Zeit eine größere Zahl von klinischen Prüfungen verschiedener Phasen beurteilt hat.
(2) ...
..."
Die Beschwerde bestreitet die Feststellungen der belangten Behörde zur Anzahl der von der gegenständlichen Ethikkommission in den letzten drei Jahren vor Erlassung des angefochtenen Bescheides durchgeführten klinischen Prüfungen nicht. Sie tritt auch der Feststellung, wonach die durchgeführten Prüfungen überdies keine "Vielzahl repräsentativer unterschiedlicher Sonderfächer" umfassen könnten, nicht entgegen.
Die Beschwerde bringt vielmehr zusammengefasst vor, dass der gegenständlichen Ethikkommission im genannten Zeitraum nur deshalb weniger Prüfungsfälle vorgelegt worden seien, weil die belangte Behörde zu Unrecht die Anerkennung als Leit-Ethikkommission versagt habe; der Vorwurf der mangelnden Erfahrung sei einzig und allein auf diese behördliche Fehlentscheidung zurückzuführen. Die Anzahl der Prüfungsfälle in den letzten drei Jahren sei daher aus dem Verschulden der belangten Behörde "gering geworden".
Dieser Umstand sei aber rechtlich nicht maßgeblich, weil für die Beurteilung der Eignung der gegenständlichen Ethikkommission der Sachverhalt bis zum Zeitpunkt der Antragstellung (2004 bzw. 2008) ausschlaggebend sei.
Tatsächlich habe die gegenständliche Ethikkommission in den letzten 35 Jahren ca. 500 Begutachtungen wissenschaftlicher Projekte auf dem Gebiet der Arzneimittelforschung durchgeführt, und zwar sowohl für multizentrische Studien im niedergelassenen Bereich für den Raum Wien als auch für andere Bundesländer.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.
Der Spruch eines Bescheides hat sich auf den Sachverhalt zu beziehen, der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bestand; er hat weiters der im Zeitpunkt der Erlassung bestehenden Rechtslage zu entsprechen (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), Rz. 413, und die dort angeführten Hinweise auf die hg. Rechtsprechung).
Entgegen der Beschwerdeauffassung ist im vorliegenden Fall daher maßgeblich, ob die in Rede stehende Ethikkommission die Voraussetzungen der besonderen Anforderungen an Ethikkommissionen im Rahmen von multizentrischen klinischen Prüfungen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides erfüllte.
Die Feststellungen der belangten Behörde zur Anzahl der von der gegenständlichen Ethikkommission in den letzten drei Jahren vor der Bescheiderlassung beurteilten klinischen Prüfungen blieben von der Beschwerde unwidersprochen; die Beschwerde räumt vielmehr selbst ein, dass die Anzahl der Prüfungsfälle "gering" gewesen sei.
Die Auffassung der belangten Behörde, wonach die Ethikkommission das in § 3 Abs. 1 der Verordnung normierte Erfordernis der "ausreichenden Erfahrung in der Beurteilung von klinischen Prüfungen in einer Vielzahl unterschiedlicher Sonderfächer" nicht erfüllt habe, ist somit nicht zu beanstanden, zumal es auf die für die Nichterfüllung dieser Voraussetzung maßgeblichen Gründe nicht ankommt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II. Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
MAAAE-83380