VwGH vom 19.05.2011, 2008/21/0526
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. Josef Habersack, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Roseggerkai 5/III, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 151.562/3- III/4/2008, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am geborene Beschwerdeführer - ein nigerianischer Staatsangehöriger - brachte am noch unter dem Regime des Fremdengesetzes 1997 - FrG bei der österreichischen Botschaft in Lagos den gegenständlichen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. Ö, § 49 Abs. 1 FrG" mit dem Ziel ein, zu seinem seit vielen Jahren in Österreich aufhältigen Vater, einem österreichischen Staatsbürger, ziehen zu können. Dieser Antrag wurde nach dem am in Kraft getretenen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG als Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG gewertet.
Nach Ermittlungen zu der zunächst bezweifelten Abstammung durch Einholung eines DNA-Gutachtens wurde die Österreichische Staatsdruckerei sodann von der erstinstanzlichen Behörde (Landeshauptmann von Steiermark) am beauftragt, für den Beschwerdeführer den beantragten Aufenthaltstitel mit Gültigkeit vom bis herzustellen. Gleichzeitig erging an die Österreichische Botschaft in Abuja die Aufforderung, dem Beschwerdeführer ein Visum D für die Einreise nach Österreich zur Abholung des Aufenthaltstitels zu erteilen. Davon wurde der Beschwerdeführer via Botschaft in Kenntnis gesetzt und ihm wurde in der Folge über seinen Antrag ein solches Visum mit Gültigkeit vom bis ausgestellt.
Der Beschwerdeführer, der seinem Vorbringen zufolge wegen einer Malariaerkrankung nicht früher reisen konnte, kam dann am nach Österreich. Da er zu diesem Zeitpunkt bereits volljährig war, wurde ihm bei seiner Vorsprache bei der Behörde am mitgeteilt, dass die Aushändigung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" nicht mehr möglich sei. Demzufolge wurde nunmehr der am gestellte Antrag auf Erteilung dieses Aufenthaltstitels mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom gemäß § 47 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abgewiesen.
Die dagegen erhobene Berufung wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom ab. Auch die belangte Behörde ging davon aus, dass der Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG für Kinder nur dann erteilt werden könne, wenn diese im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG minderjährig und unverheiratet seien. Das treffe auf den am geborenen Beschwerdeführer jedoch nicht mehr zu. Die ins Treffen geführte Erkrankung an Malaria sei zwar sehr bedauerlich, jedoch für die Entscheidung nicht mehr relevant, weil der Beschwerdeführer mittlerweile mehr als ein halbes Jahr volljährig sei und somit die Voraussetzungen für den begehrten Aufenthaltstitel nicht vorlägen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
§ 47 Abs. 1 und 2 sowie (auszugsweise) § 2 Abs. 1 Z 9 und Abs. 4 Z 1 NAG lauten (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2009):
"§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt.
(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden im Sinne des Abs. 1 sind, ist ein Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.
§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
…
9. Familienangehöriger: wer Ehegatte oder unverheiratetes minderjähriges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie), …
…
(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1. die Minderjährigkeit nach den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS Nr. 946/1811;
…
zu beurteilen."
Die Administrativbehörden haben den gegenständlichen, vom Beschwerdeführer als Kind eines Österreichers gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Familiennachzug nach dem Inkrafttreten des NAG als solchen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" iSd § 47 Abs. 2 NAG angesehen und ihm (der Sache nach) wegen Fehlens der besonderen Erteilungsvoraussetzung "Minderjährigkeit" nicht stattgegeben. Der Beschwerdeführer erachtet sich in der Beschwerde dadurch insofern in Rechten verletzt, dass sein bei der Österreichischen Botschaft in Lagos eingebrachter Antrag vom abgewiesen worden sei.
In der Beschwerde wird die Verfahrensdauer kritisiert und dazu ins Treffen geführt, wäre der Antrag in einem "normalen Zeitraum" von etwa vier bis sechs Monaten behandelt worden, so wäre der Beschwerdeführer weder an Malaria erkrankt noch hätte er die Reise nach Österreich erst nach Vollendung seines 18. Lebensjahres antreten können. Außerdem meint der Beschwerdeführer, es seien jene Bestimmungen anzuwenden, die zum Zeitpunkt seiner Antragstellung in Kraft gewesen seien und nicht jene, die im Zeitpunkt der "Ausstellung meines Visums" (wohl gemeint: Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels) gegolten hätten.
Diesem Vorbringen ist zunächst die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 1 NAG entgegenzuhalten, wonach Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die am anhängig waren, nach den Bestimmungen des NAG zu Ende zu führen sind. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof mittlerweile klargestellt, dass auch in einer Konstellation wie der vorliegenden für die Frage der Minderjährigkeit nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen ist (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0882; siehe daran anschließend auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0539). Demnach gingen die Administrativbehörden zu Recht von der inzwischen eingetretenen Volljährigkeit des Beschwerdeführers und damit vom Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung nach § 47 Abs. 2 NAG aus. In diesem Fall ist - anders als der Beschwerdeführer offenbar meint - eine Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG nicht vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0359, mwN). Dass den Beschwerdeführer an den Umständen, die letztlich zur Antragsabweisung führten, kein Verschulden trifft, vermag somit am Ergebnis nichts zu ändern.
Der Beschwerdeführer macht noch geltend, ihm sei die "Niederlassungsbewilligung" für den Zeitraum bis bereits erteilt worden, und meint daran anknüpfend, dass es nicht angehe, Entscheidungen einfach abzuändern.
Dabei wird übersehen, dass in der Regel erst die Ausfolgung (tatsächliche Übergabe und Entgegennahme) des Aufenthaltstitels in Form einer Karte - im Erteilungsfall - den Akt der Zustellung bewirkt und die rechtliche Wirkung des Bescheides erst durch diesen Akt entsteht (vgl. auch dazu das schon zitierte Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0882). Der Anweisung an die Botschaft zur Erteilung eines Einreisevisums und dem Auftrag an die Staatsdruckerei kamen hingegen keine Wirkungen zu, aus denen der Beschwerdeführer Rechte ableiten könnte (siehe im Ergebnis ebenso das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0460).
Die in der Beschwerde geltend gemachte Rechtsverletzung liegt somit nicht vor. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
BAAAE-83375