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VwGH vom 30.08.2011, 2008/21/0498

VwGH vom 30.08.2011, 2008/21/0498

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2008/21/0499

2008/21/0501

2008/21/0500

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerden von 1. R, 2. Z 3. A und 4. V, alle vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-FR-07-0110 (ad 1.;

hg. Zl. 2008/21/0498), vom , Zl. Senat-FR-07- 0109 (ad 2.; hg. Zl. 2008/21/0499), vom , Zl. Senat-FR-07-0108 (ad 3.; hg. Zl. 2008/21/0500), und vom , Zl. Senat-FR-07-0107 (ad 4.;

hg. Zl. 2008/21/0501), jeweils betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40 (insgesamt somit EUR 4.425,60) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer - ein Ehepaar, dessen Tochter und ein Neffe - sind russische Staatsbürger und gehören der tschetschenischen Volksgruppe an. Sie gelangten am von der Slowakei kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellten hier nach ihrem Aufgriff am einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag wurde über sie mit im Wesentlichen gleichlautenden Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha gemäß § 76 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) Schubhaft verhängt, um das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 bzw. ihre Abschiebung zu sichern.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde dagegen erhobene Beschwerden gemäß § 83 FPG ab und stellte gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.

Die Beschwerdeführer erhoben Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung mit Beschlüssen vom , B 1970 - 1973/07, ab und trat sie unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Über die ergänzten, wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Schubhaft der Beschwerdeführer wurde auf § 76 Abs. 2 Z 4 FPG gestützt. Dabei haben jedoch sowohl die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha als auch die belangte Behörde nicht ausreichend berücksichtigt, dass ungeachtet eines "Dublinbezugs" eine Schubhaftnahme nach der genannten Bestimmung nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die in diesem (frühen) Stadium des Asylverfahrens ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen.

Derartige Umstände vermochten am Maßstab der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0043, auf dessen Entscheidungsgründe des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - weder die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha in ihren Schubhaftanordnungen noch die belangte Behörde in den gegenständlich bekämpften Bescheiden aufzuzeigen. Insbesondere reichen die von der belangten Behörde ins Treffen geführten Umstände (Äußerung, nicht in die Slowakei zurückkehren zu wollen; mangelnde berufliche und soziale Verankerung im Bundesgebiet) nicht aus, um im gegebenen Zusammenhang ein nur durch Schubhaft abzudeckendes Sicherungsbedürfnis zu begründen. Demgegenüber wäre wesentlich zu berücksichtigen gewesen, dass die Beschwerdeführer zu ihrer Identität und Fluchtroute offenkundig richtige Angaben erstattet haben (vgl. zu ähnlich gelagerten Konstellationen im Falle eines Aufgriffs von Fremden unmittelbar nach illegalem Grenzübertritt die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/21/0332, vom , Zl. 2008/21/0346, und vom , Zl. 2007/21/0093).

Nach dem Gesagten waren die bekämpften Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-83318