VwGH vom 17.11.2011, 2011/03/0054
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Österreichischen Rundfunks (ORF) in Wien, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20, gegen den Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom , Zl 611.969/0003-BKS/2008, betreffend Verletzung des ORF-Gesetzes (mitbeteiligte Partei: A GmbH in W, vertreten durch Dr. Michael Krüger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 4/15; weitere Partei: Bundeskanzler), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde - aufgrund einer auf § 36 Abs 1 Z 1 lit d ORF-Gesetz (ORF-G) gestützten Beschwerde der mitbeteiligten Partei - fest, dass der ORF am , um ca 19:00 Uhr durch die Ausstrahlung eines Spots im Fernsehprogramm ORF 2 (Wien) über die Verkehrsinformation im Hörfunkprogramm "Radio Wien" § 13 Abs 9 ORF-G verletzt habe. Gleichzeitig trug sie dem ORF auf, diese Entscheidung zu einem näher bestimmten Zeitpunkt und in näher umschriebener Art und Weise zu veröffentlichen und darüber einen Nachweis in Form der Übermittlung von Aufzeichnungen zu erbringen.
Diesem Bescheid legte die belangte Behörde folgenden - unstrittigen - Sachverhalt zugrunde:
"Am wurde um ca. 19:00 Uhr in der für Wien regionalisierten Sendestrecke des Fernsehprogramms ORF 2 folgender Beitrag von ca. 15 Sekunden Länge gesendet:
Auf schwarzem Hintergrund läuft im oberen Teil des Bildes in zwei verschiedenen Schriftgrößen von rechts nach links der Text 'Sicher durch die Stadt', wobei die größere Schrift hinter den weißen Buchstaben der kleineren Schrift nur schemenhaft wahrzunehmen ist. Im mittleren Teil des Bildes ist ein durch Sektoren unterbrochenes, im Vergleich zum erwähnten Text gegenläufiges Laufband mit wechselnden Verkehrsszenen, die sowohl bei Tag als auch bei Nacht aufgenommen wurden, zu sehen. Kurz vor Ende des Spots wird zunächst unterhalb der Verkehrsszenen das Radio Wien Logo in der Mitte des Bildschirms eingeblendet und sodann erscheint oberhalb der Verkehrsszenen der Text 'Radio Wien Verkehrsinformation'. Während des Spots spricht eine männliche Stimme folgenden Text: 'Mit der Radio Wien Verkehrsinformation die wichtigsten Verkehrsinfos zur vollen und zur halben Stunde. Ihre Verkehrsinformation auf Radio Wien.'
Als Musik untermalt die Band 'The Staple Singers' mit dem Titel 'I'll take you there' den Spot, wobei die Musik ab dem Zeitpunkt, in dem der Text gesprochen wird, in den Hintergrund tritt."
Rechtlich folgerte die belangte Behörde, § 13 Abs 9 ORF-G untersage dem ORF die Bewerbung von Hörfunkprogrammen in Fernsehprogrammen und umgekehrt, sofern es sich nicht um Hinweise auf einzelne Sendungsinhalte handle. Zweck der Bestimmung sei es, mögliche Wettbewerbsverzerrungen hintanzuhalten, die aus dem Wettbewerbsvorteil des ORF, mehrere Fernseh- und Hörfunkprogramme veranstalten und diese gegenseitig bewerben zu können, resultierten. Neutral gehaltene Informationen über einzelne Sendeinhalte sollen nicht vom Verbot der Cross-Promotion erfasst werden. Dabei habe der werbende Inhalt im Hintergrund, der informative und redaktionelle Inhalt im Vordergrund zu stehen. Typische "Imagewerbung" sei hingegen verboten.
Der im vorliegenden Fall strittige "Spot" enthalte keinen Hinweis auf einzelne konkrete Sendungsinhalte, sondern verweise pauschal auf den Umstand, dass zu bestimmten Zeiten Verkehrsnachrichten, also eine bestimmte Sendungsgattung, ausgestrahlt würden. Der Umstand, dass in dem Beitrag der Sendetitel ("Radio Wien Verkehrsinformation"), die Sendezeiten ("zur vollen und zur halben Stunde") und das Programm ("Radio Wien") angegeben würden, ändere nichts daran, dass über den Sendungsinhalt selbst keine Aussage getroffen werde. Es möge zutreffen, dass die tatsächlichen Sendungsinhalte einer Verkehrsinformation im Vorhinein nicht bekannt seien. Dennoch liege hier ein Hinweis auf eine Sendung, oder genauer auf regelmäßig wiederkehrende Sendungen und damit eine Sendungsgattung, und nicht ein Hinweis auf einzelne Sendungsinhalte vor. Der Ausnahmetatbestand vom Verbot der Cross Promotion des § 13 Abs 9 letzter Halbsatz ORF-G stelle gerade nicht auf einzelne Sendungen, sondern eben auf einen Verweis auf Sendungsinhalte ab. Dies sei insofern konsequent, als diese Ausnahme vom Verbot der Cross Promotion neutrale, informative Hinweise auf bestimmte redaktionelle Inhalte von Sendungen ermöglichen wolle, weil hier nach Auffassung des Gesetzgebers der Informationsaspekt des Radio- oder Fernsehpublikums gegenüber der wettbewerbsregulierenden Zielsetzung des Verbots der Cross Promotion in den Vordergrund trete. Daher sei dann, wenn Hinweise auf einzelne Sendungsinhalte vorlägen, auch zu prüfen, ob bei einer Gesamtbetrachtung der werbende Inhalt oder der informative und redaktionelle Inhalt des Hinweises im Vordergrund stehe. Sei der in Rede stehende Hinweis vorwiegend auf einen "werblichen Effekt", insbesondere auf "Imagewerbung" gerichtet und trete demzufolge der informative Aspekt des Hinweises in den Hintergrund, dann falle ein solcher Hinweis ungeachtet des Umstands, dass er auf einzelne Sendungsinhalte erfolge, nicht unter den Ausnahmetatbestand vom Verbot der Cross Promotion gemäß § 13 Abs 9 letzter Halbsatz ORF-G.
Dass daher, wie die beschwerdeführende Partei zu Recht vorbringe, zum Zeitpunkt der Ausstrahlung des verfahrensgegenständlichen Beitrags gar kein individuell-konkreter Sendungsinhalt angekündigt habe werden können, weil der Inhalt der Verkehrsinformation in aller Regel im Vorhinein nicht feststehe, führe nicht dazu, dass in diesem Fall auch ein Verweis auf einzelne Sendungen oder wie hier eine Sendungsgattung gemäß § 13 Abs 9 letzter Halbsatz ORF-G zulässig wäre, sondern dazu, dass derartige pauschale Verweise auf Informationsdienste als Sendungsgattung eben nicht unter die Ausnahme vom Verbot des § 13 Abs 9 ORF-G subsumiert werden könnten.
Gerade der vorliegende Beitrag zeige im Übrigen, dass dann, wenn nicht einzelne Sendungsinhalte, sondern allgemeine, regelmäßig wiederkehrende Sendungstypen oder -gattungen Gegenstand des Hinweises seien, der werbende Inhalt in den Vordergrund rücke. Die Gestaltung des vorliegenden Beitrags sei darauf angelegt, das Hörfunkprogramm "Radio Wien" als kompetenten Sender hinsichtlich wichtiger Verkehrsinformationen zu positionieren, womit typische "Imagewerbung" vorliege. Den Zusehern des Beitrags solle vermittelt werden, dass die von "Radio Wien" bereitgestellten wichtigsten Verkehrsinformationen eine sichere Verkehrsteilnahme in Wien ermöglichten, womit die Unentbehrlichkeit dieser Verkehrsinformation für die Verkehrsteilnehmer belegt werden solle. Damit solle der "Spot" die Popularität von "Radio Wien" fördern und somit die Zuhörerquote erhöhen. Gerade solches verbiete aus den dargestellten Gründen § 13 Abs 9 ORF-G.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf eine Gegenschrift vor. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Ob die beschwerdeführende Partei gegen die Bestimmungen des ORF-G verstoßen hat, richtet sich nach der Rechtslage, die im Zeitpunkt der Ausstrahlung der genannten Fernsehsendung in Geltung war (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2005/04/0172).
Die im Beschwerdefall somit maßgebliche Bestimmung des § 13 Abs 9 ORF-G, BGBl Nr 379/1984 idF BGBl I Nr 83/2001, sieht vor, dass die Bewerbung von Hörfunkprogrammen des ORF in Fernsehprogrammen des ORF und umgekehrt unzulässig ist, sofern es sich nicht um Hinweise auf einzelne Sendungsinhalte handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof erkennt dazu in mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass die Bewerbung von Hörfunkprogrammen des ORF in Fernsehprogrammen des ORF (und umgekehrt; Verbot der sogenannten "cross promotion") grundsätzlich unzulässig ist und von diesem grundsätzlichen Werbeverbot nur insoweit Ausnahmen bestehen, als "Hinweise auf einzelne Sendungsinhalte" gegeben werden. Letztere liegen aber nur dann vor, wenn der informative, redaktionelle und nicht der werbende Inhalt im Vordergrund steht (vgl die hg Erkenntnisse vom , Zl 2003/04/0179, vom , Zl 2004/04/0114, vom , Zl 2005/04/0151, 0156, vom , Zl 2005/04/0165, und vom , Zl 2008/04/0119).
2. Die beschwerdeführende Partei vertritt die Rechtsansicht, dass von einem (zulässigen) Hinweis iSd § 13 Abs 9 ORF-G auch dann auszugehen sei, wenn - wie im vorliegenden Fall - unter Angabe von Sendungszeit, Sendungstitel und Programm für den Rezipienten erkennbar auf die Berichterstattung über künftige Ereignisse (Verkehrsgeschehen) hingewiesen werde. "Im Ergebnis" werden dadurch ein "Sendungsinhaltshinweis" zur Ausstrahlung gebracht; einer Bezugnahme auf weitere Sendungsinhalte bedürfe es nicht.
Dem ist Folgendes entgegen zu halten:
Nach den Gesetzesmaterialien (RV 634 BlgNR 21. GP) ist dem ORF "cross promotion" verboten, weil ihm aufgrund seiner Möglichkeit, mehrere Fernseh- und Hörfunkprogramme zu veranstalten und gegenseitig zu bewerben, ein unvergleichbar starker Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Veranstaltern zukommt. § 13 Abs 9 ORF-G solle somit einseitige Wettbewerbsverzerrungen hintanhalten; nicht erfasst seien aber "neutral gehaltene Informationen über einzelne Sendeinhalte". Auf dieser Grundlage hat sich die oben erwähnte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelt, wonach nur (vorrangig) informative und redaktionelle Hinweise auf im jeweils anderen Medium ausgestrahlte Sendungsinhalte zulässig sind.
Im vorliegenden Fall ist der beschwerdeführenden Partei zwar zuzugeben, dass im Rahmen der beanstandeten Fernsehsendung insofern (auch) informative Hinweise auf Sendungsinhalte (im weitesten Sinn) gegeben wurden, als der (maßgebliche) durchschnittlich aufmerksame und informierte Zuseher darüber unterrichtet wurde, dass er im Hörfunkprogramm "Radio Wien" Verkehrsinformationen (zur vollen und zur halben Stunde) erhalten konnte, die ihn "sicher durch die Stadt" führen würden. Allerdings kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie darin, jedenfalls im Ergebnis, keine "neutral gehaltene Information über einzelne Sendungsinhalte", sondern vorrangig Werbung erblickte. Die Gestaltung der Sendung zielte erkennbar darauf ab, eine "Identifikation" der Zuseher mit dem beworbenen Radioprogramm zu bewirken und positive Emotionen, die mit dem angesprochenen Sicherheitsaspekt ("Sicher durch die Stadt") verbunden sind, auf das Programm "Radio Wien" zu übertragen (arg:
"Ihre Verkehrsinformation auf Radio Wien" eingeleitet durch den Musiktitel "I'll take you there"). Im Vergleich dazu trat der erwähnte informative Teil des Programmhinweises in den Hintergrund.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-83316