VwGH vom 22.10.2013, 2013/10/0168

VwGH vom 22.10.2013, 2013/10/0168

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des HP in Wien, vertreten durch Dr. Georg Döcker, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Josef-Gall-Gasse 3/Top 7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. GS5- SH-33823/001-2012, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und der Beschwerde ergibt sich Folgendes:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 38 Abs. 4 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 (NÖ SHG) verpflichtet, die Kosten der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom bewilligten Sozialhilfe für GP in der Höhe von EUR 9.490,79 zu ersetzen.

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, es sei unstrittig, dass dem Bruder des Beschwerdeführers (GP) mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom für den Zeitraum vom bis zu dessen Tod am Sozialhilfe in Form der Hilfe bei stationärer Pflege im Landespflegeheim Neunkirchen gewährt worden sei. In der Zeit vom bis zum sei der Bruder als Selbstzahler in diesem Heim untergebracht gewesen. Unstrittig sei weiters, dass offene Sozialhilfekosten für die im Zeitraum vom bis zum geleistete Sozialhilfe in Höhe von EUR 18.981,50 entstanden seien. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom sei der Nachlass des verstorbenen Bruders des Beschwerdeführers zur Hälfte diesem und zu je einem Sechstel den drei Neffen des Verstorbenen eingeantwortet worden. Das dem genannten Beschluss zugrunde liegende Inventar der Verlassenschaft weise - im Einzelnen dargestellte - Aktiva in der Höhe EUR 28.601,75 sowie Passiva in der Höhe von EUR 27.809,31 aus. Der (im Inventar bei den Aktiva verzeichnete) 1/3-Anteil an einer näher bezeichneten Liegenschaft habe einen Verkehrswert von EUR 43.900,--. Im sozialhilferechtlichen Kostenersatzverfahren sei dieser Wert, und nicht wie im Verlassenschaftsverfahren der dreifache Einheitswert der Liegenschaft, zu berücksichtigen. Weiters sei bei der Berechnung des reinen Nachlasses im Zusammenhang mit dem sozialhilferechtlichen Kostenersatz die angemeldete Forderung der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (im Betrag von EUR 18.981,59) nicht als Posten der Passiva zu berücksichtigen, da das Kostenersatzverfahren genau diese Forderung betreffe und diese sohin zweimal berücksichtigt würde. Es ergebe sich demnach ein Reinnachlass in der Höhe von EUR 51.755,69. Der Beschwerdeführer habe die Hälfte dieses Betrages, sohin EUR 25.877,85, geerbt.

Der Beschwerdeführer sei als Erbe des Sozialhilfeempfängers verpflichtet, die offenen Kosten der Sozialhilfe bis zum Wert des übernommenen Nachlasses zu ersetzen. Da der Beschwerdeführer jedoch nicht der einzige Erbe sei, seien die offenen Kosten der Sozialhilfe nur der Erbquote nach vorgeschrieben worden. Der vorgeschrieben Ersatzbetrag in der Höhe von EUR 9.490,79 finde im Wert des übernommenen Nachlasses Deckung.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers regle § 38 Abs. 4 zweiter Satz NÖ SHG eine eigenständige Kostenersatzpflicht der Erben, die nicht Bezug nehme auf die Erfüllung der in § 38 Abs. 1 NÖ SHG geregelten Voraussetzungen für die Kostenersatzpflicht des Hilfeempfängers. Selbst wenn dem nicht so wäre, wäre der Beschwerdeführer dennoch zur Leistung eines Kostenersatzes verpflichtet. Da der 1/3-Anteil der genannten Liegenschaft bei der Gewährung der Sozialhilfe als nicht verwertbar erachtet worden sei, da die Liegenschaft der Befriedigung des notwendigen Wohnbedarfes des Hilfeempfängers gedient habe, sei gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 NÖ SHG ein nachträglicher Kostenersatz möglich, wenn vorerst unverwertbares Vermögen verwertbar sei. Dies sei aber hier der Fall, da durch den Tod des Hilfeempfängers dieser keinen notwendigen Wohnbedarf mehr habe.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers seien die offenen Sozialhilfekosten auch nicht verjährt, zumal dem Bruder des Beschwerdeführers ab dem Sozialhilfe gewährt worden sei. Gemäß § 40 Abs. 1 NÖ SHG verjähre der Anspruch auf Kostenersatz, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Sozialhilfe gewährt worden sei, mehr als drei Jahre verstrichen seien. Der erstinstanzliche Bescheid, der die Verjährung unterbreche, sei aber am , sohin vor Ablauf der Verjährungsfrist, erlassen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Bestimmungen des NÖ SHG (in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung LGBl. 9200-11) lauten auszugsweise:

"§ 12

Hilfe bei stationärer Pflege

(1) Die Hilfe zur Pflege umfasst alle Betreuungs- und Pflegemaßnahmen in stationären Einrichtungen für hilfebedürftige Menschen. Hilfebedürftig ist, wer auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung oder einer Beeinträchtigung der Sinne einen ständigen Betreuungs- und Pflegebedarf hat. Eine Pflege durch einen gemäß § 48 anerkannten sozialmedizinischen und sozialen Betreuungsdienst, die das zeitliche Ausmaß einer stationären Pflege erreicht, ist mit der stationären Pflege gleichzusetzen.

(2) …

(3) Auf die Hilfe bei stationärer Pflege hat jeder hilfebedürftige Mensch unter der Voraussetzung des § 4 einen Rechtsanspruch.

§ 15

Einsatz der eigenen Mittel

(1) Die Leistung der Hilfe bei stationärer Pflege nach § 12 erfolgt unter Berücksichtigung des Einsatzes des Einkommens und des verwertbaren Vermögens sowie unter Berücksichtigung der pflegebezogenen Geldleistungen, insoweit diese vom Anspruchsübergang nach den bundesgesetzlichen Pflegegeldregelungen erfasst sind.

(2) Hat der hilfebedürftige Mensch Vermögen, dessen Verwertung ihm vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kann eine grundbücherliche Sicherstellung der gesamten offenen Ersatzforderung vorgenommen werden, sobald die Hilfe länger als sechs unmittelbar aufeinanderfolgende Monate geleistet wurde.

(3) Die Verwertung des Einkommens oder Vermögens darf nicht verlangt werden, wenn dadurch die Notlage verschärft oder vorläufig verschlimmert würde.

(4) Als nicht verwertbar gelten Gegenstände, die zur persönlichen Berufsausübung oder zur Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit oder zur Vermeidung, Bewältigung oder Überwindung einer Notlage dienen, ebenso ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung, die der Deckung des notwendigen Wohnbedarfs des Hilfeempfängers und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen dienen.

§ 37

Kostenersatzverpflichtete

Für die Kosten von Sozialhilfemaßnahmen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, haben Ersatz zu leisten:

1. der Hilfeempfänger,

2. die Erben des Hilfeempfängers,

3. die unterhaltspflichtigen Angehörigen des

Hilfeempfängers,

4. Personen, denen gegenüber der Hilfeempfänger

Rechtsansprüche zur Deckung jenes Bedarfes besitzt, der die

Leistung der Sozialhilfe erforderlich gemacht hat, und

5. Personen, denen der Hilfeempfänger Vermögen

geschenkt oder sonst ohne entsprechende Gegenleistung übertragen hat.

§ 38

Ersatz durch den Hilfeempfänger

(1) Der Hilfeempfänger ist zum Ersatz der für ihn

aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn

1. er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt;

2. nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der

Hilfeleistung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte;

3. im Fall des § 15 Abs. 3 und 4 die Verwertung von Vermögen nachträglich möglich und zumutbar wird;

(2) Von der Ersatzpflicht nach Abs. 1 sind ausgenommen:

1. Kosten für Maßnahmen (Hilfen zum Lebensbedarf), die

vor Erreichung der Volljährigkeit gewährt wurden und

2. Kosten für die Erprobung auf einem Arbeitsplatz

(§ 30 Abs. 1 Z. 4).

(3) Von der Verpflichtung zum Kostenersatz ist abzusehen, wenn dies für den Hilfeempfänger eine Härte bedeuten oder den Erfolg der Sozialhilfe gefährden würde.

(4) Die Verbindlichkeit zum Ersatz der Kosten von Leistungen nach Abs. 1 geht gleich einer anderen Schuld auf den Nachlass des Empfängers der Hilfe über. Die Erben des Hilfeempfängers haften jedoch für den Ersatz der Kosten der Sozialhilfe nur bis zur Höhe des Wertes des Nachlasses. Sie können gegen Ersatzforderungen nicht einwenden, dass von dem Sozialhilfeempfänger gemäß Abs. 3 der Ersatz nicht verlangt hätte werden dürfen.

§ 40

Verjährung

(1) Der Anspruch auf Kostenersatz verjährt, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Sozialhilfe geleistet worden ist, mehr als drei Jahre verstrichen sind. Für die Wahrung der Frist gelten sinngemäß die Regeln über die Unterbrechung der Verjährung (§ 1497 ABGB).

(2) Ersatzansprüche für Sozialhilfeleistungen, die grundbücherlich sichergestellt sind, unterliegen nicht der Verjährung. Der Ersatzanspruch nach § 38 Abs. 4 verjährt, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Sozialhilfe geleistet worden ist, mehr als fünf Jahre verstrichen sind.

(3) …"

2. Die Beschwerde macht geltend, der zivilrechtliche Grundsatz, dass niemand mehr Rechte übertragen könne als er habe, besage auch, dass niemand mehr Verpflichtungen übertragen könne als er habe. Dieser Rechtssatz gelte auch im öffentlichen Recht, sodass jemand, der Gesamtrechtsnachfolger nach einer anderen Person sei, nicht für mehr öffentlich-rechtliche Verpflichtungen einzustehen habe als der ursprünglich Verpflichtete. Da der Bruder des Beschwerdeführers zu keiner Zeit verpflichtet gewesen sei, seinen Liegenschaftsanteil zu verwerten, um mit dem Erlös seine Pflegekosten zu finanzieren, habe eine solche Verpflichtung auch nicht auf den Beschwerdeführer als dessen Erben übergehen können.

§ 38 Abs. 4 NÖ SHG nehme ausdrücklich auf § 38 Abs. 1 NÖ SHG Bezug; die zuletzt genannte Bestimmung sei deshalb - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - sehr wohl bei der Beurteilung des Übergangs der Kostenersatzpflicht anzuwenden. Die gegenständliche Liegenschaft sei von den Erben erst nach dem Tod des Bruders des Beschwerdeführers um EUR 150.000,-- veräußert worden, sodass diese Veräußerung bei der Beurteilung der Kostenersatzverpflichtung außer Betracht zu bleiben habe. Da der Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger des Hilfeempfängers in Anspruch genommen werde, setze dies voraus, dass die Verpflichtung zum Kostenersatz zu Lebzeiten des Erblassers bereits entstanden sein müsse. Da dies nicht der Fall gewesen sei, zumal die Liegenschaft des Erblassers nicht verwertbar gewesen sei, könne diesbezüglich auch keine Verpflichtung auf den Erben übergehen.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

3.1. Gemäß § 37 Z. 2 NÖ SHG haben die Erben des Hilfeempfängers für die Kosten von Sozialhilfemaßnahmen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, Ersatz zu leisten. Gemäß § 38 Abs. 4 zweiter Satz NÖ SHG haften die Erben des Hilfeempfängers jedoch für den Ersatz der Kosten der Sozialhilfe nur bis zur Höhe des Wertes des Nachlasses.

Mit diesen Bestimmungen wird somit eine - mit dem Wert des Nachlasses begrenzte - Ersatzpflicht der Erben des Hilfeempfängers für Kosten von Sozialhilfemaßnahmen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, normiert. Der Gesetzgeber hat diese Ersatzpflicht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht daran geknüpft, dass "zu Lebzeiten des Erblassers eine Kostenersatzpflicht bestanden" hat. Soweit der Beschwerdeführer für seinen Standpunkt § 38 Abs. 4 erster Satz NÖ SHG ins Treffen zu führen sucht, ist darauf hinzuweisen, dass darin lediglich ein allgemeiner Hinweis auf den Übergang der Kostenersatzpflicht des Hilfeempfängers auf dessen Nachlass liegt und nicht etwa eine Anordnung, die die Haftung der Erben an die Voraussetzungen der Haftung des Hilfeempfängers knüpft.

3.2. Die Beschwerde bestreitet weder die Höhe der von der belangten Behörde festgestellten offenen Kosten der geleisteten Sozialhilfemaßnahmen noch behauptet sie, dass der auferlegte Kostenersatz den Wert des vom Beschwerdeführer übernommenen Nachlasses übersteigen würde. In der Beschwerde wird auch das im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen, der Ersatzanspruch sei teilweise verjährt, nicht aufrecht erhalten. Dazu ist - mit Blick auf die insofern unzutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides - darauf hinzuweisen, dass der Ersatzanspruch nach § 38 Abs. 4 NÖ SHG gemäß § 40 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. verjährt, wenn seit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Sozialhilfe geleistet worden ist, mehr als fünf Jahre verstrichen sind. Da im vorliegenden Fall Leistungen ab Juni 2009 nach § 38 Abs. 4 NÖ SHG zum Ersatz vorgeschrieben wurden, kann von einer Verjährung keine Rede sein.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am