VwGH vom 14.04.2011, 2008/21/0480
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 315.580/2- III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der 1961 geborene Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, hielt sich bereits von Oktober 1986 bis April 1995 in Österreich auf und war hier in diesem Zeitraum (mit kurzen Unterbrechungen) bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt. In der Zeit vom bis verfügte er über eine italienische Aufenthaltserlaubnis. Am erhielt der aus Italien nach Österreich zurückgekehrte Beschwerdeführer - offenbar aufgrund der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin - eine bis gültige Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG".
Am heiratete der Beschwerdeführer (in Serbien) sodann die österreichische Staatsbürgerin Ivanka N. Der Beschwerdeführer verfügte vom bis neuerlich über einen Aufenthaltstitel für Italien, wo er sich in diesem Zeitraum (zumindest teilweise) auch aufhielt. In Österreich war er seit wieder mit einem Hauptwohnsitz gemeldet und seit bei einem Unternehmen als Reinigungskraft beschäftigt.
Unter Bezugnahme auf die zuletzt erwähnte Ehe mit einer Österreicherin stellte der Beschwerdeführer dann bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (BH) am , somit noch während der Geltung des am außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG, den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung.
Diesen Antrag wertete die BH (der Sache nach) als Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 des (am in Kraft getretenen) Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG und wies ihn mit Bescheid vom gemäß § 21 Abs. 1 iVm Abs. 4 NAG ab, weil der Beschwerdeführer den Antrag nach der erstgenannten Bestimmung vor seiner Einreise im Ausland hätte einbringen und seine Erledigung dort abwarten müssen.
In der dagegen erhobenen Berufung vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, er habe den Antrag noch vor Inkrafttreten des NAG gestellt und schon deshalb könne § 21 Abs. 2 (Z 1) NAG, wonach Familienangehörige von Österreichern (nur) nach rechtmäßiger Einreise und während rechtmäßigen Aufenthalts zur Antragstellung im Inland berechtigt seien, im vorliegenden Fall nicht anzuwenden sein. Aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit könne für den Antrag und dessen Erfordernisse keinesfalls die Rechtslage gelten, die erst nach der Antragstellung in Kraft getreten sei. Nach der bis geltenden Rechtslage sei die Berechtigung zur Inlandsantragstellung aber nicht von einem rechtmäßigen Aufenthalt im Inland abhängig gewesen. Er habe daher den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung am rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellt, wobei ausdrücklich darauf verwiesen werde, dass seine Ehefrau österreichische Staatsbürgerin sei und er sich "schon deswegen" nicht illegal in Österreich aufgehalten habe bzw. aufhalte.
Diese Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 21 Abs. 1 NAG abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde nach zusammengefasster Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges und Feststellungen zum letzten österreichischen und letzten italienischen Aufenthaltstitel aus, der gegenständliche Antrag sei im Hinblick darauf, dass die dem Beschwerdeführer erteilte Niederlassungsbewilligung im November 2004 abgelaufen sei, gemäß § 24 Abs. 2 NAG als Erstantrag zu werten. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG seien Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und die Entscheidung sei im Ausland abzuwarten. Der Bewilligung des Antrages stehe somit § 21 Abs. 1 NAG entgegen, weil sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung und auch im Bescheiderlassungszeitpunkt nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte. Der Gesetzgeber habe bereits bei Erlassung dieser Bestimmung auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen und die Regelung eines geordneten Zuwanderungswesens über die persönlichen Verhältnisse gestellt. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, entbehrlich sei.
Zwar könne die Behörde - so die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides - gemäß § 74 NAG die Inlandsantragstellung von Amts wegen zulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt seien, also in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen. Derartige Gründe habe der Beschwerdeführer aber nicht geltend gemacht und seien für die belangte Behörde auch nicht zu erkennen. Eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde daher gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen.
Daran anschließend stellte die belangte Behörde noch zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Italien fest, er sei zwischen und nicht in Österreich gemeldet und sein italienischer Aufenthaltstitel sei bis zum gültig gewesen. Seine Ehefrau (Ivanka N.) sei den vorliegenden Meldeauskünften zufolge seit 2002 durchgehend in Österreich aufhältig. "Diese Meldung" gelte als Indiz dafür, dass sich die Ehefrau des Beschwerdeführers daher nie (längere Zeit) mit ihm in Italien aufgehalten habe. Das sei im Verfahren auch nicht behauptet worden. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass kein Freizügigkeitssachverhalt vorliege, aus dem der Beschwerdeführer ein Aufenthaltsrecht ableiten könne.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid an ihn erhobenen Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 467/08-4, abgelehnt. Zugleich hat er die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der über die ergänzte Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die belangte Behörde stützte ihre Ansicht, es handle sich vorliegend um keinen Verlängerungsantrag, sondern um einen Erstantrag, auf § 24 Abs. 2 NAG (in der hier maßgeblichen Stammfassung). Danach gelten Anträge, die nach Ablauf des Aufenthaltstitels gestellt werden, nur dann als Verlängerungsanträge, wenn sie spätestens sechs Monate nach dem Ende der Gültigkeitsdauer des letzten - inländischen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0668) - Aufenthaltstitels gestellt wurden; danach gelten sie als Erstanträge.
Die Beschwerde bestreitet die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf die gegenständliche Konstellation und meint daher, es liege ein Verlängerungsantrag vor, der im Inland gestellt werden durfte. Nach dem FrG, während dessen Gültigkeit der Antrag eingebracht worden sei, habe es keine Frist für die Verwirkung der Möglichkeit zur Stellung eines Verlängerungsantrages gegeben. Eine Frist für die Stellung eines Verlängerungsantrages sei erst nach der gegenständlichen Antragseinbringung durch das NAG eingeführt worden. Insoweit liege eine Verletzung des "Vertrauensschutzes" vor.
Diesem Vorbringen ist die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 1 NAG entgegenzuhalten, wonach Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die am anhängig waren, nach den Bestimmungen des NAG zu Ende zu führen sind. Das NAG enthält (in verfassungskonformer Weise) kein Rückwirkungsverbot in dem Sinn, dass Sachverhalte, die sich vor dem ereignet haben, in die Beurteilung von Tatbeständen des NAG nicht einbezogen werden dürften (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0562). Es darf zwar die Nichterfüllung von Formalerfordernissen nach dem NAG bei einem vor dessen In-Kraft-Treten gestellten Antrag nicht zu dessen Zurückweisung führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0002). Entgegen der Beschwerdeansicht handelt es sich aber - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0687, dargelegt hat - bei der Einhaltung der Frist des § 24 Abs. 2 NAG nicht um eine bloße Formalvoraussetzung, sodass auch ein vor dem am Maßstab der genannten Bestimmung des NAG verspätetet gestellter Antrag auf "Verlängerung" als Erstantrag zu werten sei, auf den § 21 Abs. 1 NAG anzuwenden ist.
Nun durfte der Beschwerdeführer zwar den gegenständlichen Antrag als Ehemann einer Österreicherin nach der damals geltenden Rechtslage noch im Inland stellen, doch ergab sich für ihn aus § 21 Abs. 1 NAG (mit dessen Inkrafttreten) die Verpflichtung, die Entscheidung über seinen Antrag im Ausland abzuwarten. Das stellt ebenfalls kein bloßes Formalerfordernis dar und gilt daher auch für Anträge, die vor dem gestellt wurden (vgl. auch dazu etwa das schon genannte Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0562, und das Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0661, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Soweit der Beschwerdeführer noch darauf rekurriert, ihm sei nach dem FrG "Niederlassungsfreiheit" zugekommen, genügt es darauf hinzuweisen, dass auch nach dieser Rechtslage für Ehepartner von Österreichern zur Rechtmäßigkeit des Aufenthalts die Erteilung einer konstitutiv wirkenden Niederlassungsbewilligung erforderlich war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0490). Wenn der Beschwerdeführer schließlich noch meint, er werde in seinem "Recht auf Freizügigkeit" verletzt, lässt er außer Acht, dass er kein Unionsbürger ist.
Das Recht, die Entscheidung über seinen Antrag im Inland abzuwarten, käme daher für den Beschwerdeführer nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Danach ist die Inlandsantragstellung - einschließlich des Abwartens der Entscheidung über den Antrag im Inland - in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen (§ 72 Abs. 1 NAG) von Amts wegen zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. Der (mit BGBl. I Nr. 29/2009 aufgehobene) § 72 NAG stellte insbesondere auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen einen Aufenthaltstitel zu erteilen. Ein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" im Sinne dieser Bestimmung liegt auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch auf Verbleib in Österreich besteht (siehe zum Ganzen beispielsweise das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0248, und das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2008/21/0415, jeweils mwN).
Unter diesem Gesichtspunkt verweist der Beschwerdeführer lapidar auf seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und behauptet, "sozial integriert" und stets (mit wenigen Unterbrechungen) einer geregelten Arbeit nachgegangen zu sein. Letzterem ist zwar beizupflichten, doch lässt der Beschwerdeführer außer Acht, dass er beträchtliche Zeiträume in Italien verbracht und sich noch bis kurz vor der Stellung des gegenständlichen Antrages dort aufgehalten hat. Insoweit liegt auch eine Relativierung der ehelichen Beziehung vor, weil ihn seine Ehefrau (wie von der belangten Behörde unbekämpft angenommen) dorthin nicht begleitet hat. Im Übrigen haben sie auch in Österreich zeitweise über unterschiedliche Meldeadressen verfügt. Die Bindungen des Beschwerdeführers an Österreich sind daher nicht so ausgeprägt, dass eine eingehendere Abwägung nach Art. 8 EMRK hätte ergeben können, es sei die Inlandsantragstellung nach § 74 NAG zuzulassen. Von daher unterscheidet sich der vorliegende Fall - ungeachtet ähnlicher Bescheidformulierungen - von jenen, die dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0238, und mehreren darauf verweisenden Entscheidungen zugrunde liegen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-83291