VwGH vom 08.09.2011, 2011/03/0045
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der A GmbH (früher: Ö GmbH) in W, vertreten durch WILLE BRANDSTÄTTER SCHERBAUM Rechtsanwälte OG in 1090 Wien, Ferstelgasse 1/2, gegen den Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom , Zl 611.060/0003- BKS/2008, betreffend Zulassung zur Veranstaltung eines Hörfunkprogrammes (mitbeteiligte Partei: H GmbH in S, vertreten durch Höhne, In der Maur Partner Rechtsanwälte GmbH in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20; weitere Partei: Bundeskanzler), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am schrieb die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) die Übertragungskapazität "S 2 (Sberg) 100,8 MHz" (Versorgungsgebiet "B") aus, um die sich (ua) die beschwerdeführende Partei und die mitbeteiligte Partei mit Anträgen auf Zulassung zur Veranstaltung eines Hörfunkprogramms bewarben.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei, die schon bisher über eine Zulassung im gegenständlichen Versorgungsgebiet verfügte, gemäß § 3 Abs 1 und 2 iVm §§ 5, 6 und 13 Abs 1 Z 1 Privatradiogesetz (PrR-G) neuerlich die Zulassung zu Veranstaltung eines Hörfunkprogramms im ausgeschriebenen Versorgungsgebiet für die Dauer von zehn Jahren (ab ). Gleichzeitig wies sie den Zulassungsantrag der beschwerdeführenden Partei gemäß § 6 Abs 1 und 2 PrR-G ab.
Begründend führte die belangte Behörde - zusammengefasst - aus, die KommAustria habe die Auswahl der mitbeteiligten Partei im Wesentlichen damit begründet, dass deren Beitrag zu einer größtmöglichen Meinungsvielfalt im Versorgungsgebiet höher einzuschätzen sei als jener der beschwerdeführenden Partei. Auch sei aufgrund der bisher unbeanstandeten Sendetätigkeit im Hinblick auf die Zielsetzung eines rechtskonformen Privatradiobetriebs eine verlässlichere Prognose zugunsten der mitbeteiligten Partei möglich. Im Hinblick auf die herangezogenen Kriterien nach § 6 Abs 1 und 2 PrR-G könne sich die KommAustria in allen Punkten auf die Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes und der belangten Behörde stützen, weshalb auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der beschwerdeführenden Partei kein Anlass gesehen werde, von der erstinstanzlichen Beurteilung abzuweichen.
Im Einzelnen führte die belangte Behörde aus, dass im gegenständlichen Versorgungsgebiet aufgrund technisch nicht vermeidbarer Überschneidungen zwar auch die Programme "H W" und "H M" (beide seien - wie die mitbeteiligte Partei - in das H-Netzwerk der M GmbH eingebunden), "S" und "W" empfangbar seien, wobei die für eine Empfangbarkeit im Stadtgebiet S notwendige Mindestfeldstärke lediglich durch das Programm "W" erreicht werde. Die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Programmidentität der im Versorgungsgebiet nur teilweise empfangbaren und der M GmbH zuzurechnenden Hörfunkprogramme bestehe aber nicht in dem Ausmaß, dass von weitgehend identen Programmen gesprochen werden könne. Es sei zwar das Musikprogramm und Musikformat der H-Sender weitgehend identisch; die von der beschwerdeführenden Partei vorgebrachte weitgehende Identität auch des Wortprogramms sei aber nicht nachvollziehbar. Auch sei nicht belegt, dass das Programm "S" überhaupt in das H-Netzwerk eingebunden sei.
Auch die Einbeziehung der im Versorgungsgebiet nur teilweise empfangbaren Programme ändere an der Auswahlentscheidung zugunsten der mitbeteiligten Partei nichts. Mit Ausnahme des Programms "W" erreichten diese Programme im Raum der Stadt S nicht die notwendige Mindestfeldstärke für einen einwandfreien Empfang. Der Raum der Stadt S sei aber wesentlicher Kern des Versorgungsgebiets. Bereits daraus ergebe sich, dass eventuellen Ähnlichkeiten des Programms in Bezug auf diese nur teilweise empfangbaren Hörfunkprogramme nicht in dem Ausmaß Einfluss auf die Auswahlentscheidung zukommen könne, wie den im gesamten Versorgungsgebiet empfangbaren Hörfunkprogrammen. Das Programm "S" sei nicht Teil des H-Netzwerks und unterscheide sich außerdem vom Programm der mitbeteiligten Partei sowohl im Hinblick auf die Zielgruppe als auch in seinem Musikformat. Den nur in Randbereichen des Versorgungsgebiets ausreichend empfangbaren Programmen des H-Netzwerks komme schon deshalb kein entscheidender Stellenwert zu. Im Übrigen sei bei ihnen zwar das Musikprogramm weitgehend ident, es werde aber auf die Interessen im Verbreitungsgebiet durch Lokalisierung im Wortprogramm Bedacht genommen. Von einer Identität der Programme insgesamt könne daher nicht die Rede sein. Hingegen sei im Versorgungsgebiet (einschließlich der Stadt S) das Programm "A W" der beschwerdeführenden Partei zu empfangen. Wenn die beschwerdeführende Partei angebe, das für das Versorgungsgebiet geplante Programm unterscheide sich vom Programm "A W" sowohl im Musik- wie auch im Wortprogramm, sei nicht erkennbar, worin der behauptete Unterschied liegen solle. Es sei der beschwerdeführenden Partei nicht gelungen, den Widerspruch in ihrem Vorbringen aufzuklären, wonach einerseits eine Orientierung am Programm für das bestehende Versorgungsgebiet "A W" erfolgen solle, andererseits aber das geplante Programm sich maßgeblich vom Programm in W unterscheide. Auch die von der beschwerdeführenden Partei behaupteten "großflächigen Überschneidungen" des Programms der mitbeteiligten Partei mit jenem von "Ö" und "K" lägen - aufgrund unterschiedlicher Zielgruppen - nicht vor. Umgekehrt gebe es "größere Überschneidungen" zwischen den Programmen der beschwerdeführenden Partei und jenem von "K". Insofern gelange die belangte Behörde unter Würdigung des Kriteriums der Außenpluralität im Versorgungsgebiet zu keinem anderen Ergebnis als die KommAustria.
Im Folgenden verglich die belangte Behörde die Programme der mitbeteiligten Partei und der beschwerdeführenden Partei anhand des Lokalbezugs im Musikprogramm (die mitbeteiligte Partei habe dazu in ihrem Antrag konkrete Angaben gemacht), des Wortprogramms (die mitbeteiligte Partei biete auch hier ein höheren Lokalbezug) und des Anteils eigengestalteter Beiträge (quantitativ übernehme das geplante Programm der beschwerdeführenden Partei zwar weniger fremde Programmstrecken, dieser Vorteil sei jedoch nicht von einer solchen Beschaffenheit, dass er innerhalb des beweglichen Systems des § 6 PrR-G zugunsten der beschwerdeführenden Partei ausfallen könne).
Abschließend führte die belangte Behörde aus, dass in Bezug auf die bislang dargestellten Kriterien von einer Ausgewogenheit der Zulassungswerber auszugehen sei. Bei einer derartigen ausgewogenen Bewerbungssituation müssten im Lichte des § 6 Abs 2 PrR-G schwerwiegende Gründe vorliegen, um einen bereits seit mehreren Jahren erprobten und bisher unbeanstandeten Sendebetrieb zu beenden. Solche Gründe gebe es im vorliegenden Fall in Bezug auf die mitbeteiligte Partei aber nicht.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - wie auch die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift. Es wurde jeweils beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 6 Abs 1 Privatradiogesetz, BGBl I Nr 20/2001 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I Nr 97/2004 (PrR-G), hat die Regulierungsbehörde bei mehreren Antragstellern um eine Zulassung, die die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 5 Abs 2 und 3 leg cit) erfüllen, dem Antragsteller den Vorrang einzuräumen, bei dem die Zielsetzungen dieses Gesetzes am besten gewährleistet erscheinen, insbesondere indem insgesamt eine bessere Gewähr für eine größere Meinungsvielfalt geboten wird sowie ein eigenständiges, auf die Interessen im Verbreitungsgebiet Bedacht nehmendes Programmangebot zu erwarten ist oder im Fall von Spartenprogrammen im Hinblick auf das bereits bestehende Gesamtangebot an nach diesem Bundesgesetz verbreiteten Programmen von dem geplanten Programm ein besonderer Beitrag zur Meinungsvielfalt im Versorgungsgebiet zu erwarten ist (Z 1) und von dem zu erwarten ist, dass das Programm den größeren Umfang an eigengestalteten Beiträgen aufweist (Z 2).
Gemäß § 6 Abs 2 PrR-G ist auch zu berücksichtigen, ob einer der Antragsteller bereits bisher die zu vergebende Zulassung entsprechend dem Gesetz ausgeübt hat und bei dieser Beurteilung insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit sich daraus verlässlichere Prognosen für die Dauerhaftigkeit der Hörfunkveranstaltung ableiten lassen.
Zu dieser Bestimmung erkennt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass damit für die Auswahlentscheidung der Behörde Auswahlkriterien festgelegt werden, die ihr Ermessen determinieren. Vorgegeben ist ein variables Beurteilungsschema, das eine Quantifizierung und einen Vergleich der einzelnen Bewerber im Hinblick auf die Zielsetzung zulässt, einen leistungsfähigen und in seinem Bestand kontinuierlichen Privatradiobetrieb sicherzustellen, der Gewähr für größtmögliche Meinungsvielfalt, eines der wesentlichsten Ziele des Privatrundfunkrechtes, bietet (vgl etwa die hg Erkenntnisse vom , Zlen 2011/03/0013, 0016, 0051 und 0052, jeweils mwN; zuletzt die hg Erkenntnisse vom , Zlen 2011/03/0020, 2011/03/0034 und 0035, ua).
2. Die beschwerdeführende Partei macht (vor allem) geltend, dass die belangte Behörde ihr Ermessen bei der Beurteilung einzelner nach § 6 Abs 1 PrR-G für die Auswahlentscheidung wesentlicher Kriterien (insbesondere betreffend die Außenpluraltität und den Lokalbezug) nicht richtig ausgeübt und sich mit dem ausführlichen Berufungsvorbringen zum Teil nicht auseinandergesetzt habe. Im Einzelnen führt sie aus, die Überschneidungen mit Programmen anderer Hörfunkveranstalter des H-Netzwerks hätten zu Lasten der mitbeteiligten Partei gewertet werden müssen (das Musikprogramm sämtlicher zum H-Netzwerk gehörenden Hörfunkprogramme sei weitgehend ident und auch das Wortprogramm werde zu 40 bis 50% für alle diese Sender gemeinsam produziert), es gebe überdies Überschneidungen des Programms der mitbeteiligten Partei mit "Ö" und "K", während das Programm der beschwerdeführenden Partei sich mit jenem von "S", "K" und " W" nicht überschneiden würde, der Lokalbezug des Programms der beschwerdeführenden Partei sei im Vergleich zu jenem der mitbeteiligten Partei höher und es weise "wesentlich mehr Eigenständigkeit" auf.
3. Mit diesem Vorbringen vermag die beschwerdeführende Partei eine relevante Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheids nicht darzulegen. Sie bringt Argumente, die von der belangten Behörde im Berufungsverfahren ausreichend behandelt und in nachvollziehbarer Art und Weise entkräftet worden sind.
Soweit die Beschwerde die Überschneidungen mit anderen empfangbaren Programmen des H-Netzwerks ins Treffen führt, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese - nach den unbestrittenen Ausführungen des Amtssachverständigen - nur verhältnismäßig kleine Teilbereiche des gegenständlichen Versorgungsgebiets betreffen, denen die belangte Behörde vor allem deshalb keine entscheidungsrelevante Bedeutung beigemessen hat, weil der "wesentliche Kern des Versorgungsgebiets" (nämlich der Raum Stadt S) davon nicht umfasst sei. Diese Beurteilung kann schon deshalb nicht als unrichtig erkannt werden, weil die Vorzüge des Programms der mitbeteiligten Partei unter dem Blickwinkel des Beitrags zur Meinungsvielfalt nach Einschätzung der Regulierungsbehörden besonders darin gelegen seien, für den Raum der Landeshauptstadt S ein noch nicht vorhandenes Programm mit "vielfältigen lokalen Inhalten für die Stadt S und deren Umgebung" (Zitat aus dem erstinstanzlichen Bescheid, Seite 48) zu bieten. Ausgehend davon kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie die angesprochenen geringfügigen Programmüberschneidungen in ihrer Auswahlentscheidung nicht zu Lasten der mitbeteiligten Partei wertete.
Das weitere Beschwerdevorbringen lässt außer Acht, dass die belangte Behörde anhand der erstinstanzlichen (und insoweit von der Beschwerde auch nicht bekämpften) Feststellungen eine nachvollziehbare Beurteilung der gesetzlich maßgeblichen Auswahlkriterien vorgenommen hat. Die beschwerdeführende Partei vermag nicht aufzuzeigen, dass die entscheidungswesentliche Überlegung der belangten Behörde, die Programme der hier in Rede stehenden Bewerber seien nach dem variablen Beurteilungsschema des § 6 PrR-G im Wesentlichen als gleichwertig anzusehen, jedoch sei im Lichte des § 6 Abs 2 PrR-G der bisherigen Zulassungsinhaberin (mitbeteiligten Partei) die weitere Sendetätigkeit zu gestatten, unrichtig gewesen wäre.
4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
DAAAE-83276