VwGH vom 25.05.2016, 2013/10/0153

VwGH vom 25.05.2016, 2013/10/0153

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Steiermärkischen Landesregierung in 8010 Graz, Friedrichgasse 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 47.21-43/2013-3, betreffend Aufwandersatz für geleistete Sozialhilfe (mitbeteiligte Partei: H P), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

1 1. Mit Bescheid vom verpflichtete der Bürgermeister der Stadt Graz den Mitbeteiligten gemäß § 28 Z. 2a des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes - Stmk. SHG dazu, ab monatlich EUR 152,-- an Aufwandersatz für die in einem Pflegewohnheim untergebrachten Mutter des Mitbeteiligten geleistete Sozialhilfe zu bezahlen.

2 2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (die belangte Behörde) einer gegen den erstbehördlichen Bescheid gerichteten Berufung des Mitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 28 Stmk. SHG Folge und behob den bekämpften Bescheid ersatzlos.

3 Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die Feststellungen zugrunde, die Mutter des Mitbeteiligten werde seit in einem bestimmten Pflegewohnheim in Graz betreut. Aus verschiedenen Einkünften (etwa Pflegegeld, Alterspension und Witwenpension) könne sie insgesamt einen Selbstkostenbeitrag von EUR 1.655,07 leisten, welchem monatliche Heimkosten von durchschnittlich EUR 3.240,29 gegenüber stünden. Der Mitbeteiligte erhalte eine monatliche Pension in der Höhe von EUR 1.357,95 netto.

4 Mit einem Notariatsakt vom habe die Mutter des Mitbeteiligten diesem und seiner damaligen Ehefrau eine bestimmte Liegenschaft im Gesamtausmaß von 552 m2 geschenkt. In einer Klausel dieses Notariatsaktes habe die Mutter des Mitbeteiligten gegenüber ihrem Sohn auf die Geltendmachung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen und auch von Pflege- und Betreuungsleistungen verzichtet, wobei diese Vereinbarung auch für den Fall der Not gelte.

5 Rechtlich führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach § 28 Z. 2a Stmk. SHG seien Eltern und Kinder, soweit diese nach Bürgerlichem Recht verpflichtet seien, für den Hilfeempfänger Unterhalt zu leisten, zum Ersatz des Aufwandes gegenüber dem Sozialhilfeträger in der von der Landesregierung durch Verordnung kundzumachenden Höhe verpflichtet, wobei bei der Festsetzung der Ersatzpflicht auf das Einkommen und das Angehörigenverhältnis der ersatzpflichtigen Person Bedacht zu nehmen sei.

6 Mit dem angeführten Notariatsakt habe die Mutter des Mitbeteiligten gegenüber ihrem Sohn auf ihren Unterhaltsanspruch nach § 234 Abs. 1 ABGB wirksam verzichtet. Nach der Judikatur des OGH wirke allerdings ein Verzicht auf den Unterhalt nur bis zur Grenze des notdürftigen Unterhaltes (Hinweis auf dessen Entscheidung vom , Zl. 1 Ob 99/62 = EvBl. 1963/2). Dieser Rechtsprechung folgend habe auch der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass ein zwischen einer Beschwerdeführerin und ihrer Mutter vereinbarter Unterhaltsverzicht dazu führe, dass die Beschwerdeführerin ihrer Mutter trotz des Verzichtes immer noch den notwendigen Unterhalt schulde (Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 99/11/0281).

7 Ein Anspruch auf Leistungen des notdürftigen Unterhalts liege allerdings nach dem Zl. 3 Ob 104/64, nur dann vor, wenn der Anspruchswerber außerstande sei, selbst ein Einkommen in der Höhe des Existenzminimums bei den im Einzelfall bestehenden Verhältnissen zu verdienen. Da das der Mutter des Mitbeteiligten monatlich zufließende Einkommen über dem Existenzminimum gemäß § 291a Exekutionsordnung - EO für das Kalenderjahr 2013 (in der Höhe von EUR 827,--) liege, sei der Mitbeteiligte nach den Bestimmungen des ABGB nicht verpflichtet, seiner Mutter Unterhalt zu leisten; deshalb könne er auch nicht nach § 28 Z. 2a Stmk. SHG zum Aufwandersatz für an seine Mutter geleistete Sozialhilfe verpflichtet werden.

8 3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

9 Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift beantragt, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 1. Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

11 2. Die hier maßgebliche Bestimmung des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes - Stmk. SHG, LGBl. Nr. 29/1998 idF LGBl. Nr. 10/2012, lautet:

"§ 28

Ersatzpflichtige

Zum Ersatz des Aufwandes gegenüber dem Sozialhilfeträger sind

verpflichtet:

(...)

2. a) Eltern und Kinder, soweit diese nach Bürgerlichem Recht verpflichtet sind, für den Hilfeempfänger Unterhalt zu leisten, in der von der Landesregierung durch Verordnung kundzumachenden Höhe. Bei der Festsetzung der Ersatzpflicht ist auf das Einkommen (§ 5) und das Angehörigenverhältnis der ersatzpflichtigen Person Bedacht zu nehmen. Im Zeitraum der Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen geleisteter Unterhalt ist anzurechnen. Die Ersatzpflicht ist mit der Höhe der Unterhaltsverpflichtung begrenzt, wobei der Nachweis einer im Gegensatz zu dem in der Verordnung genannten Betrag niedrigeren Unterhaltsverpflichtung durch den Ersatzpflichtigen zu erbringen ist. Der Nachweis gilt nur durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung als erbracht;

(...)"

12 3. Der nach § 28 Z. 2a Stmk. SHG Ersatzpflichtige darf nach dieser Bestimmung nur in dem Umfang zum Ersatz herangezogen werden, in dem er dem Empfänger der Sozialhilfe nach den Bestimmungen des ABGB Unterhalt leisten müsste (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0165).

13 Gemäß § 234 Abs. 1 ABGB schuldet das Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat.

14 4.1. Die Beschwerde bringt u.a. vor, dass die von der belangten Behörde angenommene Zulässigkeit des Verzichtes auf den das Maß des nötigen Unterhaltes übersteigenden Unterhaltsanspruch nicht zum Erfolg der Berufung des Mitbeteiligten hätte führen dürfen. Dass die belangte Behörde auf den allgemeinen Grundbetrag des Existenzminimums abgestellt habe, sei nämlich im Fall einer notwendigen Pflegeheimunterbringung verfehlt, weil insofern das Ausmaß des nötigen Unterhalts entscheidend durch die Kosten der Heimunterbringung bestimmt sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/11/0154 = VwSlg. 15.314A).

15 4.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

16 Der angefochtene Bescheid beruft sich auf den Zl. 3 Ob 104/64 = SZ 37/124, in dem zum Unterhaltsanspruch eines Hochschülers gegenüber seinem Vater ausgesprochen wurde, ein Anspruch des studierenden Sohnes auf Leistung des notdürftigen bzw. notwendigen Unterhaltes könne nur dann bestehen, wenn dieser außerstande sei, selbst ein Einkommen in der Höhe des Existenzminimums bei den im Einzelfall bestehenden Verhältnissen zu verdienen.

17 Zu dem auch in § 947 ABGB maßgeblichen Begriff des "nötigen Unterhaltes" hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass das Ausmaß des nötigen Unterhaltes im Fall der wegen Pflegebedürftigkeit notwendigen Unterbringung in einem Pflegeheim entscheidend durch die Höhe der Kosten für die Unterbringung im Pflegeheim bestimmt wird, sodass in solchen Fällen nicht etwa auf den unpfändbaren Freibetrag (das "Existenzminimum") gemäß § 291a EO abgestellt werden kann (vgl. das bereits angeführte Erkenntnis zur Zl. 99/11/0154).

18 Diese Rechtsprechung kann auf den vorliegend interessierenden, trotz Unterhaltsverzichts jedenfalls verbleibenden Anspruch auf den nötigen Unterhalt und auf die daraus abzuleitende Verpflichtung des Unterhaltsverpflichteten zur Leistung von Aufwandersatz nach § 28 Z. 2a Stmk. SHG übertragen werden; auch in diesem Zusammenhang hätte richtigerweise auf die Höhe der Kosten für die Unterbringung im Pflegeheim abgestellt werden müssen. Es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob es überhaupt zulässig ist, auf den Unterhaltsanspruch des Elternteils - bis zur Grenze des nötigen Unterhalts - im Vorhinein zu verzichten.

19 5. Indem die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am