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VwGH vom 22.10.2013, 2013/10/0152

VwGH vom 22.10.2013, 2013/10/0152

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Marktgemeinde Matrei in Osttirol, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda-Weber-Gasse 1, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. U-14.640/5, betreffend Zurückweisung der Berufung gegen eine naturschutzbehördliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: ÖBB Infrastuktur AG, 6020 Innsbruck, Claudiastraße 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Tiroler Landesregierung hat mit Bescheid vom die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom , mit dem der mitbeteiligten Partei die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Zufahrtsweges erteilt worden war, als unzulässig zurückgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die von einem naturschutzrechtlich zu bewilligenden Vorhaben berührten Gemeinden gemäß § 43 Abs. 4 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 - TNSchG 2005, LGBl. Nr. 26, Parteistellung zur Wahrnehmung ihrer Interessen in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches hätten. Das Mitspracherecht der Gemeinde beschränke sich daher auf die Wahrnehmung der Interessen des eigenen Wirkungsbereiches. Nur in diesem Rahmen sei die Berufung einer Gemeinde zulässig.

Die beschwerdeführende Gemeinde habe im Verfahren lediglich Folgendes vorgebracht:

Es sei noch nicht endgültig geklärt, ob sie Eigentümerin des vom gegenständlichen Vorhaben betroffenen Grundstücks sei. Die Agrarbehörde erster Instanz habe das gegenständliche Grundstück als Gemeindegut qualifiziert. Der Landesagrarsenat als Berufungsbehörde habe mit Erkenntnis vom festgestellt, dass es sich um ein Agrargemeinschaftsgut und nicht um Gemeindegut handle. Gegen diese Entscheidung sei eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig. Es werde beantragt, die Rechtssache zu unterbrechen, bis der Verwaltungsgerichtshof über die Grundeigentumsfrage entschieden habe.

Mit diesen Ausführungen habe die Beschwerdeführerin jedoch keine subjektiven Rechte im Rahmen ihrer Parteistellung als betroffene Gemeinde geltend gemacht, die Berufung sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Selbst wenn die Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin anzusehen wäre, könnte sie daraus ihre Parteistellung nicht ableiten, weil dem vom Bewilligungswerber verschiedenen Grundeigentümer nach dem TNSchG 2005 gar keine Parteistellung zukomme. Im Übrigen sei die belangte Behörde an die rechtskräftige Entscheidung des Landesagrarsenates, wonach es sich beim gegenständlichen Grundstück nicht um Gemeindegut handle, gebunden.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 43 Tiroler Naturschutzgesetz 2005 - TNSchG, LGBl. Nr. 26,

hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

" § 43

Verfahren

(1) Ein Ansuchen um die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung ist schriftlich einzubringen.

(2) Im Antrag sind die Art, die Lage und der Umfang des Vorhabens anzugeben. Dem Antrag ist, soweit es sich nicht um Pläne in Natura 2000-Gebieten handelt, der Nachweis des Eigentums am betroffenen Grundstück oder, wenn der Antragsteller nicht Grundeigentümer ist, die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers anzuschließen, es sei denn, dass aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Vorschriften eine Enteignung oder die Einräumung von Zwangsrechten zugunsten des Vorhabens möglich ist. …

(4) In allen Verfahren zur Entscheidung über ein Ansuchen um die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung haben die vom betreffenden Vorhaben berührten Gemeinden zur Wahrnehmung ihrer Interessen in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Parteistellung im Sinne des § 8 AVG. …

…"

Soweit die Beschwerdeführerin zunächst einen "förmlichen Abspruch" über ihre Parteistellung vermisst, ist ihr zu entgegnen, dass die belangte Behörde ausgehend von ihrer Ansicht, wonach in der Berufung ausschließlich von der Parteistellung der Beschwerdeführerin nicht umfasste Fragen aufgeworfen worden seien, dieses Rechtsmittel zu Recht zurückgewiesen hat. Die Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Parteistellung wäre in so einem Fall unzulässig (vgl. Hengstschläger/Leeb , AVG, Rz. 23 zu § 8 und die dort angeführte hg. Judikatur).

Weiters bringt die Beschwerdeführerin vor, dass der Gemeinde gemäß § 43 Abs. 4 TNSchG 2005 unabhängig von der Stellung als Grundeigentümerin jedenfalls Parteistellung zur Durchsetzung ihrer subjektiven Rechte eingeräumt werde. Dabei seien vom Gesetzgeber die Interessen des eigenen Wirkungsbereiches nur "insbesondere" angeführt worden, woraus abzuleiten sei, dass der Gemeinde auch zur Durchsetzung anderer Rechte Parteistellung zukomme. Dies gelte auch für das vorliegend relevante "subjektive Recht, dass keine dem TNSchG 2005 widersprechende naturschutzbehördliche Bewilligung erteilt wird".

Damit stellt die Beschwerdeführerin nicht in Abrede, dass ihr Berufungsvorbringen außerhalb des Bereiches der "Wahrnehmung ihrer Interessen in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches" liegt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist dieser Bereich in § 43 Abs. 4 erster Satz TNSchG 2005 nicht nur "insbesondere" als einer von mehreren angeführt. Vielmehr wird durch die ausschließliche Anführung dieses Bereiches die der Gemeinde im Naturschutzverfahren eingeräumte Parteistellung darauf beschränkt. Die Gemeinde kann daher nur solche Verletzungen des TNSchG 2005 geltend machen, die gleichzeitig auch den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde berühren. Eine zulässige Berufung liegt nur vor, wenn sie sich im Rahmen dieses Mitspracherechtes bewegt (vgl. das zur mit § 43 Abs. 4 erster Satz TNSchG 2005 identen Bestimmung des § 41 Abs. 4 TNSchG 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/10/0205, mwN).

Sollte sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend die bloß demonstrative Nennung der Interessenwahrung in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches auf die Gesetzesmaterialien beziehen, so vermag dies den Standpunkt der Beschwerdeführerin nicht zu stützen. Im Ausschussbericht zum Gesetz vom , LGBl. Nr. 52, mit dem in das Tiroler Naturschutzgesetz 1975 eine dem § 43 Abs. 4 TNSchG 2005 wörtlich entsprechende Bestimmung eingeführt worden ist, heißt es:

"Die Gemeinde erhält nunmehr subjektive Rechte zur Wahrung ihrer Interessen in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches. … Insbesondere sind als Anknüpfungspunkte die Wahrung der Interessen der örtlichen Raumordnung denkbar."

Somit werden die Interessen der örtlichen Raumordnung "insbesondere" als möglicherweise von naturschutzbehördlichen Bewilligungen berührte Interessen des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde genannt. Daraus ergibt sich aber nicht, dass der Gesetzgeber der Gemeinde über den zur Wahrung der Interessen des eigenen Wirkungsbereiches erforderlichen Umfang hinaus Parteistellung einräumen wollte.

Die - von der Beschwerde nicht mit konkretem Vorbringen bekämpften - Ausführungen der belangten Behörde, wonach aus der gemäß § 43 Abs. 2 TNSchG 2005 erforderlichen Zustimmung des Grundeigentümers eine Parteistellung des vom Antragsteller verschiedenen Grundeigentümers nicht abgeleitet werden könne, entsprechen der ständigen hg. Judikatur (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/10/0079).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am