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VwGH vom 08.10.2014, 2013/10/0148

VwGH vom 08.10.2014, 2013/10/0148

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Oberösterreichischen Landesregierung in 4020 Linz, Bahnhofplatz 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-560243/2/KI/TK, VwSen- 560244/2/KI/TK, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfeleistungen (mitbeteiligte Parteien: 1. K K, 2. E K, beide G, beide vertreten durch Gütlbauer-Sieghartsleitner-Pichlmair Rechtsanwälte in 4600 Wels), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen (im Folgenden: BH) vom wurde dem Antrag des Sozialhilfeverbandes Grieskirchen (in der Folge: Sozialhilfeträger) vom Folge gegeben und die mitbeteiligten Parteien zum Ersatz für die vom Sozialhilfeträger für Frau T.W. (in der Folge: Sozialhilfeempfängerin) gewährten und noch zu gewährenden Leistungen sozialer Hilfe verpflichtet.

Mit dem angefochtenen Bescheid des UVS Oberösterreich wurde der dagegen von den mitbeteiligten Parteien erhobenen Berufung stattgegeben und der Bescheid der BH gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufgehoben.

Begründend führte die belangte Behörde aus, mit Übergabsvertrag vom sei den mitbeteiligten Parteien von der Sozialhilfeempfängerin eine näher genannte Liegenschaft (Wohnhaus) übergeben und hiefür als Gegenleistung der Sozialhilfeempfängerin das alleinige und ausschließliche Wohnungsrecht sowie Anspruch auf "ordentliche Wart und Pflege" im Krankheits- und Gebrechensfall eingeräumt worden. Seit Dezember 2009 werde die Liegenschaft durch die mitbeteiligten Parteien vermietet.

Seit werde der Sozialhilfeempfängerin näher bestimmte soziale Hilfe (durch stationäre Betreuung im Alten- und Pflegeheim W.) gewährt; die Kosten hierfür trage der Sozialhilfeträger.

Mit Schreiben vom habe die "belangte Behörde" (gemeint: die BH) gegenüber den Mitbeteiligten bekannt gegeben, dass die Einnahmen aus der Vermietung der Liegenschaft in T. als Einkünfte der Sozialhilfeempfängerin zu betrachten seien, welche zu 80% dem Sozialhilfeträger zur teilweisen Deckung der Heim- und Pflegeentgelte zustünden und hiedurch die vertraglichen Ansprüche der Sozialhilfeempfängerin geltend gemacht.

Mit Schreiben vom habe der Sozialhilfeträger an die BH den Antrag gestellt, über den gegenüber den Mitbeteiligten geltend gemachten Kostenersatzanspruch mit Bescheid abzusprechen.

Der Bescheid der BH vom , mit dem diesem Antrag stattgegeben (und die monatliche Kostenersatzleistung der Mitbeteiligten ab aus der Vermietung der Liegenschaft in T. mit EUR 670,-- und für Pflegeleistungen mit EUR 154,20 festgesetzt worden sei) sei aus folgenden Erwägungen aufzuheben gewesen:

Gemäß § 49 Abs. 1 Oberösterreichisches Sozialhilfegesetz (Oö SHG) gingen vertraglich festgesetzte Ansprüche des Empfängers sozialer Hilfe gegen einen Dritten, wenn der Träger sozialer Hilfe dem Dritten hievon schriftlich Anzeige erstatte, kraft Gesetzes auf den Träger sozialer Hilfe über. Durch diese gesetzliche Bestimmung werde eine Legalzession geregelt, nämlich, dass ab schriftlicher Anzeigeerstattung der Träger sozialer Hilfe ex lege Rechtsnachfolger des Empfängers sozialer Hilfe werde. Eines gesonderten behördlichen Aktes, insbesondere eines Bescheides, bedürfe es dazu nicht; für die Festsetzung des Rechtsanspruchs durch die Behörde bestehe keine gesetzliche Ermächtigung. Vielmehr trete mit ordnungsgemäßer Anzeigeerstattung der Träger sozialer Hilfe in die Rechtsposition des Empfängers sozialer Hilfe und habe dieser seine (vom Empfänger sozialer Hilfe auf ihn übergegangene) Ansprüche gegenüber dem Dritten im Zivilrechtsweg geltend zu machen. § 52 Abs. 3 Oö SHG finde für Fälle des § 49 Abs. 1 Oö. SHG keine Anwendung.

Es bestünde daher keine Zuständigkeit der BH zur bescheidmäßigen Festsetzung von Ansprüchen nach § 49 Abs. 1 Oö SHG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde der Oberösterreichischen Landesregierung.

Das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 9 B-VG an die Stelle der belangten Behörde getretene Landesverwaltungsgericht Oberösterreich legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Ebenso erstatteten die mitbeteiligten Parteien eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass es sich vorliegend um keinen Übergangsfall nach dem VwGbk-ÜG handelt und somit gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Oberösterreichischen Sozialhilfegesetzes 1998, LGBL. Nr. 82/1998 in der Fassung LGBl. Nr. 74/2011 (Oö SHG), lauten (auszugsweise):

"...

§ 29

Träger sozialer Hilfe

Träger der sozialen Hilfe sind:


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1.
das Land
2.
die Sozialhilfeverbände und Städte mit eigenem Statut (regionale Träger).
...
§ 32
Organe der Sozialhilfeverbände und deren Aufgaben

(1) Organe des Sozialhifeverbandes sind

...

3. der Obmann

...

§ 38

Geschäftsstelle

(1) Geschäftsstelle des Sozialhifeverbandes ist die Bezirkshauptmannschaft.

...

§ 45

Allgemeine Bestimmungen

Für die Kosten von Leistungen sozialer Hilfe, auf die ein Rechtsanspruch besteht, haben Ersatz zu leisten, soweit hiefür nicht bereits Kostenbeiträge nach § 9 Abs. 7 geleistet wurden oder solche ausgeschlossen sind:

...

4. Personen, denen gegenüber der Empfänger sozialer Hilfe Rechtsansprüche zur Deckung jenes Bedarfes besitzt, der die Leistung sozialer Hilfe erforderlich gemacht hat;

...

§ 49

Übergang von Rechtsansprüchen

(1) Vertraglich oder gerichtlich festgesetzte Ansprüche des Empfängers sozialer Hilfe gegen einen Dritten, die der Deckung jenes Bedarfes dienen, der die Leistung sozialer Hilfe erforderlich gemacht hat, gehen für den Zeitraum, in dem soziale Hilfe geleistet wurde, bis zur Höhe der aufgewendeten Kosten auf den Träger sozialer Hilfe über, sobald dieser dem Dritten hievon schriftlich Anzeige erstattet hat. ...

(2) Abs. 1 gilt auch für Schadenersatzansprüche, die dem Empfänger sozialer Hilfe auf Grund eines Unfalls oder eines sonstigen Ereignisses zustehen, soweit es sich dabei nicht um Schmerzensgeld handelt.

...

§ 52

Geltendmachung von Ansprüchen

(1) Ansprüche gemäß §§ 45 bis 49 dürfen nicht geltend gemacht werden, wenn dadurch die wirtschaftliche Existenz der leistungspflichtigen Person und der ihr gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen sowie der Lebensgefährtin oder des Lebensgefährten bzw. der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners gefährdet wird. Die Landesregierung kann nach Maßgabe der Aufgaben und Ziele dieses Landesgesetzes durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz erlassen.

(2) Der Träger sozialer Hilfe, der Hilfe geleistet hat, kann über den Kostenersatz - sofern sein Anspruch nicht ohnehin anerkannt wird - einen Vergleichsversuch mit der oder dem Ersatzpflichtigen vornehmen. Einem Vergleich über den Kostenersatz kommt, wenn er von der Behörde beurkundet wird, die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs (§ 1 Z 15 Exekutionsordnung) zu.

(3) Wird ein Vergleichsversuch nicht unternommen oder kommt ein Vergleich im Sinn des Abs. 2 nicht zustande, ist auf Antrag des Trägers sozialer Hilfe über den Kostenersatz von der Behörde mit schriftlichem Bescheid abzusprechen.

..."

2. Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der gegenüber den mitbeteiligten Parteien - behauptetermaßen - bestehende Anspruch der Sozialhilfeempfängerin (auf die Erträge aus Mietentgelten) sei gemäß § 49 Abs. 1 Oö SHG auf den Sozialhilfeträger übergegangen und von diesem im Zivilrechtsweg geltend zu machen; der Verwaltungsbehörde (BH) komme keine Entscheidungskompetenz zu.

Die Amtsbeschwerde bringt dagegen zusammengefasst vor, die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit ergebe sich aus § 52 Abs. 3 Oö SHG, was auch aus den Gesetzesmaterialien hervorleuchte.

3. Die Amtsbeschwerde ist - im Ergebnis - begründet.

Gemäß § 49 Abs. 1 Oö SHG gehen vertraglich oder gerichtlich festgesetzte Ansprüche des Sozialhilfeempfängers gegen einen Dritten auf den Träger sozialer Hilfe über, sobald dieser dem Dritten hievon schriftlich Anzeige erstattet hat. Voraussetzung für den Eintritt der in § 49 Abs. 1 normierten Legalzession (vgl. das zum Nö SHG ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/08/0071) ist demnach eine diesbezügliche, an den Dritten gerichtete, schriftliche Anzeige durch den Träger sozialer Hilfe.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid hat die "belangte Behörde" (gemeint: die BH) mit schriftlicher Anzeige vom die vertraglichen Ansprüche der Sozialhilfeempfängerin "geltend gemacht".

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat dieses Schreiben auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr (Erstmitbeteiligter)!

Aufgrund der von Ihnen gemachten Angaben wird die

Liegenschaft ... ohne Einverständnis von (der

Sozialhilfeempfängerin) seit vermietet. ... Demnach

sind Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung als Einkünfte der (Sozialhilfeempfängerin) zu betrachten, welche zu 80% der Sozialhilfeverband Grieskirchen zur teilweisen Deckung der Heim- und Pflegeentgelte einzuheben hat.

Sollten Sie bereit sein, einen Vergleich anzustreben, ersuchen wir Sie, mit uns einen Termin zu vereinbaren, um die Angelegenheit nochmals ausführlich zu besprechen. Andernfalls hat die Behörde keine andere Möglichkeit, als dass ein Kostenersatzverfahren gegen Sie einzuleiten ist, welches sich auf die gesetzliche Grundlage des Sozialhilfegesetzes 1998 zu stützen hat. ..."

Das Schreiben weist in seinem Kopf die Aufschrift "Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen" sowie am Ende die Fertigungsklausel "Für den Bezirkshauptmann:" auf.

Dieses Schreiben ist sohin infolge der Textierung der Kopfzeile und der Fertigungsklausel zweifelsfrei der BH (als erstinstanzlicher Behörde) zuzurechnen.

Es ist im Übrigen seinem Inhalt nach nicht auf die Anzeige eines Übergangs von Rechtsansprüchen auf den Sozialhilfeträger im Sinne des § 49 Abs. 1 Oö SHG gerichtet, sondern bezweckte offenkundig, die erstmitbeteiligte Partei auf die Möglichkeit der vergleichsweisen Regelung mit dem Sozialhilfeträger im Sinne des § 52 Abs. 2 Oö SHG bzw. - für den Fall, dass ein derartiger Vergleich nicht zustande käme - auf das zu gewärtigende Kostenersatzverfahren gemäß Abs. 3 leg. cit. hinzuweisen.

Die in § 49 Abs. 1 Oö SHG vorgesehene, den Anspruchsübergang bewirkende, schriftliche Anzeige durch den Sozialhilfeträger liegt sohin (in Ansehung des Schreibens der BH vom ) nicht vor. Dass der Sozialhilfeträger zu einem sonstigen Zeitpunkt den Forderungsübergang schriftlich angezeigt hätte, ist weder den Feststellungen im angefochtenen Bescheid noch den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen.

Ein Übergang von Rechtsansprüchen im Sinne des § 49 Abs. 1 Oö SHG auf den Sozialhilfeträger hat daher im vorliegenden Beschwerdefall mangels Vorliegens einer diesbezüglichen schriftlichen Anzeige nicht stattgefunden.

Davon ausgehend kommt im Beschwerdefall eine Gerichtszuständigkeit von vornherein nicht in Betracht.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Wien, am