VwGH vom 17.03.2011, 2011/03/0025
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Ing. P W in W, vertreten durch MMag. Michael Sommer, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Völkermarkter Ring 1, gegen den Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom , Zl 611.953/0004- BKS/2006, betreffend Verletzung des ORF-Gesetzes (weitere Partei:
Bundeskanzler; mitbeteiligte Partei: Österreichischer Rundfunk, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers vom wegen Verletzung des ORF-Gesetzes (ORF-G) seitens der mitbeteiligten Partei ("insbesondere in den Bestimmungen der §§ 1 Abs 3, § 4 Abs 4 und Abs 5 Ziff 1 und Ziff 3, § 10 Abs 1, 5, 6, und 7") durch Ausstrahlung des Beitrags "Ws Problem - Die Fotos vom Opfer" in der Sendung "Report" vom , ORF 2, 21.05 Uhr, ab.
Ihrer Entscheidung legte sie folgenden - unstrittigen - Sachverhalt zugrunde:
Am sendete die mitbeteiligte Partei in der Sendung "Report" im Programm ORF 2 einen Beitrag mit dem Titel "Ws Problem - Die Fotos vom Opfer", der folgenden Wortlaut aufwies:
"Nach einem Machtwort von J H war es klar: Die sieben BZÖ-Abgeordneten wählten heute Nachmittag P W zum Chef des orangen Parlamentsklubs. Trotz seiner umstrittenen Wahlkampflinie und seiner behaupteten - indirekten - Verwicklung in eine Prügelaffäre am Wahlabend. Noch hat der Staatsanwalt nicht über eine Anklage gegen Ws Begleiter entschieden. Der Anwalt des Opfers zeigt erstmals Fotos der Verletzungen und rechnet mit einem Prozess. M P und E K berichten:
Kehraus vor dem Neubeginn. Während sich P W zum neuen Klubobmann wählen lässt, heißt es für andere Abschied nehmen. Denn der neue orange Klub bietet lediglich sieben Abgeordneten einen Arbeitsplatz. M M war eineinhalb Jahre lang Mitglied des freiheitlichen Parlamentsklubs - jetzt geht sie zurück nach K.
Frage Reporter 'Sie kommen zum Ausräumen?'
Antwort M M: 'Ja, ich komm zum Ausräumen.'
Frage Reporter: 'Was ist das für ein Gefühl, dass es vorbei
ist?'
Antwort M M: 'Ich bin Bürgermeisterin in der Gemeinde S., das ist ein gutes Gefühl, dort wieder Zeit zu haben. Danke.'
Die heutige Kür des neuen Klubobmannes war nur mehr ein Formalakt. Alle Personaldiskussionen sind im Vorfeld im Keime erstickt worden. Dem Vernehmen nach hätten vor allem die im Klub dominierenden Kärntner einen von Ihnen als Klubchef gewollt. Zudem wirft auch die so genannte Prügelaffäre ein schiefes Licht auf Parteichef P W. All das war heute offiziell kein Thema mehr.
Einigkeit lautet die orange Sprachregelung:
J B, Nationalratsabgeordneter, BZÖ: 'Das ist alles klar, es besteht überhaupt kein Anlass zu irgendeiner Sorge. Der P W ist ein hervorragender Mann zu dem wir stehen.'
Frage Reporter: 'Also der Klubobmann wird Ihnen nicht
abhanden kommen?'
Antwort J B: 'Nein, mit Sicherheit nicht.'
Die Marschrichtung des Parlamentsklubs in Wien wird hier in Kärnten vorgegeben. Ohne J H wäre das BZÖ bundespolitisch bereits Geschichte. Vier Abgeordnete entsendet er ins Parlament nach Wien - mehr als die Hälfte des gesamten Klubs. J H möchte im Spiel bleiben, doch alle Avancen in Richtung schwarz-blau-orange hat die FPÖ zurückgewiesen. Ein Hindernis dabei wäre auch der bei den Blauen verhasste P W. Dem stärkt H den Rücken, macht aber auch deutlich, wem der Wiener seine Position zu verdanken hat.
J H, Landeshauptmann Kärnten, BZÖ: 'Die Kärntner haben fünfzig Prozent der Stimmen beigetragen. Normalerweise könnten die Kärntner sagen, wir stellen den Klubobmann.'
Frage Reporter: 'Warum sagen Sie das nicht?'
Antwort J H: 'Naja, weil wir eine österreichweite Organisation aufbauen wollen. Und weil wir einen Spitzenkandidaten haben, der das in der Wahlbewegung auch sehr gut gemacht hat und der auch das Zeug hat, dass er österreichweit das BZÖ aufbaut.'
Die Zukunftshoffnung der Orangen will jetzt durchstarten:
Oppositionspolitik pur, festhalten am harten Ausländerkurs und als parlamentarischen Einstand die Forderung nach einem BAWAG-Untersuchungsausschuss. Aufklärungswürdig auch die Rolle einer ehemaligen Parteifreundin.
P W: 'Das muss man klären, das eignet sich sehr, sehr gut zu klären in einem solchen Untersuchungsausschuss, wo auch Verantwortliche des Justizministeriums dann zur Verfügung stehen sollten. In dem Fall die Ressortchefin, weil wir schon genau wissen wollen, was da so gelaufen ist.'
Im Visier der Justiz ist aber auch W selbst. Gegen ihn liegen Anzeigen wegen Beteiligung an einer Körperverletzung und Nötigung vor. Bei einer Feier zum Ausklang der Wahlnacht soll Ws Leibwächter den Pressesprecher der Justizministerin, C P aus einem Lokal geprügelt haben.
Ps Anwalt schildert den Vorfall und zeigt uns erstmals Fotos von den Verletzungen.
R M, Rechtsanwalt: 'Also nach meinem Informationsstand fanden vorher aggressive Diskussionen, Beschimpfungen statt. Dann wurde aufgrund einer Aufforderung von Herrn W ein - ob er Leibwächter ist - eine Person tätlich gegen meinen Mandanten. Er wurde vom Barhocker runter, wurde dann am Boden hinaus geschliffen, im Windfang dann dort getreten, hat Verletzungen davongetragen. Also wenn ich mir diese Fotos ansehe kann ich nur sagen, es handelt sich hier um großflächige Einwirkungen stumpfer Gewalt. Lasst sich völlig zwangslos - wird jeder Gerichtsmediziner sagen - mit dem Hergang wie es mein Mandant gesagt hat, in Einklang bringen.'
Die Anzeigen gegen P W und dessen Bodyguard hat C P einen Tag später - am Dienstag - erstattet. An diesem Tag lässt er sich auch im AKH untersuchen, im Befund des Arztbriefes werden Schmerzen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie Hämatome am linken Unterarm aufgelistet. Die Wahlfeier der Orangen hat mit einem ausgelassenen Fest begonnen. Den Einzug ins Parlament entgegen allen Prognosen doch noch geschafft, die Jobs von P W und einigen anderen gesichert. Das sorgt für Stimmung. Bei der BZÖ-Wahlfeier ist man unter Freunden. Trotzdem gilt es den Parteichef bestens zu behüten. Ein harmloser Scherz ist Grund zum Eingreifen für die beiden stets präsenten Bodyguards (Anmerkung: gezeigt wird ein Besucher der Wahlfeier, der versucht, P W einen Hut aufzusetzen. W wehrt ab und ein hinter ihm stehender Helfer hält den Arm des Besuchers anschließend fest). Es soll ja ein netter Abend werden. P W (zum Publikum): 'Jetzt werden wir locker. Ah...jetzt werden wir miteinander was trinken, ordentlich, und feiern und lange, lange, lange diesen Abend noch ausklingen lassen. Weil es soll ein unvergesslicher Abend sein und werden. Noch einmal vielen Dank, auf geht's. Mut gewinnt!'
Zur nach-mitternächtlichen Stunde geht die Feier im kleinen Rahmen weiter - in einem Lokal, in dem bereits C P mit Freunden sitzt. Es folgt eine heftige Diskussion mit dem Pressesprecher der gerade vom BZÖ abgesprungenen Justizministerin. Und dann? Prügel für P oder alles nur Verleumdung?
R M, Rechtsanwalt: 'Das ist kein Fall den man einstellen kann. Wir haben ja Aussagen die so sagen, Aussagen die so sind.
Ein unabhängiger Richter wird sein Urteil fällen.'
Frage Reporter: 'Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass das
Verfahren eingestellt wird, ist Ihrer Ansicht nach gleich null?'
Antwort R M: 'Na die ist gleich null meiner Meinung nach.'
Ob die Staatsanwaltschaft gegen W und seinen Leibwächter S K
Anklage erheben wird, soll demnächst entschieden werden. P W bleibt gelassen. Schließlich sei ja nichts passiert.
P W: 'Der Parteiobmann kommt nicht abhanden. Es war kein Thema, es ist kein Thema, es wird auch kein Thema sein. Weil wo nichts ist, war nichts.'
Und Bodyguard S.K., der eine Security-Firma in Deutschland besitzt, wartet inzwischen hinter verdunkelten Scheiben auf seinen Chef (Anmerkung: gezeigt wird ein Fahrzeug mit verdunkelten Scheiben, in das P W einsteigen möchte).
Frage Reporter: 'Herr W ...'
Antwort P W: 'Es bringt nichts.'
Frage Reporter: '...bleibt der Herr K jetzt eigentlich ihr
Leibwächter?'
Antwort P W: 'Der ist nicht mein Leibwächter.'
Frage Reporter: 'Sondern?'
P W: 'Der ist Mitarbeiter, Assistent.'
Frage Reporter: 'Aber das bleibt er?'
Antwort P W: 'Selbstverständlich. Voll und ganz.' " Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass die
mitbeteiligte Partei durch Ausstrahlung dieses Beitrags insbesondere das Objektivitätsgebot nicht verletzt habe. Entscheidend sei - zusammengefasst - der Eindruck, den die Sendung bei einem Durchschnittskonsumenten erweckt habe. Ausgehend davon sei den Vorwürfen des Beschwerdeführers Folgendes entgegen zu halten:
Mit seinem Vorbringen, dass sein Abbild mit einem angeblich negativ identifizierenden Begleitsatz gezeigt worden sei, isoliere der Beschwerdeführer einen einzigen Satz der Reportage und vernachlässige dabei auch, dass schon wenige Sekunden später die Aussage des Nationalratsabgeordneten B wiedergegeben werde, wonach im Hinblick auf den Beschwerdeführer kein Anlass zu irgendeiner Sorge bestehe.
Soweit der Beschwerdeführer mehrfach darlege, dass der ORF nicht hinreichend auf die Unschuldsvermutung hingewiesen habe und auch rüge, dass die Gesamtaufmachung des Beitrags einseitig gewesen sei, sei folgendes festzuhalten: Schon die Eingangsmoderation (in der ausdrücklich von einer behaupteten indirekten Verwicklung die Rede sei und auch erklärt werde, dass der Staatsanwalt noch nicht über eine Anklage entschieden habe) sowie die Formulierungen im Beitrag ("Prügel für P oder alles nur Verleumdung?" bzw "Ob die Staatsanwaltschaft Anklage erheben will, soll demnächst entschieden werden. P W bleibt gelassen. Schließlich sei ja nichts passiert") ließen für den Durchschnittsbetrachter eindeutig erkennen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Ausstrahlung des Berichts keine belegbaren Anhaltspunkte für eine Beteiligung des Beschwerdeführers vorlägen. Der Einschätzung des Beschwerdeführers, dass er durch den Beitrag als "überführt hingestellt" würde, könne sich die belangte Behörde nicht anschließen.
Hinzu komme auch, dass der Beschwerdeführer selbst die Gelegenheit erhalten habe, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, indem seine klare und prägnante Antwort auf die Frage eines der Beitragsgestalter wiedergegeben worden sei. Es treffe daher auch nicht zu, dass der Beschwerdeführer nicht mit den Vorwürfen über seine angebliche Beteiligung konfrontiert worden wäre.
Nach Auffassung der belangten Behörde sei es im Lichte des Objektivitätsgebotes ferner unproblematisch, dass der Beschwerdeführer als "im Visier der Justiz" befindlich bezeichnet worden sei: Diese Formulierung beinhaltet keinerlei Wertung, sondern gebe eine zum Zeitpunkt des Berichts zutreffende Tatsache wieder, dass nämlich hinsichtlich der erhobenen Vorwürfe ermittelt bzw der Sachverhalt rechtlich geprüft werde.
Die belangte Behörde könne sich auch nicht der Auffassung anschließen, dass der Beitrag den Eindruck erwecke, es lägen objektive Beweisergebnisse vor, während der Beschwerdeführer hiezu nichts zu sagen habe. Diesen Eindruck dürfte der Beschwerdeführer allein aus der Bildabfolge (close-up Arztbericht über die Verletzungen von P und nachfolgend Bild des Beschwerdeführers beim Feiern) herleiten, was aber nach Auffassung der belangten Behörde eine zu engherzige Betrachtung einer einzelnen Bildsequenz darstelle. Den durch den Arztbericht bestätigten Aussagen des Anwalts des Opfers über das Ausmaß der Verletzungen stehe nämlich unmissverständlich der Originalton des Beschwerdeführers im Rahmen der Pressekonferenz gegenüber, was gemeinsam mit dem Hinweis im Moderationstext dazu beitrage, dass der Durchschnittsbetrachter die Sichtweisen beider Seiten gleichermaßen wahrnehme. Unabhängig davon weise auch der im Bericht zu Wort kommende Anwalt explizit auf widersprüchliche Aussagen hin, ohne dabei die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Frage zu stellen. Dass somit Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer prominent im Vordergrund des Berichts stünden, während der Sichtweise des Beschwerdeführers zu wenig Raum geboten worden wäre, sei für die belangte Behörde nicht ersichtlich.
Worin sich der Beschwerdeführer konkret durch die Aussage, dass ein harmloser Scherz Grund zum Eingreifen für die Bodyguards gewesen wäre, beschwert erachte, führe er nicht näher aus, sondern er bringe vor, dass "es einen solchen (…) oder eine sonstige direkte oder indirekte Aufforderung des Beschwerdeführers an seine Mitarbeiter gar nicht gegeben hatte." Wie im Beitrag zu erkennen sei, greife eine am Bildrand gezeigte Person dem "Scherzenden" (gemeint ist die Person, die versucht, dem Beschwerdeführer einen Hut aufzusetzen) an die Hand, um diesen von seinem Scherz abzubringen. Der Scherz sei für den Betrachter eindeutig erkennbar, ebenso das Einschreiten des "Leibwächters".
Auch die Auffassung, dass sich die Beschwerdegegnerin nicht ausreichend von den Äußerungen des Rechtsanwaltes distanziert, sondern sich vielmehr mit diesen identifiziert habe, könne die belangte Behörde nicht teilen. Der Rechtsvertreter des Opfers der Prügelei sei im Beitrag mehrfach ausdrücklich als "Anwalt Ps" dokumentiert worden, sodass ein Durchschnittsbetrachter im Zusammenhalt mit den Ausführungen des Anwalts im Originalton auch annehmen könne und werde, dass dieser den Standpunkt seiner Mandantschaft wiedergebe. Einer weiteren ausdrücklichen Distanzierung durch den ORF bedürfe es daher ebenso wenig wie es im gegebenen Zusammenhang erforderlich gewesen wäre, den Aussagen des Anwalts "objektive Expertenmeinungen von Ärzten oder Juristen der Staatsanwaltschaft" gegenüber zu stellen. Woraus der Beschwerdeführer schließe, dass sich der ORF mit den Aussagen durch die begleitende Bildabfolge identifiziert habe, sei für die belangte Behörde nicht ersichtlich, da die den Originalton begleitende Bildabfolge in der Darstellung des Anwalts selbst und den von diesem vorgelegten Fotos über die Verletzungen seines Mandanten bestehe. Die offenbar vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung, dass schon die bloße Wiedergabe der Aussagen des Rechtsvertreters eine Identifikation mit diesen Aussagen bedeute, würde jegliche Wiedergabe von Aussagen und Meinungen in Zukunft verunmöglichen. Die belangte Behörde könne somit bei keiner Formulierung des Beitrags eine hervorstechende und den Gesamtzusammenhang in den Hintergrund drängende Wirkung erkennen, die dazu führen würde, dass beim Durchschnittsbetrachter unweigerlich ein verzerrter Eindruck des behandelten Themas entstehe, mögen auch manche Passagen (etwa der Aufmacher des Beitrags) durchaus plakativ formuliert sein. Die belangte Behörde könne keine Verletzung des die Verpflichtung zur Sachlichkeit einschließenden Objektivitätsgebots erkennen. Es liege auch keine Verletzung des § 10 Abs 7 ORF-G vor. Soweit der Beschwerdeführer noch den in § 4 Abs 4 ORF-G angesprochenen Grundsatz der hohen Qualität anführe, lege er nicht näher dar, wodurch er diese Bestimmung als verletzt erachte. Wenn der Beschwerdeführer die Auffassung vertreten sollte, dass mit einer Verletzung des Objektivitätsgebotes automatisch auch ein Verstoß gegen § 4 Abs 4 ORF-G verwirklicht würde, so sei auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen, wonach eben nicht von einer Verletzung auszugehen sei. Dem Abs 4 komme allerdings gemeinsam mit anderen Regelungen des § 4 insofern Bedeutung zu, als es sich auch dabei um "programmatische Leitlinien" handle, für deren Beurteilung nach Auffassung der belangten Behörde keine anderen Kriterien gelten könnten als die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 16.911/2003 zu § 4 Abs 3 ORF-G entwickelten Grundsätze. Danach kommt dem ORF bei der Erfüllung der "Vielzahl von programmgestalterischen Zielen, die in einem differenzierten und ausgewogenen Gesamtprogramm der Sendungen des ORF ihren Ausdruck finden" ein "erheblicher Gestaltungsspielraum" zu und es sei von einer "auf einen längeren Zeitraum bezogenen Durchschnittsbetrachtung auszugehen". Die isolierte Betrachtung einer einzelnen Sendung werde diesem Erfordernis aber nicht gerecht. Eine Verletzung des bereits in § 1 Abs 3 angesprochenen und in den §§ 4 und 10 ORF-G weiter ausgeprägten Objektivitätsgebotes sei sohin nicht zu ersehen. Ebenso wenig sei im Sinne des oben Gesagten mit dem verfahrensgegenständlichen Beitrag ein Verstoß gegen die Menschenwürde oder die Grundrechte des Beschwerdeführers im Sinne von § 10 Abs 1 ORF-G verbunden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten unter Verzicht auf eine Gegenschrift vor.
Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde macht geltend, der Zuseher sei im vorliegenden Fall durch den negativen Beitragstitel ("Ws Problem - Die Fotos vom Opfer") gerade zu jenem Sendungsteil hingeführt worden, in dem die "Fotos vom Opfer" gezeigt würden. Die Verletzung des ORF-G sei im gegenständlichen Fall in erster Linie anhand des Beitragstitels und des darauf konkret bezogenen Teils des Beitrags erfolgt. Gerade aber in diesem Teil sei der Rechtsvertreter des behaupteten Opfers ausführlich zu Lasten des Beschwerdeführers zu Wort gekommen. Er habe den angeblichen Vorfall im Indikativ erzählt. Die Rechtsprechung sehe den Tatbestand des § 7b Abs 1 MedienG regelmäßig als erfüllt an, wenn die angebliche Tat unter Bezugnahme auf den Betroffenen im Indikativ geschildert werde. Die mitbeteiligte Partei habe sich daher durch subjektiv gefärbte Auswahl des Sendungstitels, der sich massiv gegen den Beschwerdeführer richte, mit den bezogenen Aussagen des Vertreters des behaupteten Opfers identifiziert: Der Beitragstitel beziehe sich genau auf die Ausführungen des Vertreters des behaupteten Opfers, der die "belastenden Fotos" von den Verletzungen Ps in Begleitung zu seinem negativen Kommentar zeige. Beides sei in der Sendung "bildschirmfüllend" wiedergegeben worden.
2. Dem ist Folgendes zu erwidern:
2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Auslegung der Rechtsvorschriften, die nach dem Standpunkt des Beschwerdeführers durch die gegenständliche Sendung der mitbeteiligten Partei verletzt worden sein sollen, bereits mehrfach Stellung genommen. Es reicht daher, gemäß § 43 Abs 2 VwGG auf die diesbezüglichen Vorentscheidungen zu verweisen (vgl zum Objektivitätsgebot, insbesondere zur Sachlichkeit und zum Erfordernis einer Gesamtbetrachtung der Sendung, das hg Erkenntnis vom , Zl 2010/03/0009, mit weiteren Nachweisen; zur Frage der Distanzierung etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2004/04/0074, mit weiteren Nachweisen).
2.2. Der Beschwerdeführer entfernt sich von der in der hg Rechtsprechung geforderten und von der belangten Behörde zutreffend vorgenommenen Gesamtbetrachtung der Sendung, wenn er - im Ergebnis - allein den Beitragstitel und die Äußerungen des Rechtsvertreters des Verletzten (im Zusammenhalt mit den gezeigten Fotos von diesen Verletzungen) dafür heranziehen möchte, eine Verletzung des Objektivitätsgebotes unter Beweis zu stellen.
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer zwar zugestanden, dass der Beitragstitel "plakativ" gewählt worden sei. Es mag auch zutreffen, dass die Zuseher durch diesen Titel insbesondere auf jene Teile des Beitrags neugierig gemacht werden sollten, die sich mit den "Fotos vom Opfer" der sogenannten "Prügelaffäre" beschäftigten. Dass dadurch aber eine Identifizierung der mitbeteiligten Partei ORF mit den vom Rechtsvertreter des Verletzten erhobenen Vorwürfen insbesondere auch gegen den Beschwerdeführer stattgefunden habe, vermag die Beschwerde nicht nachvollziehbar darzulegen. Zu Recht weist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf hin, dass die Anschuldigungen gegen den Beschwerdeführer für den Betrachter erkennbar vom Rechtsvertreter des Verletzten (nicht aber von einer der mitbeteiligten Partei zurechenbaren Person) erhoben wurden. Dass er dabei eine Formulierung im Indikativ wählte, spielt für die Beurteilung des gegenständlichen Falles keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die mitbeteiligte Partei durch die Gestaltung des Beitrages in seiner Gesamtheit ausreichend von diesen Vorwürfen distanziert hat, indem sie sogar die Möglichkeit einer Verleumdung in den Raum stellte ("Prügel für P oder alles nur Verleumdung?") und klar machte, dass die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Anschuldigung von der Justiz noch nicht abschließend geprüft worden sei ("Ob die Staatsanwaltschaft Anklage erheben will, soll demnächst entschieden werden").
Ausgehend davon war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
DAAAE-83211