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VwGH vom 18.03.2015, 2013/10/0137

VwGH vom 18.03.2015, 2013/10/0137

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der H T in Wien, vertreten durch Fux Neulinger Mitrofanova Rechtsanwälte OG in 1020 Wien, Taborstraße 11b, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen vom (o. Zl.) betreffend Beschlagnahme und Auftrag zur Vernichtung von Arzneimitteln, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit die Vernichtung der beschlagnahmten Arzneimittel angeordnet wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen Umfang (Anordnung der Beschlagnahme) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen gegenüber der Beschwerdeführerin die Beschlagnahme der durch die Kriminalpolizei sichergestellten 410 Ampullen der Arzneispezialität "Ukrain" verfügt und der Beschwerdeführerin aufgetragen, die beschlagnahmten Ampullen binnen vier Wochen unter Aufsicht eines Organs der belangten Behörde der Vernichtung zuzuführen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die gegenständlichen 410 Ampullen - darunter 180, die umetikettiert worden seien, um sie unter dem Namen "Schölldonum" in Verkehr zu bringen - seien bei einer kriminalpolizeilichen Hausdurchsuchung auf Grund des Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betruges an den Wohnsitzen der Beschwerdeführerin beschlagnahmt und anschließend in den Räumlichkeiten der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit eingelagert worden.

In weiterer Folge sei der belangten Behörde mit Schreiben der Staatsanwaltschaft vom mitgeteilt worden, dass die Sicherstellung der beschlagnahmten Arzneimittel-Bestände aufgehoben werde.

Die belangte Behörde habe diesen Sachverhalt einer arzneimittelrechtlichen Überprüfung unterzogen. Da es sich bei "Ukrain" zweifellos um eine zulassungspflichtige Arzneispezialität im Sinn von § 1 Abs. 5 Arzneimittelgesetz (AMG) handle, dürfe diese grundsätzlich nur unter Einhaltung der Zulassungsbestimmungen des AMG abgegeben bzw. für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden. Anträge auf Zulassung der Arzneispezialität "Ukrain" seien jedoch sowohl vom Bundesministerium für Gesundheit als auch von der Europäischen Kommission abgelehnt worden.

Gemäß § 63 AMG bedürfe das Herstellen (worunter gemäß § 2 Abs. 10 leg. cit. auch das Umetikettieren falle), das Inverkehrbringen und die Kontrolle von Arzneimitteln einer Bewilligung der belangten Behörde.

Anzumerken sei, dass auch der eigentliche Hersteller der Ampullen, die Firma N., über keine arzneimittelrechtliche Bewilligung zur Herstellung und Inverkehrbringung von Arzneimitteln im Sinne des § 63 AMG verfüge. Vielmehr sei der Firma N. mit Bescheid der belangten Behörde vom die Herstellung und Inverkehrbringung von Arzneimitteln untersagt worden und sei die dagegen eingebrachte Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof abgewiesen worden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0217). Die Herstellung erfolge somit rechtswidrig.

Soweit sich die Beschwerdeführerin im Rahmen des ihr eingeräumten Parteiengehörs darauf berufen habe, die umetikettierten Ampullen seien ihr bereits so übergeben worden, sei dies angesichts der Tatsache, dass bei der Hausdurchsuchung

7.538 Stück Verpackungsmaterial gefunden worden seien, unglaubwürdig. Aufgrund des Umstandes, dass von der Beschwerdeführerin ursprünglich 10.000 Stück Verpackungsmaterial bestellt worden seien, bestehe der Verdacht, dass der Fehlbestand zwischen bestelltem und vorgefundenem Material bereits zur Inverkehrbringung von als "Schölldonum" gekennzeichneten Ampullen der Arzneispezialität "Ukrain" verwendet worden sei.

Die Behauptung der Beschwerdeführerin, bei den umetikettierten Ampullen handle es sich lediglich um Proben, um zu sehen, wie die Etiketten wirkten, erscheine angesichts der Menge des bestellten Verpackungsmaterials geradezu absurd.

Der Einwand der Beschwerdeführerin, sie benötige die gegenständlichen Ampullen zur Eigentherapie ihres Immunsystems, erscheine wenig glaubhaft.

Aus Sicht der belangten Behörde stehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die beschlagnahmten Ampullen der Arzneispezialität "Ukrain", sollten diese an die Beschwerdeführerin ausgefolgt werden, an Dritte abgegeben würden.

Da der begründete Verdacht bestehe, dass der Fehlbestand zwischen bestelltem und vorgefundenem Verpackungsmaterial bereits zur Inverkehrbringung von als "Schölldonum" gekennzeichneten Ampullen der Arzneispezialität "Ukrain" verwendet worden sei, ergebe sich für die belangte Behörde der logische Schluss, dass die gegenständlichen Ampullen zur Abgabe bereit gehalten worden seien.

Gemäß § 77 AMG sei die belangte Behörde verpflichtet, Maßnahmen zur Hinderung oder Beschränkung der Inverkehrbringung zu verfügen, wenn sie davon Kenntnis erlange, dass ein Arzneimittel dem AMG oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung oder einem Verwaltungsakt nicht entspreche.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass im vorliegenden Fall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden sind.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes - AMG, BGBl. Nr. 185/1983 idF BGBl. I Nr. 48/2013, haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

" § 2. ...

...

(10) 'Herstellen' ist das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich des Abfüllens und das Abpacken von Arzneimitteln oder Wirkstoffen sowie das Kennzeichnen von Arzneispezialitäten und Prüfpräparaten.

(11) 'Inverkehrbringen' ist das Vorrätighalten, das Feilhalten oder die Abgabe von Arzneimitteln oder Wirkstoffen. Ein Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, dass ein Arzneimittel, das dem Gesetz nicht entspricht, nicht zum Verbraucher oder Anwender gelangt.

...

§ 4. (1) Es ist verboten, Arzneimittel herzustellen oder in Verkehr zu bringen, die in ihrer Qualität dem jeweiligen Stand der Wissenschaft nicht entsprechen.

...

Zulassung von Arzneispezialitäten

§ 7. (1) Arzneispezialitäten dürfen im Inland erst abgegeben oder im Inland für die Abgabe bereitgehalten werden, wenn sie vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zugelassen sind, ...

...

Bewilligung

§ 63. (1) In Betrieben im Sinne des § 62 Abs. 1 dürfen das Herstellen, das Inverkehrbringen und die Kontrolle von Arzneimitteln oder von Arzneimitteln und Wirkstoffen erst auf Grund einer Bewilligung des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen aufgenommen werden.

...

Überwachungs- und Schutzmaßnahmen

§ 77. Wird bei einer Kontrolle gemäß § 76 festgestellt oder erhält das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen sonst davon Kenntnis, dass ein Arzneimittel oder Wirkstoff diesem Bundesgesetz oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder sonstiger Verwaltungsakte nicht entspricht, hat das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen Maßnahmen zu verfügen, die das Inverkehrbringen hindern oder beschränken. Gegebenenfalls ist § 76b Abs. 10 anzuwenden."

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, über keine Bewilligung gemäß § 63 Abs. 1 AMG für die Herstellung und Inverkehrbringung von Arzneimitteln zu verfügen. Unstrittig ist weiters, dass es sich bei dem gegenständlichen Produkt "Ukrain" um eine zulassungspflichtige Arzneispezialität handelt, für die die erforderliche Zulassung nach dem AMG nicht vorliegt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/10/0217, vom , Zlen. 2012/10/0146 und 0147, sowie zuletzt vom , Zl. 2013/10/0103; vgl. weiters den hg. Beschluss vom , Zl. 2011/10/0137).

Vorweg ist festzuhalten, dass die Beschwerdeauffassung, wonach die belangte Behörde im vorliegenden Fall "erst nach einer Anordnung und schriftlichen Bestätigung durch die Staatsanwaltschaft (hätte) einschreiten dürfen", im Gesetz keine Grundlage findet. Die Behauptung der mangelnden (sachlichen) Zuständigkeit der belangten Behörde geht somit ins Leere.

Soweit die Beschwerde vorbringt, die Beschwerdeführerin sei weder Herstellerin noch Verfügungsberechtigte der gegenständlichen Ampullen, wird damit eine Rechtswidrigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid angeordneten Beschlagnahme nicht aufgezeigt, weil es auf die Herstellereigenschaft bzw. die Verfügungsberechtigung bei der Erlassung einer das Inverkehrbringen hindernden oder beschränkenden Maßnahme nach Maßgabe des § 77 AMG nicht ankommt.

Dem Beschwerdevorbringen, die gegenständlichen Ampullen seien für den Eigenverbrauch ("Eigentherapie zur Stärkung des Immunsystems" infolge eines Gebärmuttertumors) der Beschwerdeführerin und nicht zur Inverkehrbringung bestimmt gewesen, ist entgegen zu halten, dass die belangte Behörde ihre Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin die Absicht habe, die beschlagnahmten Ampullen im Fall der Ausfolgung in Verkehr zu bringen, auf die im angefochtenen Bescheid genannten Beweisergebnisse gestützt hat. Insbesondere hat sie darauf verwiesen, dass aufgrund der Anzahl von 410 sichergestellten Ampullen, der in 180 Fällen erfolgten "Umetikettierungen" sowie der Menge des vorgefundenen Verpackungsmaterials weder von einem Eigenbedarf (noch von einer lediglich "probeweise" erfolgten Umetikettierung) auszugehen sei, sondern vielmehr der begründete Verdacht bestehe, dass die gegenständlichen Ampullen zur Abgabe an Dritte bereit gehalten worden seien. Der von der Beschwerdeführerin behauptete Eigenbedarf wurde von dieser weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde durch geeignete (medizinische) Belege dargetan. Dieses Vorbringen vermag daher keine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen. Das Gleiche gilt für die bloße Beschwerdebehauptung, dass die Übergabe der (umetikettierten) Ampullen an die Beschwerdeführerin erst einen Tag vor der erwähnten Hausdurchsuchung am erfolgt sei und die Beschwerdeführerin daher gar nicht in der Lage gewesen wäre, "Schölldonum" in so kurzer Zeit in Verkehr zu bringen.

Das Beschwerdevorbringen, die gegenständlichen Ampullen sollten einem näher genannten Chemiker zum Zweck der Klärung erforderlicher "Adaptionen" in der Zusammensetzung des Präparats geschickt werden, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar.

Soweit die Beschwerde der belangten Behörde Verfahrensfehler vorwirft, gelingt es ihr nicht, deren Relevanz darzulegen.

Die Annahme der belangten Behörde, dass die beschlagnahmten Ampullen der Arzneispezialität "Ukrain" dem AMG nicht entsprechen und die Gefahr bestünde, dass diese Arzneispezialität durch die Beschwerdeführerin in Verkehr gebracht, also nach der Definition des § 2 Abs. 11 AMG vorrätig gehalten, feilgehalten oder abgegeben werde, ist demnach nicht zu beanstanden.

In einem solchen Fall hat die belangte Behörde gemäß § 77 AMG "Maßnahmen zu verfügen, die das Inverkehrbringen hindern oder beschränken". Bei der mit dem angefochtenen Bescheid verfügten Beschlagnahme handelt es sich um eine solche die Inverkehrbringung hindernde Maßnahme (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).

Aus den genannten Gründen war die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Beschlagnahme der 410 Ampullen der Arzneispezialität "Ukrain" richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, zumal von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten ist und angesichts des Verfahrensgegenstandes auch Art. 6 EMRK nicht entgegen steht (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).

Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, dass die belangte Behörde zu Unrecht die Vernichtung der beschlagnahmten Arzneispezialität angeordnet habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im genannten Erkenntnis vom ausgesprochen, dass § 77 AMG keine Grundlage für die Erlassung eines Auftrages zur Vernichtung von Arzneimitteln, die nicht gemäß § 78 Abs. 3 AMG für verfallen erklärt wurden, bietet; auf die diesbezügliche Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 letzter Satz VwGG verwiesen.

Die belangte Behörde hat in Verkennung dieser Rechtslage die Vernichtung von nicht für verfallen erklärten Arzneimitteln angeordnet, weshalb der angefochtene Bescheid insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
TAAAE-83210