VwGH vom 27.01.2011, 2008/21/0429

VwGH vom 27.01.2011, 2008/21/0429

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der S, vertreten durch Dr. Joachim Schallaböck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stephansplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-FR-08-3026, betreffend § 67a Abs. 1 Z 2 AVG (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, nach ihren Angaben eine nepalesische Staatsangehörige, landete am von Tel Aviv kommend am Flughafen in Wien-Schwechat. Sie wurde gemäß § 12 Abs. 4 GrekoG einer Identitätsfeststellung unterzogen, in deren Rahmen sie einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. In der Folge wurde die Beschwerdeführerin dazu verhalten, sich zur Sicherung ihrer Zurückweisung im "Sondertransitbereich" des Flughafens aufzuhalten.

Nach (unbestritten fristgerecht eingeholter) Zustimmung des UNHCR wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz mit dem am selben Tag erlassenen Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen und ihr weder der Status der Asylberechtigten noch der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom , dem Vertreter der Beschwerdeführerin zugestellt am , ab. Der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Am erhob die Beschwerdeführerin an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich eine "Beschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG" mit dem Antrag, dieser "möge die Rechtswidrigkeit der Anhaltung im Sondertransit des Flughafens Wien-Schwechat ab , in eventu ab , 15:52 Uhr feststellen und meine Einreisegestattung anordnen".

Die Beschwerdeführerin machte im Wesentlichen geltend, die Sicherung der Zurückweisung könne gemäß § 32 Abs. 3 und 4 AsylG 2005 bis zum Ende des Berufungsverfahrens und solange dies nötig sei, jedenfalls nicht länger als sechs Wochen, aufrecht erhalten werden. Das "Asyl-Berufungsverfahren" sei mit Zustellung des "UBAS-Bescheides" am beendet und die Sicherung der Zurückweisung der Beschwerdeführerin "ab da" nicht mehr zulässig gewesen. Jedenfalls sei der Beschwerdeführerin mit Zustellung des erwähnten "VwGH-Beschlusses" über die aufschiebende Wirkung am die Stellung einer Asylwerberin mit faktischem Abschiebeschutz zugekommen, weshalb die Sicherung der Zurückweisung mangels Notwendigkeit nicht mehr zulässig gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und stellte weiters fest, dass die für die Fortsetzung der Maßnahme maßgeblichen Voraussetzungen "jedenfalls bis " vorlägen.

Das begründete die belangte Behörde unter Bezugnahme auf den im Bescheid wiedergegebenen Inhalt des § 32 AsylG 2005 damit, dass die Gestattung der Einreise, also das "in diesem Sinne aktive Tätigwerden" des Bundesasylamtes, elementare Voraussetzung für die Beendigung der "Konfinierung im Grenzkontrollbzw. Erstaufnahmebereich" sei. Da "bis dato" eine Einreisegestattung seitens des Bundesasylamtes nicht erfolgt sei, sei im Sinne des § 32 Abs. 4 AsylG 2005 die "Konfinierung" über die Dauer von insgesamt sechs Wochen zulässig. Nach Ablauf dieser Frist (ohne Ergehen einer "finalen" Entscheidung) werde zu prüfen sein, ob eine weitere Anhaltung in Schubhaft erfolgen müsse oder andere Sicherungsmittel in Betracht zu ziehen seien. Im Übrigen begründete die belangte Behörde noch, weshalb sie die Sicherung der Zurückweisung in der gegenständlichen Konstellation für verhältnismäßig erachtete.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

In der Beschwerde wird unter Wiederholung des wiedergegebenen Vorbringens in der Maßnahmenbeschwerde im Wesentlichen geltend gemacht , die Sicherung der Zurückweisung der Beschwerdeführerin sei ab ohne Rechtsgrundlage erfolgt.

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung des § 32 AsylG 2005 idF vor der am in Kraft getretenen Novellierung durch das Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, lautete:

"Sicherung der Zurückweisung

§ 32. (1) Ein Fremder, der einer Erstaufnahmestelle am Flughafen vorgeführt worden ist, kann, soweit und solange die Einreise nicht gestattet wird, dazu verhalten werden, sich zur Sicherung einer Zurückweisung an einem bestimmten Ort im Grenzkontrollbereich oder im Bereich dieser Erstaufnahmestelle aufzuhalten (Sicherung der Zurückweisung); er darf jederzeit ausreisen.

(2) Die beabsichtigte Entscheidung erster Instanz ist binnen einer Woche nach Vorführung dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge mitzuteilen. Wenn der Antrag wegen Unzuständigkeit Österreichs auf Grund der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz zurückzuweisen ist, sind binnen einer Woche die Konsultationen einzuleiten; dies ist dem Asylwerber mitzuteilen.

(3) Darüber hinaus kann die Sicherung der Zurückweisung aufrechterhalten werden

1. bis zum Ablauf des Tages, an dem die Zustimmung oder Ablehnung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) eingelangt ist;


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2.
bis zum Ende der Berufungsfrist oder
3.
für die Dauer des Berufungsverfahrens.

(4) Die Sicherung der Zurückweisung ist zu beenden, wenn das Bundesasylamt mitteilt, dass dem Asylwerber die Einreise zu gestatten ist. Die Sicherung der Zurückweisung darf nur so lange dies unbedingt nötig ist, jedenfalls nicht länger als sechs Wochen aufrechterhalten werden."

Dazu heißt es in der Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP 53) "Zu § 32:

Es wird klargestellt, dass Fremde, die einer Erstaufnahmestelle am Flughafen vorgeführt werden, zurückgewiesen werden können. Da diese Fremden durchaus jederzeit ausreisen können, handelt es sich bei der Zurückweisung um keine Anhaltung. Vielmehr dient die Zurückweisung der Fremdenpolizei und wird nur der Vollständigkeit und der leichteren Lesbarkeit halber im Asylgesetz normiert.

Die Abs. 2 und 3 stellen klar, dass die Sicherung der Zurückweisung bis zur rechtskräftigen Entscheidung erfolgen kann. Das Bundesasylamt hat seine Entscheidungsabsicht innerhalb einer Woche ab Vorführung in die Erstaufnahmestelle am Flughafen dem UNHCR zur Einholung der Zustimmung nach § 33 Abs. 2 vorzulegen, anschließend hat der Asylwerber - nach entsprechender Äußerung des UNHCR - eine Berufungsfrist von sieben Tagen. Die Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates hat binnen zwei Wochen zu ergehen. Bei der Zeitspanne, die UNHCR erfahrungsgemäß benötigt, handelt es sich um

wenige Tage. Dies ist durch das Abkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und dem UNHCR betreffend die Mitwirkung von UNHCR am Asylverfahren in denen der Antrag anlässlich der Grenzkontrolle nach Einreise über einen Flugplatz gestellt wurde (BGBl III Nr. 32/2003, vgl. Art. III, wonach UNHCR verpflichtet ist, grundsätzlich binnen 48 Stunden längstens jedoch innerhalb von 96 Stunden dem Bundesasylamt zu antworten) entsprechend gesichert.

Wenn die Einreise vom Bundesasylamt gestattet wird, ist die Sicherung der Zurückweisung selbstverständlich zu beenden. Darüber hinaus wird klargestellt, dass die Sicherung der Zurückweisung nur für den unbedingt notwendigen Zeitraum und jedenfalls nicht länger als sechs Wochen aufrechterhalten werden darf."

Entgegen der Meinung der belangten Behörde ist die Sicherung der Zurückweisung nicht nur dann zu beenden, wenn die Einreise vom Bundesasylamt gestattet wird oder wenn die Sicherungsmaßnahme nicht mehr unbedingt nötig ist oder wenn die Höchstfrist von sechs Wochen abgelaufen ist. Vielmehr ergibt sich aus § 32 Abs. 2 iVm 3 AsylG 2005, dass die Sicherung der Zurückweisung auch dann beendet werden muss, wenn die einwöchige Frist für die Einholung der Zustimmung des UNHCR bzw. zur Einleitung des Konsultationsverfahrens versäumt wurde (idS auch Feßl/Holzschuster , Kommentar zum AsylG 2005, 479;

Schrefler-König/Gruber , AsylR, Anm. 12 zu § 32;

Frank/Anerinhof/Filzwieser , AsylG 2005, K 3 zu § 32). Eine darüber hinausgehende Sicherung ist somit nur bei Einhaltung dieser Frist zulässig und kann - unter der weiteren Bedingung, dass keiner der im Abs. 4 normierten Gründe gegeben ist (Gestattung der Einreise, Wegfall der unbedingten Notwendigkeit, Ablauf der Sechs-Wochen-Frist) - nach der fallbezogen relevanten Z 3 des § 32 Abs. 3 AsylG 2005 nur bis zur Beendigung des Berufungsverfahrens aufrecht erhalten werden (vgl. Schrefler-König/Gruber , aaO, Anm. 13; Frank/Anerinhof/Filzwieser , aaO). Das kommt auch in den zitierten ErläutRV zum Ausdruck, wonach im Gesetz klargestellt worden sei, dass die Sicherung der Zurückweisung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz erfolgen könne. Danach ist die Zurückweisung unverzüglich vorzunehmen. Für eine über den genannten Zeitpunkt hinausgehende Sicherung der Zurückweisung bietet demnach § 32 AsylG 2005 - entgegen der Meinung der belangten Behörde, deren Auslegung für dessen Abs. 3 keinen Anwendungsbereich ließe - keine Grundlage.

Der angefochtene Bescheid beruht daher auf einer mit dem Gesetz nicht im Einklang stehenden Rechtsauffassung, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am