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VwGH vom 09.08.2016, 2013/10/0128

VwGH vom 09.08.2016, 2013/10/0128

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerden der

1. Steiermärkischen Landesregierung in 8010 Graz, Friedrichgasse 9, und 2. der K G in S, diese vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Hauptplatz 12/II, jeweils gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 47.21-33/2013-2, betreffend Kostenersatz für geleistete Sozialhilfe (§ 28a Stmk. SHG), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Mit Übergabsvertrag auf den Todesfall vom übergab L.G. mit ihrem Todestag an ihre Enkeltochter und nunmehrige Zweitbeschwerdeführerin die Liegenschaft EZ 17, Grundbuch R., mit dem Wohnhaus R.-Straße 49. Als einzige Gegenleistung für diese Übergabe räumte die Zweitbeschwerdeführerin "für sich und ihre Rechtsnachfolger" im künftigen Besitz des Übergabsobjektes dem damaligen Lebensgefährten der L.G., M.G., sofern dieser die Übergeberin überlebe, ab dem Zeitpunkt deren Todes das lebenslängliche, aber nur ihm allein zustehende unentgeltliche Wohnungsrecht in einer abgeschlossenen Wohneinheit im Haus R.-Straße 49 ein. L.G. gab einen Widerrufsverzicht ab. Zugunsten der Zweitbeschwerdeführerin wurde ein Belastungs- und Veräußerungsverbot vereinbart und verbüchert.

2 2. Mit Bescheid des Magistrates Graz vom wurde L.G. gemäß §§ 4, 7 und 9 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes (im Folgenden: Stmk. SHG) Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gewährt. Im Rahmen dieser Hilfe wurden gemäß § 13 Stmk. SHG ab die durch Ersatz und Beitragsleistung nicht gedeckten Kosten der Unterbringung in einer näher bezeichneten stationären Einrichtung übernommen.

3 3. Mit Notariatsakt vom wurde ein Nachtrag zum Übergabsvertrag auf den Todesfall vom erstellt. Darin erklärten die Vertragsparteien - L.G. und die Zweitbeschwerdeführerin -, der Wohnungsberechtigte M.G. sei am verstorben. Weiters erklärten sie, dass das verbücherte Belastungs- und Veräußerungsverbot hinsichtlich der vertragsgegenständlichen Liegenschaft zu Gunsten der Zweitbeschwerdeführerin "gegenstandslos und löschungsfähig" sei. Außerdem wurde Folgendes vereinbart:

"In Abänderung des Punktes ‚Erstens' des obgenannten Übergabsvertrages auf den Todesfall vom (...) übergibt und überlässt nunmehr (L.G.) mit sofortiger Wirkung an (die Zweitbeschwerdeführerin), und diese übernimmt mit sofortiger Wirkung in ihr Eigentum die der Übergeberin gehörige Liegenschaft Einlagezahl 17 Grundbuch (R.) (...) mit dem darauf befindlichen Wohnhaus (R.-Straße) 49 (...). Die Übergabe und Übernahme des Übergabsobjektes mit Last und Vorteil, Gefahr und Nutzen an die Übernehmerin ist mit Unterfertigung dieses Nachtrages als vollzogen anzusehen. (...)".

4 Die vom Sozialamt der Stadt G. übernommenen Kosten für die Unterbringung der L.G. im Zeitraum vom bis belaufen sich auf EUR 48.137,71. Der Verkehrswert der übergebenen Liegenschaft wurde in einem Gutachten mit EUR 937.280,-- festgestellt.

5 4. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom verpflichtete die belangte Behörde die Zweitbeschwerdeführerin, gemäß § 28a Stmk. SHG einen Aufwandersatz in der Höhe von EUR 48.137,71 für den Vorschreibungszeitraum von bis für die L.G. nach dem Stmk. SHG gewährten Leistungen zu leisten.

6 Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass aufgrund des Nachtrages zum Übergabsvertrag auf den Todesfall vom Vorliegen zweier unterschiedlicher Rechtsgeschäfte auszugehen sei, die unabhängig voneinander zu betrachten seien. Der Übergabsvertrag auf den Todesfall vom begründe im konkreten Fall keine Ersatzpflicht nach § 28a Stmk. SHG, jedoch sei dieser mit dem Nachtrag in eine unentgeltliche Schenkung umgewandelt worden. Gemäß § 28a Stmk. SHG entfalte eine Schenkung eine Aufwandersatzverpflichtung gegenüber den Sozialhilfeträgern. L.G. sei seit Bezieherin von Sozialhilfeleistungen und habe Vermögen in Form der gegenständlichen Liegenschaft während der Dauer dieser Hilfeleistungsansprüche und damit innerhalb der Frist des § 28a Stmk. SHG verschenkt. Der Wert der geschenkten Liegenschaft sei jedenfalls höher als das Fünffache des Richtsatzes für Alleinstehende und auch höher als die erbrachten Sozialhilfeleistungen, sodass die Zweitbeschwerdeführerin zur Leistung des Kostenersatzes zu verpflichten sei.

7 5. Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden.

8 Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerden beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen - Beschwerden erwogen:

9 1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

10 2. Die hier relevanten Bestimmungen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes - Stmk. SHG, LGBl. Nr. 29/1998 idF LGBl. Nr. 10/2012, lauten wie folgt:

" § 5

Einsatz der eigenen Mittel

(1) Hilfe ist nur so weit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf zu sichern.

(...)

§ 28a

Ersatz durch den Geschenknehmer

(1) Hat ein Hilfeempfänger innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Hilfeleistung, während oder drei Jahre nach der Hilfeleistung Vermögen verschenkt oder sonst ohne entsprechende Gegenleistung an andere Personen übertragen, so ist der Geschenknehmer (Erwerber) zum Kostenersatz verpflichtet, soweit der Wert des Vermögens das Fünffache des Richtsatzes für Alleinstehende übersteigt. Dies gilt auch für Schenkungen auf den Todesfall.

(2) Die Ersatzpflicht ist mit der Höhe des Geschenkwertes (Wert des ohne entsprechende Gegenleistung übernommenen Vermögens) zum Zeitpunkt der Schenkung, soweit das geschenkte oder erworbene Vermögen oder dessen Wert noch vorhanden ist, begrenzt."

11 Die hier relevante Bestimmung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches - ABGB lautet wie folgt:

" § 364c. Ein vertragsmäßiges oder letztwilliges Veräußerungs- oder Belastungsverbot hinsichtlich einer Sache oder eines dinglichen Rechtes verpflichtet nur den ersten Eigentümer, nicht aber seine Erben oder sonstigen Rechtsnachfolger. Gegen Dritte wirkt es dann, wenn es zwischen Ehegatten, eingetragenen Partnern, Eltern und Kindern, Wahl- oder Pflegekindern oder deren Ehegatten oder eingetragenen Partnern begründet und im öffentlichen Buche eingetragen wurde."

12 3. Sowohl die Erstbeschwerdeführerin (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/11/0370) als auch die Zweitbeschwerdeführerin bringen gegen den angefochtenen Bescheid vor, dass L.G. mit Abschluss des Nachtrages zum Übergabsvertrag auf den Todesfall kein verwertbares Vermögen verschenkt habe. Dabei stützen sie sich einerseits auf die obligatorische Wirkung des Übergabsvertrages vom und andererseits auf die dingliche Wirkung des aufgrund dessen zugunsten der Zweitbeschwerdeführerin verbücherten Belastungs- und Veräußerungsverbots. Durch den Nachtrag zum Übergabsvertrag auf den Todesfall habe die Geschenkgeberin die (vor Abschluss des Übergabsvertrages auf den Todesfall) gegebene freie Verfügungsmacht über das Geschenkobjekt nicht wiedererlangt, sodass sie zum Zeitpunkt der Errichtung des Nachtrages kein verwertbares Vermögen iSd § 28a iVm § 5 Abs. 1 Stmk. SHG verschenkt habe.

13 3.1. Unstrittig ist im vorliegenden Beschwerdefall, dass der Nachtrag zum Übergabsvertrag auf den Todesfall am , und damit "während der Hilfeleistung" (vgl. § 28a Abs. 1 erster Satz Stmk. SHG) abgeschlossen wurde. Zu klären ist allerdings, ob L.G. dadurch "Vermögen" iSd § 28a Abs. 1 Stmk. SHG an die Zweitbeschwerdeführerin verschenkt hat.

14 3.2. § 28a Stmk. SHG, welcher eine Kostenersatzpflicht des Geschenknehmers begründet, dient - wie vergleichbare Bestimmungen in Sozialhilfegesetzen anderer Länder - dem wesentlichen Zweck, Missbrauch vorzubeugen, der darin gelegen sein könnte, dass sich der Hilfsbedürftige, der noch vor Inanspruchnahme der Sozialhilfe sein Einkommen und sein verwertbares Vermögen einzusetzen hat (vgl. § 5 Abs. 1 Stmk. SHG), seines verwertbaren Vermögens begibt. Um dem gegenzusteuern, sieht der Gesetzgeber eine Kostenersatzpflicht des Geschenknehmers bis zur Höhe des Geschenkwertes (§ 28a Abs. 2 Stmk. SHG) vor.

15 Wie der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Rechtslage nach dem NÖ SHG 2000 festgestellt hat, ist Vermögen bei der Leistung von Hilfe zum Lebensbedarf nur insoweit zu berücksichtigen, als es verwertbar ist (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis zur Zl. 2001/11/0370).

16 Ein Veräußerungs- und Belastungsverbot gemäß § 364c ABGB ist grundsätzlich ein obligatorisches Rechtsverhältnis und verpflichtet zur Unterlassung einer Verfügung (durch Veräußerung und/oder Belastung) ( Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 364c Rz 1). Bei Liegenschaften erhält das Verbot, wenn es etwa - wie im vorliegenden Fall - zwischen Großeltern und Enkelkindern begründet ist, durch Verbücherung Wirkung gegen Dritte, sodass dem verbücherten Verbot widersprechende Eintragungen unzulässig sind. So hindert ein verbüchertes Verbot etwa auch die zwangsweise Pfandrechtsbegründung oder Zwangsversteigerung ( Spielbüchler in Rummel, ABGB3 § 364c Rz 5 ff).

17 Auch im Falle der Einräumung eines (verbücherten) Veräußerungs- und Belastungsverbotes verliert das davon betroffene Vermögen somit für den Vermögenseigentümer die Verwertbarkeit. Wird dieses Vermögen in der Folge - mit Zustimmung des aus dem Veräußerungs- und Belastungsverbot Berechtigten - verschenkt, so würde somit kein für den Geschenkgeber verwertbares Vermögen gemäß § 28a Stmk. SHG verschenkt.

18 Soll daher die Zielsetzung des Gesetzes nicht unterlaufen werden, muss in derartigen Fällen dann von einem einheitlichen Akt der Begebung verwertbaren Vermögens durch den Hilfebedürftigen (in zwei Schritten: Einräumung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes und Schenkung) ausgegangen werden, wenn sich dieser Akt zur Gänze innerhalb der maßgeblichen Fristen des § 28a Stmk. SHG ereignet; in diesem Fall wird somit die Kostenersatzpflicht des Geschenknehmers ungeachtet des Umstandes ausgelöst, dass im Zeitpunkt der Schenkung das Vermögen für den Geschenkgeber nicht mehr verwertbar war.

19 3.3. Im vorliegenden Fall begab sich L.G. allerdings durch den Abschluss des Übergabsvertrages auf den Todesfall am samt Widerrufsverzicht und Vereinbarung eines (in der Folge verbücherten) Belastungs- und Veräußerungsverbotes bereits zu diesem Zeitpunkt - somit vor Beginn der in § 28a Abs. 1 Stmk. SHG genannten Frist - ihrer rechtlichen Verfügungsmöglichkeit hinsichtlich der gegenständlichen Liegenschaft, sodass eine auf die Errichtung des Nachtrages zum Übergabsvertrag auf den Todesfall am gründende Ersatzpflicht nach § 28a Stmk. SHG nicht in Betracht kommt.

20 4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Zu der begehrten Umsatzsteuer für Schriftsatzaufwand ist darauf hinzuweisen, dass dieser als Pauschalbetrag die Umsatzsteuer bereits enthält. Das Mehrbegehren war daher abzuweisen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/11/0058).

Wien, am

Fundstelle(n):
ZAAAE-83192