VwGH vom 25.05.2007, 2006/12/0045

VwGH vom 25.05.2007, 2006/12/0045

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Nowakowski, Dr. Thoma und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde der Dr. MM in L, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom , Zl. BMJ-3000419/0003-III 2/2005, betreffend Ruhestandsversetzung gemäß § 14 BDG 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im April 1949 geborene Beschwerdeführerin steht seit ihrer mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Ruhestandsversetzung in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Davor war sie ab Beginn ihres Dienstverhältnisses (1987) als Psychologin, zuletzt nach Versetzung mit Bescheid vom (mit Wirksamkeit vom ) in der Justizanstalt X., verwendet worden, der sie bereits zuvor ab dienstzugeteilt war.

Nach Auseinandersetzungen und Spannungsverhältnissen an der jeweiligen Dienststelle, Schwierigkeiten bei der Erbringung der von der Beschwerdeführerin geforderten Dienstleistungen, Krankenständen und zum Teil unentschuldigtem Fernbleiben vom Dienst sowie damit im Zusammenhang geführten Disziplinarverfahren veranlasste der Präsident des zuständigen Oberlandesgerichtes (kurz: OLG) die fachärztliche Untersuchung ihrer Diensttauglichkeit.

Nach Einsicht in verschiedene die Vorgeschichte dokumentierende Unterlagen und Untersuchung der Beschwerdeführerin am gelangte der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Prof. Dr. K. zum Ergebnis, dass sich die Patientin als zeitlich, örtlich und situativ voll orientiert, im Ductus kohärent und das Denkziel erreichend erweise. Wahnhafte oder Sinnestäuschungen seien nicht explorierbar, die Stimmungslage wirke freundlich, im Affekt gut korrespondierend; es seien keine psychotischen Radikale fassbar.

Zusammenfassend komme er zum Gutachten, dass sich weder in der Voranamnese noch bei der heutigen Exploration Hinweise für eine Geisteskrankheit oder einen Defektzustand nach einer solchen (unerkannt abgelaufenen) Erkrankung ergeben hätten. Es seien keine psychiatrisch zu bewertenden Krankheitssymptome zu ersehen, aus denen abzuleiten wäre, dass die Beschwerdeführerin nicht schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzt hätte und demnach nicht (disziplinär) zur Verantwortung gezogen werden könnte.

In der Folge lehnte die Beschwerdeführerin die Mitwirkung an einem zur Beurteilung der Diensttauglichkeit (Verwendungsgruppe A) veranlassten Büro- und Arbeitstest ab (zum Termin am sei sie nicht erschienen, bei einem mit vereinbarten weiteren Termin habe sie "die Testbatterie" verweigert).

Der Sachverständige Prof. Dr. K. kam daraufhin am (zusammenfassend) zum ergänzenden Gutachten, dass dieses Verhalten einer "dissozialen Persönlichkeitsstörung F 60.2." entspreche. Dies sei gekennzeichnet durch die deutliche und andauernde Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen, das Unvermögen zur Beibehaltung längerfristiger Beziehungen "aber keine Schwierigkeiten, Beziehungen einzugehen (dies gemeint auf die Einordbarkeit in eine Arbeitsgemeinschaft)". Es bestehe geringe Frustrationstoleranz, Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewusstsein oder zum "Erlernen aus Erfahrung". Insbesondere aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin ableitbar sei die Neigung, andere zu beschuldigen oder vordergründige Rationalisierungen für das eigene Verhalten anzubieten, durch welches sie in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten sei. Diese "dissoziale Persönlichkeitsstörung" entspreche jedoch nicht einer psychiatrischen Erkrankung. Falls der Arbeitgeber Dienstpflichtverletzungen sehe, könnten diese aus psychiatrischer Sicht "mangels psychiatrischer Erkrankung" nicht so interpretiert werden, dass die "zu Untersuchende" infolge ihres "subjektiven Rechtsempfindens" dispositions- oder diskretionsunfähig gewesen wäre.

Mit Schreiben an das OLG vom regte der Leiter der Justizanstalt X. die Überprüfung der Dienstfähigkeit der Beschwerdeführerin an. Während diese in den ersten drei Monaten ihrer (der Versetzung vorangegangenen) Zuteilung an die Justizanstalt X. ein angemessenes Verhalten gezeigt und den vom Anstaltsleiter erteilten Arbeitsauftrag, Vollzugspläne für sechs Strafgefangene zu erstellen und mit den Insassen zu besprechen, erfüllt habe, sei der von Dr. F. (= Bereichsleiter) erteilte Arbeitsauftrag, Tests mit Freigängern zu erstellen und einen entsprechenden Abschlussbericht zu verfassen, unerledigt geblieben. Stattdessen habe sie ein Merkblatt hinsichtlich Personaldefizite und -missstände erstellt. Obgleich ihr vom Anstaltsleiter erklärt worden sei, dass solche Aufgaben nicht zu ihrem Dienstauftrag gehörten, habe sie "mit solchen Fragen und Merkblättern" die Belegschaft verunsichert. Ferner habe sie Gespräche mit Insassen geführt, ohne dafür beauftragt zu sein. In Abstimmung mit dem Bereichsleiter sei ihr Tätigkeitsbereich daher "auf die ho. Begutachtungsstation eingeschränkt" worden, um nicht Unruhe unter den Insassen zu erzeugen.

"Ihr Agieren gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Insassen berechtigen erhebliche Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit, sodass bis auf weiteres in Absprache mit dem psychiatrischen Leiter aus Gründen der Sicherheit und Ordnung ihr Gespräche mit Insassen zu untersagen sind." Ihr Fachvorgesetzter Dr. F. habe massive Bedenken hinsichtlich ihrer weiteren Verwendung im psychologischen Dienst gemeldet.

Am berichtete der Leiter der Justizanstalt X. dem OLG ergänzend (u.a.), die Beschwerdeführerin habe weder die ihr gegenüber bis Ende Juli beauftragten Testuntersuchungen bei Freigängern durchgeführt, noch bislang eine einzige forensische Anamnese erstellt. Für die Monate Juli und August sei daher keine nachvollziehbare Arbeitsleistung, die mit den erteilten Arbeitsaufträgen in Verbindung stehe, zu vermerken.

Als sie der Anstaltsleiter am aufgefordert habe, bis 28. August Ergebnisse ihrer Arbeit vorzulegen, habe sie erklärt, die Unterlagen bei sich zu Hause in L. (Anmerkung: in einem an den Dienstort nicht angrenzenden Bundesland) aufzubewahren, weil ihre Verwahrung ho. nicht sicher sei. Sie könne daher erst in der ersten Septemberwoche die Unterlagen beibringen.

Auch in weiteren Schreiben vom und vom zeigten der Leiter der Justizanstalt X. bzw. Dr. F. verschiedene Leistungsdefizite der Beschwerdeführerin auf. Sie habe eine "unrealistische Einschätzung der Gefährlichkeit ihres Arbeitsplatzes" und hätte wiederholt eigene Ängste und Unsicherheiten auf andere Mitarbeiter projiziert, die "in der Folge" in ihrer Arbeit behindert würden. Gegenüber der Leiterin des psychologischen Dienstes habe die Beschwerdeführerin im Oktober 2003 das Mitarbeitergespräch verweigert und vermeint, dass ihre Arbeitssituation rechtlich ungeklärt sei; sie habe sich völlig unkooperativ und uneinsichtig gezeigt. Trotz Aufforderung, eine Meldebestätigung (über eine ihr aufgetragene Wohnungnahme nahe X.) beizubringen, sei ihre Wohnsituation nach wie vor unklar; ihrer Aussage nach lebe sie fallweise in Klöstern in der Umgebung oder pendle nach L. zu ihrer Mutter.

Am veranlasste der Präsident des OLG im Hinblick auf die psychischen Auffälligkeiten der Beschwerdeführerin deren "fachärztliche Untersuchung betreffend ihrer Dienstfähigkeit".

Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Primar Dr. B. erstattete daraufhin nach Einsicht in den Personalakt und Verwertung der oben genannten ihm übermittelten Unterlagen der Vorgesetzten der Beschwerdeführerin in der Justizanstalt X. sowie der Untersuchung der Beschwerdeführerin am , bei der u.a. ihre Arbeitsleistung und die Wohnsitzfrage erörtert wurden und die Beschwerdeführerin darauf hinwies, dass sie an einer Lactoseintoleranz leide, die "erst jetzt" erkannt worden sei, wobei eine laktosefreie Ernährung zu "wesentlich mehr Energie" geführt habe, folgenden Befund im Gutachten vom :

"Befund

Psychiatrischer Zustandsbefund zum Zeitpunkt der Untersuchung:

In der äußeren Erscheinung äußerst gepflegt, die Art der Kontaktaufnahme etwas spröde, eckig, jedoch durchaus freundlich, zugewandt, fallweise etwas zurückhaltend, vor allem im Bereich der Thematik zwischenmenschlicher Beziehungen, gibt auch wenig Informationen über den religiösen Hintergrund, der eine größere Rolle spielen dürfte.

Bewusstsein und Orientierung unauffällig, Aufmerksamkeit, Auffassung und Konzentration unbeeinträchtigt. Merkfähigkeit und Gedächtnis - soweit klinisch beurteilbar - unbeeinträchtigt. Überdurchschnittliche Grundintelligenz, keine Hinweise auf Abbauzeichen.

Der Duktus geordnet, das Denken weitschweifig, in Details verhaftet. Von der sprachlichen Äußerung präzise, betont sachlich, distanzierend. Deutliche Hinweise auf Wahnphänomene im Sinne von überwertigen Ideen und Realitätsverlust, Verlust der Kritikfähigkeit und Verlust der Fähigkeit, von den eigenen Vorstellungen zu abstrahieren und diese in Relation zu den Vorstellungen Anderer bzw. den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen und Verhältnissen in der Arbeitswelt zu setzen.

Zahlreiche Äußerungen, aber auch Andeutungen und nonverbale Kommunikationsformen deuten auf ein ausgeprägtes, systematisiertes Wahnsystem in enger Verwobenheit mit beruflichen Problemen und den komplexen Fragen des Strafvollzuges im Allgemeinen bzw. Maßnahmenvollzuges im Besonderen.

Keine Hinweise auf Sinnestäuschungen, möglicher Weise bestehen diskrete Ich-Störungen im Sinne einer Depersonalisation, jedenfalls sind Ich-Grenzen und Selbstidentität in hohem Ausmaß verletzlich und bedroht.

Die Stimmung wirkt euthym, fallweise fast euphorisch, dürfte jedoch im Hintergrund hochgradig ängstlich getönt sein und wird die Angst mit großer Wahrscheinlichkeit durch betonte Sachlichkeit und Rationalität abgewehrt.

Die Befindlichkeit gut. Die Affektlage starr, die Affizierbarkeit im oberen Skalenbereich gegeben, im unteren fehlend. Der Antrieb unauffällig. Gestik, Mimik und Psychomotorik weitgehend unauffällig, manchmal rasche Augenbewegungen. Auffallend die Theatralik bei der Demonstration der örtlichen Gegebenheiten. Hier wird auch eine gewisse situative Inadäquatheit des Verhaltens deutlich, die auf heftige emotionale Erregung hinweist, welche jedoch direkt weder gezeigt noch kommuniziert wird.

Die Intentionalität erhalten, Kritikfähigkeit deutlich eingeschränkt. Kein Problembewusstsein. Von der Persönlichkeit her starr, überkontrolliert, eckig, fragil, brüchig, sehr von der eigenen Meinung eingenommen, wenig flexibel. Keine Ängste oder Zwänge im engeren Sinn, jedoch spezifische Befürchtungen, bezogen auf die Gefährlichkeit ihres Arbeitsplatzes. Keine Somatisierungen. Keine Hinweise auf Biorhythmusstörungen. Keine aktuelle Suizidalität.

Gutachten

Die Fragen des Gerichts können somit wie folgt beantwortet

werden:

Zur Diagnose:

Bei der Beschwerdeführerin besteht eine anhaltend wahnhafte Störung (ICD-10: F22.0), die sich offenbar im Laufe mehrerer Jahre in enger Verwobenheit mit (besonders für sehr engagierte Mitarbeiter) emotional durchaus belastenden allgemeinen und speziellen Fragen des Strafvollzuges im Allgemeinen und des Maßnahmenvollzuges im Besonderen entwickelt hat.

Allgemeinen Kriterien einer wahnhaften Störung sind in erster Linie in der (pathologischen) subjektiven Gewissheit und der Unkorrigierbarkeit der eigenen Urteile durch sonst übliche Beweise oder Fakten zu sehen. Das dritte Jasper'sche Wahnkriterium der Unmöglichkeit des Inhaltes ist zwar oft erfüllt, stellt aber nicht das entscheidende Kennzeichen dar. Unter subjektiver Gewissheit wird dabei eine krankhaft übersteigerte Sicherheit verstanden, mit der eigene Beurteilungen subjektiv erlebt werden, und die die Betroffenen in intensivster - und eben unkorrigierbarer Weise durchdringt.

Diese subjektive Gewissheit und Unkorrigierbarkeit der eigenen Urteile und Überzeugungen wird bei der Beschwerdeführerin sowohl in der eigenen Exploration, als auch durch die beschriebenen Verhaltensweisen im Berufsalltag unzweifelhaft deutlich. Die hohe Intelligenz der Beschwerdeführerin und die enge Verwobenheit ihrer wahnhaften Beurteilungen mit den tatsächlich sehr komplexen, schwierigen, vielschichtigen und manchmal unlösbaren Problemen ihres Berufsalltages bewirken, dass der wahnhafte Charakter ihrer Überzeugungen und Ansichten aufs Erste nicht unbedingt leicht erkennbar ist.

Wahnhafte Elemente in der Exploration zeigen sich im anhaltenden Verkennen ihrer tatsächlichen Arbeitsaufträge und dem starren Beharren darauf, als Betriebspsychologin gefragt zu sein. Auch die unkorrigierbare subjektive Überzeugung, sie könne alle Bereiche der Psychologie im Strafvollzug abdecken und sei am Höhepunkt ihrer Schaffenskraft vor dem Hintergrund der tatsächlich höchst mangelhaften Arbeitsleistung belegen wahnhafte Größenideen und den Verlust des Realitätsbezuges. Weiters belegen die nicht hinterfragbare Überzeugung, die Probleme des Strafvollzuges durch eine von ihr entwickelte Arbeitsplatzevaluation lösen zu können bzw. die Justizverwaltung sei an ihren Konzepten zur Betriebspsychologie interessiert, obwohl sie seit Jahren keine Antwort auf ihre Eingaben erhalten habe, die wahnhafte Erlebnisverzerrung.

In hohem Maße bizarr und unlogisch muten auch die Tatsache bzw. die dafür gegebenen Erklärungen an, dass die Beschwerdeführerin offenbar seit langer Zeit keinen festen Wohnsitz hat. Auch hier wird der verloren gegangene Realitätsbezug deutlich und kann diese Lebensweise nicht mehr als bloß unüblich bezeichnet werden. Vielmehr belegt das von der Beschwerdeführerin bekundete Unvermögen, ihre sonderbare Lebensweise überhaupt als auffällig und erklärungsbedürftig zu erkennen bzw. die sehr unbefriedigende Erklärung, sie warte mit der Gründung eines ordentlichen Wohnsitzes auf die Entscheidung des Ministeriums über ihre Vorstellungen, als Betriebspsychologin zu arbeiten, die wahnhafte Realitätsverkennung.

Die pseudologische, diffuse Erklärung, dass ihre Probleme am Arbeitsplatz durch Mentalitätsunterschiede zwischen Wienern und am Land Aufgewachsenen entstünden, sowie die gleichzeitige Leugnung, überhaupt gravierende Probleme am Arbeitsplatz zu haben, weisen ebenfalls eindeutig auf die wahnbedingte Realitätsverkennung hin.

Hinweise auf andere gravierende psychische Störungen, insbesondere auf eine schizophrene, schizoaffektive, affektive oder organisch bedingte Störung sind klinisch nicht feststellbar gewesen.

Zu den Auswirkungen auf die Dienstfähigkeit:

Die oben beschriebene anhaltend wahnhafte Störung bildet aus psychiatrischer Sicht die Verstehensgrundlage für die Verhaltensauffälligkeiten von der Beschwerdeführerin und ihre reduzierte Leistungsfähigkeit. Da die Wahnthematik aufs Engste mit den in ihrem Berufsalltag auftretenden Fragen verwoben ist, bezieht sich der Realitätsverlust auf ihr gesamtes Berufsleben und ist sie daher nicht in der Lage, realitätsbezogene Arbeit zu leisten. Ihre Persönlichkeit ist durch die schwere Ausprägung der anhalten(den) wahnhaften Störung auf das Schwerste erschüttert und bei Konfrontation und Infragestellen ihrer wahnhaften Urteile von schwerer Desintegration bedroht. Sie ist daher auch nicht in der Lage zu erkennen, ob sie durch ihr Handeln eine Dienstverfehlung verwirklicht oder nicht.

Die auffällige Tendenz, sich in abstrakte Analysen zu verlieren, die in der aktuellen Arbeitssituation gar nicht gefragt sind, stellt mit großer Wahrscheinlichkeit eine (unbewusst ablaufenden) Schutzreaktion dar, mit der es der Beschwerdeführerin gelingen dürfte, ihre psychische Integrität um den Preis des Realitätsverlustes gerade noch aufrecht zu erhalten.

Eine durchschnittliche Arbeitsleistung kann ihr daher auf Grund ihrer schweren psychischen Störung nicht abverlangt werden und wird sich dieser Zustand der Dienstunfähigkeit auf Grund der Natur der Störung, ihrer Ausprägung und der langen Zeit, die die Störung bereits bestehen dürfte, in näherer Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht verbessern. Angesichts der (störungsimmanenten) Krankheitsuneinsichtigkeit fehlt auch tragischer Weise bei der Beschwerdeführerin eine innere Motivation, sich in eine geeignete Behandlung zu begeben. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass bei Wegfall von Rahmenbedingungen, die eine Belastung ihres höchst labilen und gefährdeten psychischen Apparates darstellen, die wahnhafte Störung abklingen kann. Vor Ablauf eines Jahres ist jedoch kaum mit einer grundlegenden Verbesserung ihres psychischen Gesundheitszustandes zu rechnen."

(Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof)

Mit Eingabe vom an den Präsidenten des OLG ersuchte die Beschwerdeführerin "um Gutachtenserörterung". Das Gutachten sei "ungültig", weil sie sich nicht auf die Untersuchung habe vorbereiten können: Sie habe das den Gutachtensauftrag umfassende Schreiben "am ohne Vorankündigung am selben Tag der Untersuchung" in ihrem Brieffach in der Justizanstalt X. vorgefunden und sei auch hingegangen, weil sie sonst dienstrechtliche Konsequenzen befürchtet habe.

Im Besonderen wende sie sich gegen die Passage, sie glaube, "sämtliche Bereiche des Psychologenerlasses allein abdecken" zu können. Wer so etwas glaube, sei tatsächlich wahnsinnig. Sie habe aber lediglich gemeint, dass sie durch ihre langjährige Erfahrung als Justizpsychologin (17 Jahre) schon in allen angeführten Bereichen gearbeitet habe. Auch andere Passagen des sehr sorgfältigen Gutachtens ließen darauf schließen, dass Prim. Dr. B. den Eindruck, sie hätte eine "wahnhafte Realitätsverzerrung" dadurch gewonnen habe, dass er sich in ihrem Arbeitsbereich nicht gut genug auskenne.

Am erstellte der Vertragsarzt des Bundespensionsamtes (BPA) Ass. Prof. Dr. Fr., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, auf Basis des bisherigen Akteninhaltes, des Gutachtens Prim. Dr. B. und eigener Gespräche mit der Beschwerdeführerin einen neurologisch-psychiatrischen Untersuchungsbefund, aus dem Folgendes (auszugsweise) hervorgehoben wird:

Anamnese

...


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"Sonstige Erkrankungen:
Früher keine relevanten.HypotonieLactoseintoleranz, nachgewiesen seit Frühjahr 2005Erwachsenencoeliakie (1993 hospitalisiert im KH L.), Nachweis der Glutenintoleranz Frühjahr 2005, Dzt. Darmentzündung durch Candida albicans (?).


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jetzige Krankheiten (Beginn, Verlauf):
Angaben der Untersuchten (U).:
Einzelkind. Hatte eine 'perfekte' Mutter, deren Ohr sie aber nicht hatte. Sehr katholische Erziehung, mit Beichte etc.
Mit 3 1/2 Jahren AE: Ärzte waren lieb, dann aber sehr ängstigend - tiefe Enttäuschung, seither Misstrauen gegen Ärzte.
Im 7.- 8. Lebensjahr: Die Großmutter fiel aus dem Fenster und starb; die U. wurde als Zeugin von der Polizei einvernommen, ihre verwirrten Aussagen führten zur kurzfristigen Inhaftierung der Eltern unter Mordverdacht.
Im 12. Lj. Opfer eines sexuellen Übergriffs, mit emotionaler Desequilibrierung und Scham.
Im 17. Lj. arbeitete die U. ferial als Kellnerin. Es kam zu einer Intimität mit ihrem Chef, wurden dabei von dessen Gattin ertappt. Wurde von der Chefin verprügelt und mit Schimpf und Schande davongejagt, der Chef hängte sich auf.
Im 18. Lj. neuerlich Opfer eines sexuellen Übergriffs, mit emotionaler Desequilibrierung und Dissoziation.
Ab Adoleszenz chronische Müdigkeit, insbesondere morgens. Kam im Studium nicht voran, wegen morgendlicher Antriebsschwäche. In 70er Jahren Gruppentherapie in Berlin. Wird heute, wo es nicht mehr so ist, mit den og. Intoleranzen erklärt (entsprechende Diät).
25.-30. LJ.: Hatte eine Beziehung zu unreifem jungen Mann mit dominanter Mutter. Verlor diese 'große Liebe' an einen bisexuellen Psychiater in Graz. Seither intensive Abneigung gegen Psychiater. Die U. machte sich bis zuletzt Hoffnung auf diesen Mann, dieser heiratete aber seine schwangere Freundin in der Zeit, als die U. in die JA X. versetzt wurde.
War nie in psychiatrischer Behandlung.
X/2002- III/2003 dienstzugeteilt der Justizanstalt J. Sehr arbeitsintensive, positive Zeit - Angetriebenheit unter Kaffee.
X. : Großer Ekel vor den dort geahndeten Sexualdelikten, große Angst vor den Patienten.


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Derzeitige Beschwerden nach subjektiv empfundener Wertigkeit gereiht:Keinerlei Beschwerden: Ganz im Gegenteil, gutes Wohlbefinden seit Beginn der Lactose- u. Coeliakie-Diät.
...
AUßENANAMNESE i.S. § 35 GAG: Es wurden seitens des Gefertigten mehrere außenanamnestische Gespräche geführt, da sich während der insgesamt mehr als 5-stündigen Explorationen mit der Beamtin zu viele Unklarheiten, Ungereimtheiten und Dissimulationen herausstellten, deren Klärung für die Gutachtenserstellung notwendig waren. Die Ergebnisse dieser Außenanamnesen sind hier aus den Gedächtnisprotokollen des Gefertigten zusammengefasst:
-
- In der JA A., wo die U. seit Anfang der 90-iger Jahre beschäftigt war, habe es seit Jahren Konflikte gegeben. Mehrere Disziplinarverfahren seien vom dortigen Anstaltsleiter gegen sie geführt worden, unter anderem auch wegen fehlender Leistungsbereitschaft. Auch sei wegen unerlaubter Abwesenheit und nicht erbrachter Leistung ein Antrag auf Entfall ihrer Bezüge gestellt worden.
- In einem Brief der U. aus 2000 schrieb die U. u.a.:'Ich teile mit, dass ich die JA A. wegen Verstöße gegen meine Menschenrechte und Grundfreiheiten Artikel 2, 3, 5, einer mangelnden Konfliktbearbeitungsbereitschaft am X.X. 2002 und einer noch 5 Monate nachher ausständigen Entschuldigung nicht mehr als meine Dienststelle betrachte. Dienstrechtliche Anordnungen, Aufforderungen oder dergleichen nehme ich von dort nicht mehr entgegen, auch keine Weisung, mich in diese Anstalt zu begeben. Dies ist eine Gewissensentscheidung.' Des Weiteren beschreibt sie ein Projekt, das sie 'als sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig' ansieht, bzw. 'trägt es der Verwaltungsmodernisierung und unserer Personalknappheit bei JWB und dem Gesetzesauftrag, gesundheitsfördernde Maßnahmen zu setzen, Rechnung'. Dieses Projekt wäre ihr wahrer Auftrag in der Justiz.
- Zur Konfliktdeeskalation sei die U. mit der JA J. zugeteilt worden, die aber bereits nach wenigen Monaten eine neuerliche Versetzung in die Wege leitete.
- Die U. sei II/2003 vom BMJ schriftlich darauf aufmerksam gemacht worden, dass ihr angegebener Wohnsitz in L. in zu großer Entfernung vom Dienstort sei und den Voraussetzungen im Sinne des § 55 BDG (1979) nicht gerecht werde. Trotz dieses Hinweises und der Gefahr weit reichender dienstrechtlicher Konsequenzen habe die U. bis dato keinen neuen Wohnort angegeben.
- Mit sei die U. der JA X. zugeteilt worden.
Damals hätte es ein Gespräch mit dem psychiatrischen Leiter gegeben, in dem ihr Arbeitsbereich vorerst für 3 Monate festgelegt wurde. Da für die U. eine geeignete Arbeitsplatzsituation geschaffen werden sollte, auch wenn bekannt gewesen sei, dass solches bislang nie gelungen war und die Teamfähigkeit der U. skeptisch beurteilt wurde, habe man sich auf die von ihr angegebenen Fähigkeiten und Wünsche ausgerichtet.
Sie habe ausgezeichnete Kenntnisse in der Borderline-Diagnostik und über Erfahrungen mit dem Gundersons-Borderline-Inventar angegeben und gebeten, bei allen Neuaufnahmen dieses Instrument anwenden zu wollen, pro Interview würde sei mehrere Stunden benötigen und sie wäre damit ausgelastet. Sie habe zusätzliche Aufträge, nämlich das BDI und STAI anzuwenden, und eine kurze Einschulung dazu erhalten. Dieses habe die U. akzeptiert.
Bei der vom BMJ eingeforderten Leistungsüberprüfung nach 3 Monaten habe sich herausgestellt, dass die U. keine einzige Untersuchung vorlegen konnte.
- Zum damaligen Zeitpunkt habe man annehmen können, dass die nicht vorhandene Leistung auf eine Weigerungshaltung zurückzuführen wäre, da die U. schon am ersten Tag in der JA X. das BMJ verständigte, dass sie ihrer Zuteilung ... nicht zustimme....
- Ab August 2003 sei sie nicht nur wegen ihrer fehlenden Leistungserfolge und ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der psychologischen Leiterin aufgefallen, sondern auch aufgrund unangepassten Verhaltens gegenüber Kollegen und der Anstaltsleitung:
So habe sie fremde Dienstzimmer für sich beansprucht, dort ihre Akten ausgebreitet, von dort telefoniert und auch nach wiederholter Aufforderung der jeweiligen Kollegen bzw. des Anstaltsleiters, dieses zu unterlassen, nicht damit aufhören können/wollen.
Als Grund habe sie angegeben, dass ihr Zimmer nicht adäquat sei (obwohl es (mit) den anderen Zimmern, in denen sie sich aufhielt, absolut ident war).
In nachfolgenden Konflikten mit der psychologischen Leiterin habe die U. darauf hingewiesen, dass sie sich von dieser nichts sagen lasse und diese erst ein Führungskräfte- Seminar besuchen sollte, bevor sie ihr irgendwelche Anweisungen gäbe....
(Es hätte) Beschwerden von Beamten und Kollegen (gegeben), dass die U. sie wiederholt in Gespräche über unzureichende Arbeitsbedingungen verwickle und bei ihrer Arbeit störe - mit dem Grundtenor, dass sie dies in ihrer Funktion als Betriebspsychologin zu tun hätte.Mehrere Untergebrachte hätten sich beschwert, dass die U. ihnen zu nahe käme, sie nicht in Ruhe lasse und sie in Hinkunft nicht dafür garantieren könnten, dass nicht früher oder später etwas Gröberes passieren könnte.
Darauf angesprochen habe die U. angegeben, dass sie als Betriebspsychologin im BMJ angestellt sei und sei nicht korrigierbar gewesen, dass sie an der JA X. einen anderen Auftrag habe.Ihr Verhalten gegenüber den Untergebrachten hätte sie nicht reflektieren können, ebenso wenig wie die Gefahr erkennen, die sie im Kontakt mit diesen provozierte.Kurz nach diesem Gespräch habe sie sich krankgemeldet, ein Verhalten, das sich in den kommenden Monaten wiederholt habe.
- Nach Rückkehr habe sie unaufgefordert ein Merkblatt über Personaldefizite und Personalmissstände entwickelt und begonnen, die Belegschaft zu interviewen bzw. mit Insassen, die ihr nicht zugeteilt waren, therapeutische Gespräche zu führen.
Auf Grund dieser Vorfälle habe der Anstaltsleiter entschieden, ihren Tätigkeitsbereich einzuschränken und sie vorerst nur mit Aktenstudium und Computerdiagnostik zu betrauen.
- In diesen Zeitraum sei die erste Auseinandersetzung mit einer Justizwachebeamtin gefallen, die in ein aktuelles Disziplinarverfahren gemündet sei.
Erste paranoide Äußerungen seien in dieser Zeit aufgefallen ('ihr von der Justizwache seid derart hinterfotzig, wie ich es nur aus meinen eigenen Reihen gewohnt bin, allen voran die Vollzugsleiterin, die kenne ich schon von früher, da war sie auch schon so').
- Wiederholte Konflikte mit ihren Kollegen aus der Psychologie seien eskaliert, sodass sie vom psychiatrischen Leiter aufgefordert worden sei, darüber ein Gespräch zu führen.
Dies habe sie vor dem Anstaltsleiter mit dem Hinweis verweigert, dass sie vom psychiatrischen Leiter einen Arbeitsauftrag hätte, den sie nun ausführen müsse und sie daher nicht mit dem psychiatrischen Leiter reden könne. Sie fühle sich gemobbt, man verstöße gegen die Menschenrechte.
Bei diesem Gespräch habe sie gänzlich die emotionale Kontrolle verloren und insbesondere den Anstaltsleiter und die Leiterin des psychologischen Dienstes beschimpft.
Dem psychiatrischen Leiter habe sie vorgeworfen, sich von den Frauen des Hauses, die es alle auf sie abgesehen hätten, beeinflussen zu lassen.
- Der zuständige Ministerialbeamte des BMJ habe seinerseits mitgeteilt, dass die U. auch bei ihm kurz zuvor einen höchst auffälligen und befremdlichen Auftritt hatte: Dabei hätte die U. darauf bestanden, Betriebspsychologin zu sein und sei nicht einsichtig gewesen, dass es einen solchen Posten bei der Justiz nicht gäbe....
Zusammenfassend bildet sich aus Beobachtungen am Dienstort der U. folgendes Bild:Die U. wird dort in ihrem Realitätsbezug inkompatibel und uneinsichtig erlebt.
Im Verhalten macht sie wiederholt einen manirierten Eindruck.
Sie kann mehrfach Irrelevantes von Wichtigem nicht unterscheiden.
Ihre Stimmungen schwanken, besonders auffällig sind auftretende nicht nachvollziehbare Euphorien und Fahrigkeit.
Es kommt vor, dass sie durch andere geleistete Arbeiten als ihre eigenen Leistungen wahrnimmt.
Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit auftragsfremden Dingen, meist Bagatellen, und zeigt einen auffälligen Mangel an sozialen Fertigkeiten und Rücksichtnahmen (z.B. entfernt die Zimmerpflanzen einer Zimmerkollegin mit dem Hinweis, dass diese nicht fähig sei, sich adäquat um diese zu kümmern).
Sie reagiert auf jede Konfrontation mit der Realität mit einer darauf folgenden Krankmeldung.
Anweisungen der Sicherheitsbeauftragten umgeht sie wiederholt und verschließt Türen, die aus Sicherheitsgründen unbedingt offen zu halten sind, sodass der Sicherheitsbeauftragte sich letztlich entschließt, ihr den Schlüssel zu entziehen. Dies wiederum hat die Konsequenz, dass für sie ein Sonderschlüssel zur Verfügung gestellt werden muss, der nur bestimmte eingeschränkte Türen sperrt, wodurch wiederum für die U. der Eindruck einer sie verfolgenden Umgebung entsteht.
...
Psychischer Status
Bewusstseinslage:
klar
Gedankenductus:
Denken formal o.B.
Denkinhalte:
Überwertige Ideen, paranoide Erlebnisinterpretation mit nur geringer Selbstkritik
Stimmungslage:
euthym, zart gedrückt, etwas bitter
Antrieb:
o.B.
Orientierung:
voll und allseits gegeben
Affekt:
angepasst, etwas starr
Affizierbarkeit:
gegeben
Befindlichkeit:
o.B.
Konzentration:
subjektiv o.B., objektiv etwas reduziert
Intellekt:
o.B.
Merkfähigkeit:
o.B.
Altgedächtnis:
o.B.
psychopathologische Phänomene:
Unsicherheit, Spröde, Misstrauenshaltung, tabuisiertes Sexualthema, Psychomotorik bzw. Affektivität eher maniriert. Deutliche Dissimulationstendenz.
Sonstiges:
Schlaf gut. Appetit gut, wegen Diät und Colitis eher gesteigert.
KOMMENTAR:
Aufgrund des Umstandes, dass die U. gewissermaßen 'vom Fach' ist, und unübersehbar ist, dass sie bestrebt ist, einen völlig unauffälligen Eindruck zu machen, bzw. sich als Opfer von Intrigen darzustellen, sind nicht alle ihre Angaben verlässlich.
Feststellbar ist eine Reihe von belastenden Ereignissen in Kindheit, Jugend und Adoleszenz, die in Kombination mit der sehr religiösen Erziehung der U. von nachhaltiger, persönlichkeitsbestimmender Auswirkung war.Die rückwirkende Interpretation ist in klinischer Hinsicht schwer. Auffällig sind jedoch die lange anhaltende Antriebsversagung in der Studentenzeit, die Überwertigkeit der Partnerkrise danach, sowie die von der U. beschriebene Episode von Angehobenheit und Antriebssteigerung während ihrer Zeit in der JA J.Symptomatologisch auffällig sind derzeit:
Die soziale Kontaktstörung mit Rückzug
Der Umgang mit den 'Spielregeln' insbesondere im Justizdienst
Das Rechthaberische und geradezu Missionarische
Die Realitätsverweigerung
Der unkritische Umgang mit den eigenen Überzeugungen und mit jenen der sozialen Umwelt
Die geradezu selbstschädigende Starre in ihren sozialen Haltungen.
Insgesamt bestätigt der Gefertigte den klinischen Eindruck des Vorgutachters Dr. B. Diagnostisch allerdings muss in erster Linie an ein leichtes postpsychotisches Residuum bei schizoaffektiver Psychose gedacht werden, dessen Hauptsymptomatik in einer wahnhaften Störung und einem gewissen Zerfall der Lebensorganisation der U. liegt.

Diagnosen

(nach Relevanz hinsichtlich Arbeitsfähigkeit gereiht, die

führende Diagnose nach dem ICD-9-Code)


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1. Gemischte schizoaffektive Störung
ICD-10:
F
2
5
.
2
2. Wahnhafte Störung
F
2
2
.
0


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Leistungsdefizit (Beschreibung der Leistungseinschränkungen als Folge von Funktionsdefiziten und deren Diagnosen)
Die U. ist als manifest krank zu bezeichnen und aufgrund der feststellbaren Symptomatik als dienstunfähig.
Das Störbild, dem sie unterworfen ist, bringt es mit sich, dass sie ihr übertragene Aufgaben nicht erledigen kann, dass sie sich diesem Umstand gegenüber unkritisch erweist, zu keiner Einsicht in ihre Gestörtheit fähig ist und sich daher störend und konfliktträchtig verhält.
Selbst wenn es gelänge, die U. von der Notwendigkeit einer nervenfachärztlichen Behandlung zu überzeugen, ist nicht zu erwarten, dass dieses Zustandsbild in dem Maß verbessert werden kann, dass sie wieder dienstfähig werden könnte.
Daher ist die vorzeitige Pensionierung der U. aus Krankheitsgründen indiziert.

Voraussichtliche Entwicklung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Besserung zu erwarten:
ja
nein
x
Nachuntersuchung empfohlen:
ja
nein
x
"

(Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof, Hervorhebungen im Original)

Die leitende Ärztin des BPA Dr. W. erstattete am auf dieser Grundlage folgendes ärztliches Sachverständigengutachten zur Leistungsfeststellung:

"Diagnose (nach Relevanz hinsichtlich Arbeitsfähigkeit)

1. Gemischte schizoaffektive Störung mit wahnhafter Symptomatik kombiniert

Leistungskalkül

Die Patientin leidet an einem postpsychotischen Residuum bei einer schizoaffektiven Psychose. Symptomatisch steht ein unkritischer Umgang mit eigener Überzeugung der sozialen Umwelt mit geradezu selbstschädigender Starre bei wahnhafter Realitätsverweigerung im Vordergrund. Die soziale Kontaktfähigkeit ist vom Rückzug und Verfolgungsideen - Darstellung der Opferrolle -

geprägt. Die Patientin ist manifest schwer krank und vollkommen unfähig, die gestellten Aufgaben zu erfüllen. Jegliche Krankheitseinsicht fehlt - typischerweise. Eine regelmäßige berufliche Tätigkeit - insbesondere im Bereich der Justiz mit Betreuung von Menschen in Krisensituationen - ist ausgeschlossen. Eine Stabilisierung des schweren Krankheitsbildes muss, auch unter optimaler Krankenbehandlung, ausgeschlossen werden. Es liegt ein Dauerzustand vor."

Am gab die - gewerkschaftlich vertretene - Beschwerdeführerin, nach Einräumung der Möglichkeit durch den Präsidenten des OLG, eine Stellungnahme ab, in der sie sich mit der Ruhestandsversetzung gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 nicht einverstanden erklärte, weil eine dauernde Dienstunfähigkeit im Sinn dieser Gesetzesstelle nicht vorliege. "Das vorliegende Gutachten" (gemeint wohl Dris. Fr.) sei weder schlüssig noch nachvollziehbar und stelle eine persönliche Meinung des Gutachters dar, die nicht mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis vereinbar sei. Bei schizoaffektiven Störungen handle es sich um episodische Störungen, bei denen sowohl affektive als auch schizophrene Symptome in derselben Krankheitsphase aufträten, meistens gleichzeitig oder höchstens durch einige Tage getrennt. Ihre Beziehung zu den typischen affektiven und schizophrenen Störungen sei unsicher. Patienten, die unter rezidivierenden schizoaffektiven Episoden leiden, besonders solche, deren Symptome eher manisch als depressiv seien, zeigten gewöhnlich eine vollständige Remission und entwickelten nur selten ein Residuum. Die Beschwerdeführerin werde "in den nächsten Tagen" ein ärztliches Sachverständigengutachten als medizinisches Beweismittel vorlegen, um der Dienstbehörde im Zuge des durchzuführenden ordentlichen Ermittlungsverfahrens die Möglichkeit zu geben, die Unschlüssigkeit "des vorliegenden Sachverständigengutachtens" unter Einholung eines ergänzenden Gutachtens durch das BPA zu überprüfen.

Vom 5. bis zum absolvierte die Beschwerdeführerin einen ihr bewilligten Kuraufenthalt.

Mit Bescheid vom (zugestellt an die Beschwerdeführerin am ) versetzte der Präsident des OLG die Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 1 und 5 BDG 1979 von Amts wegen in den Ruhestand.

Nach auszugsweiser Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage führte er in der Begründung aus, Dienstunfähigkeit im Sinne des § 14 Abs. 3 BDG 1979 umfasse alles, was die Eignung des Beamten zur Versehung des Dienstes aufhebe und wodurch die ordnungsgemäße Erfüllung der übertragenen Aufgaben ausgeschlossen werde. Dabei sei nicht allein auf die Person des Beamten, sondern vielmehr auf seine Fähigkeit, die ihm gesetzlich obliegenden Pflichten zu erfüllen, und damit auf die Auswirkungen auf den Amtsbetrieb abzustellen. Dienstunfähigkeit liege auch dann vor, wenn durch die Dienstleistung für den Beamten die Gefahr einer Verschlimmerung der Erkrankung gegeben wäre.

Aus dem vom BPA erstellten schlüssigen Leistungskalkül sei abzuleiten, dass die Beschwerdeführerin dauernd dienstunfähig und auf Grund ihres beeinträchtigten Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage sei, die dienstlichen Aufgaben ihres Arbeitsplatzes - insbesondere die im Bereich der Justiz notwendige Betreuung von Menschen in Krisensituationen - zu erfüllen. Auch könne ihr im Wirkungsbereich ihrer Dienstbehörde kein (mindestens) gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden. Dies sei im Hinblick darauf zu sehen, dass die Grenzen einer Verweisungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 3 BDG 1979 durch die Ernennung festgelegt seien und der Beamte entsprechend seiner Ernennung zu verwenden sei. Selbst für den Fall, dass sich die Beschwerdeführerin einer nervenfachärztlichen Behandlung unterziehen würde, sei nicht zu erwarten, dass sie wieder dienstfähig werden könnte, sodass ihre Dienstunfähigkeit als dauerhaft angesehen werden müsse.

Mit Eingabe vom (im OLG am Tag darauf eingelangt) legte die Beschwerdeführerin "in Entsprechung des Schriftsatzes vom ... im Rahmen des ordentlichen Ermittlungsverfahrens ein Gutachten des Univ. Prof. Dr. G., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Psychosomatik u. psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeut und Organisationsberater, Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger" vor (der nach der Aktenlage seit dem Jahr 1988 im Auftrag der Dienstbehörde ihre Supervision als Psychologin vorgenommen hatte).

Das genannte Schreiben des Univ. Prof. Dr. G. vom lautet:

"FACHÄRZTLICHER BEFUNDBERICHT

Frau Dr. M. ist mir aus langjährigen beruflichen Kontakten und einer ebenso lange dauernden Supervisionsarbeit bekannt. Auch hatte ich bei diesen unzähligen Begegnungen Gelegenheit, als Organisationsberater institutionelle Defizite und Irritierungen ihrer Arbeitsbereiche, die nicht gänzlich ohne Bezug zu Dr. M's derzeitigem Status sind, wahrzunehmen, was andernorts näher auszuführen wäre. Medizinisch-fachärztlich müssen meinerseits folgende Fakts genannt werden:

1. Dr. M. hat lange Jahre unter einer nicht erkannten, und daher weder diagnostizierten noch therapierten Erwachsenensprue gelitten. Die damit verbundenen Reaktionen / Laktoseintoleranz u.a.m. waren Ursache für erhebliche Leistungseinschränkungen, sowohl physischer, als auch psychischer Art. Der Leidensweg ist seit Diagnosestellung und Behandlungsbeginn glücklicher Weise beendet. Dr. M. kommt gerade aus einer 3 wöchigen Therapie: Die inzwischen beachtete Gluten und Lakose freie Kost garantieren eine weitgehende Beschwerdefreiheit.

2. Der Wegfall der Spruesymptomatik lässt eine durch diese Beschwerden verdeckte zweite Störung deutlicher werden. Dr. M. leidet mit ziemlicher Sicherheit an einer ADHS, einer Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung. Dadurch erklären sich einige Verhaltensweisen, die Dr. M. Schwierigkeiten im beruflichen Bereich gebracht haben. Hier stellt sie eine Fachfrau dar, die ständig auf 150 Prozent läuft, deren Freizeit mit Fortbildungen belegt ist und die durch ihre erworbene Überkompetenz bei ihren männlichen Vorgesetzten zu starken Spannungen beiträgt.

3. Klar soll schon hier statuiert werden (und soll auch der Inhalt des rasch zu übermittelnden Gutachtens sein): Die Diagnose einer schizoaffektiven Störung mit wahnhafter Symptomatik und einem (defizitären) postpsychotischen Residuum ist psychiatrischerseits nicht nachvollziehbar, ja unhaltbar."

Gegen den Bescheid des Präsidenten des OLG vom erhob die Beschwerdeführerin (persönlich) am und (neuerlich - gewerkschaftlich vertreten) am Berufung. Sie verwies auf die Darstellungen des Univ. Prof. Dr. G., aus denen sich ihre Dienstfähigkeit ergäbe. Die Vorgutachten seien unschlüssig (wird näher ausgeführt), auch sei die zunächst von Prim. Dr. B. ausdrücklich angesprochene (nunmehr eingetretene) Möglichkeit einer Besserung ihres Gesundheitszustandes nach einem Jahr letztlich ungeprüft geblieben. Ihre frühere - nach dem Kuraufenthalt im Oktober 2005 mittlerweile völlig ausgeheilte - gesundheitliche Beeinträchtigung habe der Dienstgeber durch einseitige und ungesunde Kantinenkost überdies mitverschuldet.

Das "vorliegende unschlüssige Gutachten des BPA vom " lasse jegliche Auseinandersetzung mit dem der Beschwerdeführerin aktuell zugewiesenen Arbeitsplatz vermissen. Das Ermittlungsverfahren sei auch deshalb mangelhaft geblieben, weil weder auf das "Gutachten" des Univ. Prof. Dr. G. vom , noch auf die Möglichkeit der Zuweisung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes eingegangen worden sei. Es wäre "an der Dienstbehörde im Sinne der Fürsorgepflicht des Dienstgebers gelegen, eine adäquate Arbeitsplatzsituation zu schaffen, um eben auch eine allfällige temporäre Dienstunfähigkeit hintanzuhalten".

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid des Präsidenten des OLG vom .

Nach auszugsweiser Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt fest:

"Die Berufungswerberin war seit Beginn des Dienstverhältnisses als Psychologin in der Justizanstalt A. beschäftigt. Nach einer Dienstzuteilung zu Justizanstalt J. wurde sie mit Bescheid des Präsidenten des OLG vom mit Wirksamkeit vom zu Justizanstalt X. versetzt und auf dem Arbeitsplatz einer Psychologin (Arbeitsplatz Nr. 216), Bewertung A1/GL, verwendet. Die Aufgaben des Arbeitsplatzes laut Arbeitsplatzbeschreibung sind:

Forensisch-psychologische Diagnostik, Testdiagnostik, Kriminalprognostik, Klinische Diagnostik einschlägiger Störungen, kriminologische Diagnostik, Evaluation von Therapien, Behandlungen und Veränderungen der gemäß § 21/2 StGB Untergebrachten.

Ziele des Arbeitsplatzes sind danach die Erstellung von Klassifikationsgutachten und Stellungnahmen zu Eingaben gemäß § 25 Abs. 3 StGB bzw. Therapieevaluationen.

Die Tätigkeiten quantifizierten sich wie folgt:

Aktenstudium 20 %, Psychologische Testungen 25 %, Klinische Interviews 25 %, Teambesprechungen 5 %, Dokumentation und Qualitätssicherung 20 %, Fortbildung 5 %.

Anforderungen des Arbeitsplatzes: Abgeschlossenes Psychologiestudium, erwünscht abgeschlossene Ausbildung zum/r 'Klinischen Psychologen/in', Ausbildung in Kriminalprognostik und OPD (Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik).

Sonstige maßgebliche Aspekte des Arbeitsplatzes: Hohe Teamfähigkeit, gefestigte Persönlichkeit, Erfahrung im Umfang mit Menschen in Außenseiterpositionen, Fähigkeit, sich in hierarchische Strukturen einzugliedern, hohe Reflexions- und Kritikfähigkeit.

Die Berufungswerberin leidet an einer gemischten schizoaffektiven Störung mit wahnhafter Symptomatik. Nach dem Leistungskalkül liegt ein postpsychotisches Residuum bei einer schizoaffektiven Psychose vor. Symptomatisch steht ein unkritischer Umgang mit eigener Überzeugung der sozialen Umwelt mit geradezu selbstschädigender Starre bei wahnhafter Realitätsverweigerung im Vordergrund. Die soziale Kontaktfähigkeit ist vom Rückzug und Verfolgungsideen - Darstellung der Opferrolle -

geprägt. Die Berufungswerberin ist manifest schwer krank und nicht in der Lage, die gestellten Aufgaben zu erfüllen. Typischerweise fehlt jegliche Krankheitseinsicht. Eine regelmäßige berufliche Tätigkeit - insbesondere im Bereich der Justiz mit Betreuung von Menschen in Krisensituationen - ist ausgeschlossen. Eine Stabilisierung des Krankheitsbildes, auch unter optimaler Krankenbehandlung, ist ausgeschlossen. Es liegt ein Dauerzustand vor."

(Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof)

Die Beweiswürdigung lautet:

"Diese Feststellungen gründen sich den Gesundheitszustand betreffend auf Befund und Gutachten des Bundespensionsamtes vom , im Übrigen auf die Arbeitsplatzbeschreibung des von der Berufungswerberin zuletzt innegehabten Arbeitsplatzes."

Nach Zitierung des § 14 Abs. 1, 3 und 4 BDG 1979 führte die belangte Behörde ergänzend aus, der von der Beschwerdeführerin "nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides" vorgelegte fachärztliche Befundbericht des Univ. Prof. Dr. G. sei nicht geeignet, die getroffenen Schlussfolgerungen aus dem Gutachten des BPA vom in Frage zu stellen. Es handle sich dabei einerseits schon nach der Bezeichnung lediglich um einen Befundbericht und kein (Privat)Gutachten. Darüber hinaus führe Univ. Prof. Dr. G. im ersten Absatz dieses Befundberichtes an, dass ihm die Beschwerdeführerin aus langjährigen beruflichen Kontakten und einer ebenso lange dauernden Supervisionsarbeit bekannt sei. Eine eingehende fachärztliche Befundaufnahme und Erstellung eines Gutachtens habe "offenbar nicht stattgefunden". Dieser Befundbericht sei "daher schon deshalb nicht geeignet, die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Begutachtung der Berufungswerberin durch das BPA in medizinischer Hinsicht zu widerlegen".

Nach diesem Gutachten sei die Beschwerdeführerin "manifest schwer krank und nicht mehr in der Lage, die ihr als Psychologin im Justizdienst gestellten Aufgaben zu erfüllen". Es liege ein Dauerzustand vor. Ob eine fehlende oder mindere Arbeitsleistung vorliege, sei im Zusammenhang mit der Ruhestandsversetzung, die auf die Dienstfähigkeit an sich abstelle, nicht relevant.

Dem BPA seien die Arbeitsplatzanforderungen der Beschwerdeführerin bekannt gewesen. Auf dieser Grundlage und auf Grundlage der vom BPA erhobenen medizinischen Befunde sei dieses zum Kalkül gelangt, die Beschwerdeführerin sei zur Ausübung ihrer konkreten Tätigkeit als Psychologin nicht mehr in der Lage. Die Dienstbehörde erster Instanz habe sich zu Recht auf dieses Gutachten gestützt und daraus den Schluss auf dauernde Dienstunfähigkeit gezogen. Wenn auch zur Frage des von der Beschwerdeführerin innegehabten Arbeitsplatzes und dessen Aufgaben keine Feststellungen getroffen worden seien, könne dies, nach entsprechenden "Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens" durch die Berufungsbehörde nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen.

Die Frage der Dienstfähigkeit sei als Rechtsfrage nicht von Sachverständigen, sondern von der Dienstbehörde zu lösen. Diese Rechtsfrage sei aber im erstinstanzlichen Bescheid im Ergebnis richtig gelöst. Bei dem "auf Grund des Gutachtens anzunehmenden Krankheitsbild" sei das Vorliegen der Dienstfähigkeit bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin nicht gegeben. Die in den Ausführungen "des Gutachtens" erwähnte Möglichkeit einer Besserung des Gesundheitszustandes setzte einen Wegfall der Rahmenbedingungen voraus. Da das Krankheitsbild nach den Ausführungen "im Gutachten" aber auf engste mit dem Berufsalltag der Beschwerdeführerin im Zusammenhang stehe, könne bei Aufrechterhaltung der Rahmenbedingungen - nämlich Verbleib "auf einem Arbeitsplatz im langjährigen Berufsumfeld" - von einer derartigen Möglichkeit nicht ausgegangen werden. Das erwähnte Gutachten komme daher klar und auch nicht widersprüchlich zum Schluss, dass ein Dauerzustand vorliege.

Auch die in der Berufung aufgeworfene Frage eines allfälligen Verweisungsarbeitsplatzes sei unter diesem Aspekt zu sehen: Nach dem unbedenklichen Gutachten des BPA sei die Beschwerdeführerin zur Ausübung einer Tätigkeit im Betreuungsbereich überhaupt nicht mehr in der Lage. Bei ihrer Ausbildung und ihrer derzeitigen dienstrechtlichen Stellung käme als Verweisungsarbeitsplatz aber nur ein solcher in Betracht. Dem Vorbringen zur Verletzung der Fürsorgepflicht sei zu entgegnen, dass die Beschwerdeführerin von ihrem langjährigen Arbeitsplatz als Psychologin in der Justizanstalt A. abgezogen, zunächst der Justizanstalt J. zugeteilt und letztlich in die Justizanstalt X. versetzt worden sei. Wie "das vorliegende Gutachten" zeige, haben diese Maßnahmen offenbar keine Auswirkungen im Sinne einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin erbracht. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung der Dienstbehörde bestehe nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 14 Abs. 1 bis 4 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333 (Abs. 1 idF BGBl. Nr. 820/1995, Abs. 3 in der Stammfassung, Abs. 4 idF des Deregulierungsgesetzes-Öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119), lautet:

"Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

§ 14. (1) Der Beamte ist von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

(2) ...

(3) Der Beamte ist dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

(4) Soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs. 1 oder 3 von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, ist vom Bundespensionsamt - ausgenommen für die gemäß § 17 Abs. 1a des Poststrukturgesetzes (PTSG), BGBl. Nr. 201/1996, den dort angeführten Unternehmen zugewiesenen Beamten - Befund und Gutachten einzuholen. Für die gemäß § 17 Abs. 1a PTSG zugewiesenen Beamten ist dafür die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (ab : Pensionsversicherungsanstalt) zuständig.

..."

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 14 BDG 1979 in den Ruhestand versetzt zu werden, weiters durch unrichtige Anwendung der Verfahrensvorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Die Beschwerdeführerin macht (auf das Wesentlichste zusammengefasst) geltend, die belangte Behörde sei auf ihre (inhaltlich wiederholten) Berufungsausführungen nicht oder nicht ausreichend eingegangen. Überdies sei das Gutachten des Dr. B. unrichtig, weil ihre Ängstlichkeit in der Begutachtungssituation vom Gutachter nicht exploriert, sondern von ihr ausdrücklich einbekannt worden sei. Dasselbe gelte für ihr Ziel, als Betriebspsychologin tätig zu werden, sodass von Mangel an Selbstkritik, Flexibilität und Problembewusstsein nicht gesprochen werden könne. Im zentralen Punkt der Behauptung von Wahnvorstellungen habe der Gutachter Dr. B. keine Angaben darüber gemacht, welche ihrer Äußerungen von ihm als wahnhaft qualifiziert würden. Tatsächlich habe ihr Gespräch mit ihm keine einzige Äußerung enthalten, die als wahnhaft erkennbar wäre, sodass es Aufgabe des Sachverständigen wäre, die nach seiner Beurteilung als wahnhaft eingestuften Äußerungen zu bezeichnen. Nur auf solcher Basis könnte die Schlüssigkeitsprüfung des Gutachtens vorgenommen werden.

Dr. Fr. habe auf dem Gutachten Dris. B. aufgebaut und dessen Wertungen oder Schlussfolgerungen noch verschärft, obwohl die Darstellung seiner eigenen Untersuchung nichts enthalte, was diese Schlussfolgerungen zu decken geeignet wäre. Dr. Fr. habe ihr Denken formal in Ordnung befunden und bezüglich der Denkinhalte "überwertige Ideen, paranoide Erlebnisinterpretation mit nur geringer Selbstkritik" angeführt, wobei ungeklärt geblieben sei, ob er dies aus seinem im Gutachten nicht wiedergegebenen Gespräch mit ihr oder aus dem Gespräch Dris. B. abgeleitet habe. Beide Gutachten seien aus sich heraus nicht nachvollziehbar (wird näher ausgeführt).

Dazu komme, dass die belangte Behörde den fachärztlichen Befundbericht (vom ) des Univ. Prof. Dr. G., eines sachverständigen Zeugen mit langjährigen Wahrnehmungen (als Supervisionsorgan), ohne taugliche Begründung und ohne die anderen Gutachter dazu auch nur zu hören, beiseite geschoben habe. Ihre Gesundheit sei durch die diagnostizierte Erwachsenensprue beeinträchtigt gewesen. Aus Gutachtensgrundlagen, denen die Schilderungen von Vorfällen im Dienst zu Grunde lägen, die eindeutig vor ihrer Behandlung im Oktober 2005 stattgefunden hätten, könnte nicht schlüssig die Folgerung einer dauernden Dienstunfähigkeit abgeleitet werden.

Zur Frage eines möglichen Ersatzarbeitsplatzes habe die belangte Behörde nicht dargestellt, welche verschiedenen Arbeitsplatzformen es für einen Beamten ihrer Einstufung gebe. Auch die von der Behörde beigezogenen Sachverständigen seien mit derartigem nicht konfrontiert worden. Die Negierung eines in Frage kommenden Ersatzarbeitsplatzes sei somit "eine bloße apodiktische Behauptung".

Diese Ausführungen führen die Beschwerde zum Erfolg:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 14 Abs. 3 BDG 1979 ist unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten, seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, alles zu verstehen, was die Eignung des Beamten, diesen Aufgaben nachzukommen, dauernd aufhebt. Dazu können nicht nur Gesundheitsstörungen, sondern auch habituelle Charaktereigenschaften und leichtere geistige Störungen gehören, welche eine ordnungsgemäße Führung der dem Beamten übertragenen Geschäfte ausschließen. Diesen Mängeln ist gemeinsam, dass ihr Auftreten bzw. ihre Beseitigung nicht vom Willen des Beamten abhängt, sie also nicht beherrschbar sind.

Dabei ist nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen. Vielmehr sind auch die Auswirkungen solcher Störungen oder Eigenschaften auf seine Dienstfähigkeit, die ihm gesetzlich obliegenden Pflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen dieser Störungen und Eigenschaften auf den Amtsbetrieb entscheidend. Unter dem Begriff der ordnungsgemäßen Versehung des Dienstes ist sowohl eine qualitativ einwandfreie als auch eine mengenmäßig dem normalen Ausmaß entsprechende Dienstleistung zu verstehen. Dazu zu kommen hat die für einen einwandfreien Dienstbetrieb unabdingbare Fähigkeit, mit Kollegen und Vorgesetzten zusammen zu arbeiten und allenfalls auftretende Konflikte zu bereinigen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/12/0028, und vom , Zl. 2002/12/0339, jeweils mwN).

Ob dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist eine Rechtsfrage, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Die Frage der Dienstunfähigkeit ist unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben am (zuletzt innegehabten) Arbeitsplatz bzw. auf die Möglichkeit der Zuweisung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes zu lösen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/12/0352).

An der Möglichkeit einer Heranziehung anderer Beweismittel als ärztlicher Sachverständigengutachten hat die im § 14 Abs. 4 BDG 1979 normierte zwingende Einschaltung des BPA nichts geändert, wird diese doch nur angeordnet, soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs. 1 oder 3 leg.cit. von der Beantwortung einer Frage abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fällt, womit offenbar ein einheitliches Niveau bei der Beurteilung derartiger Fragen sichergestellt werden soll. Die Formulierung des Gesetzes lässt es aber zu, dass die Dienstunfähigkeit wie bisher unter Umständen auch allein oder in Verbindung mit medizinischem bzw. berufskundlichem Fachwissen unter Berücksichtigung sonstiger Tatsachen zu klären ist, deren Beurteilung nicht mit Hilfe des im § 14 Abs. 4 BDG 1979 angesprochenen Fachwissens zu erfolgen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/12/0028).

Der geltende Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, dass die Behörde von einander widersprechenden Beweisergebnissen - worunter unbeschadet des Fehlens der Gutachtenseigenschaft (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/12/0346) auch die Äußerung des Univ. Prof. Dr. G. vom fällt - einige herausgreifen, andere aber ohne taugliche Begründung nicht berücksichtigen dürfte. Vielmehr hat die belangte Behörde inhaltlich argumentierend darzulegen, warum sie bestimmten Beweisergebnissen folgt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/12/0038, mwN).

Im vorliegenden Fall ist eine solche inhaltliche Auseinandersetzung unterblieben. Dazu kommt, dass - wenn auch länger zurückliegend und in anderem Zusammenhang - der Sachverständige für Psychiatrie und Neurologie Dr. K. in seinen Gutachten vom 14. März und vom auf eine psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin hindeutende Symptome verneint hat. Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Prim. Dr. B. hat eine wahnhafte Störung der Beschwerdeführerin in seinem Gutachten vom bejaht, jedoch eine Verbesserung ihres Zustandes zumindest (unter näher dargestellten Umständen) für möglich erachtet. Letzteres wird im Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Fr. vom und in dem - (primär) darauf aufbauenden - Gutachten der leitenden Ärztin des BPA Dr. W. vom , die auch zu einer etwas anderen Diagnose gelangen, verneint.

Es liegen somit einander (zum Teil) widersprechende gutachterliche Meinungen bzw. sonstige Beweisergebnisse vor, die die belangte Behörde zu einer entsprechenden ausführlicheren Auseinandersetzung veranlassen hätten müssen. Im Einzelnen wird dazu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 92/07/0076, verwiesen.

Weiters hat die Beschwerdeführerin (abgesehen vom Fehlen eines Neuerungsverbotes noch vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am ) unter Vorlage der Äußerung des Univ. Prof. Dr. G. eine massive Besserung ihres Gesundheitszustandes geltend gemacht: Ihre Erkrankung und damit verbundene erhebliche Leistungseinschränkungen hätten maßgeblich auf einer Lactoseintoleranz beruht. Nach deren vollständiger Ausheilung (bei ihrem im Oktober 2005 absolvierten Kuraufenthalt) bestehe weit gehende Beschwerdefreiheit. Eine schizoaffektive Störung mit wahnhafter Symptomatik und einem (defizitären) postpsychotischen Residuum liege nicht vor.

Diese Ausführungen hätten die belangte Behörde, worauf die Beschwerdeführerin zutreffend verweist, veranlassen müssen, die Vorgutachter mit der Meinung des Univ. Prof. Dr. G. zu konfrontieren. Sollten dessen Ausführungen nicht klar als unschlüssig falsifizierbar sein, wäre der aktuelle Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin - durch neuerliche Untersuchung - zu erheben und danach unter Bedachtnahme auf die von Univ. Prof. Dr. G. weiters diagnostizierte "ADHS" und deren Behandelbarkeit auf die Frage ihrer dauernden Dienstunfähigkeit neuerlich einzugehen gewesen. Dabei wäre, um die Beurteilung des Kriteriums "dauernd" zu ermöglichen, auch eine Prognose zu stellen gewesen. Dabei erzielte Beweisergebnisse hätte die Dienstbehörde auf die Schlüssigkeit zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen gehabt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/12/0202, mwN).

Schließlich weist die Beschwerdeführerin zutreffend darauf hin, dass die dauernde Dienstunfähigkeit nach § 14 Abs. 1 und 3 BDG 1979 kumulativ das Vorliegen zweier Voraussetzungen verlangt, nämlich die Unfähigkeit der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben des Beamten an seinem aktuellen Arbeitsplatz infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung und die Unmöglichkeit der Zuweisung eines den Kriterien der zitierten Gesetzesbestimmung entsprechenden mindestens gleichwertigen Arbeitsplatzes. Beide Voraussetzungen für das Vorliegen der Dienstunfähigkeit müssen kumulativ und auf Dauer, also für einen nicht absehbaren Zeitraum, vorliegen, damit von einer "dauernden Dienstunfähigkeit" im Verständnis des § 14 Abs. 1 BDG 1979 ausgegangen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/12/0058).

Ist eine Restarbeitsfähigkeit des Beamten gegeben, dann sind vorerst alle Tätigkeiten der in Betracht kommenden Verwendungsgruppe und deren Anforderungen in physischer und psychischer Hinsicht im Wirkungsbereich der Dienstbehörde anzuführen und dazu anzugeben, ob der Beamte auf Grund seiner festgestellten Restarbeitsfähigkeit imstande ist, diese Tätigkeiten auszuüben, wobei es vorerst nicht darauf ankommt, ob diese Arbeitsplätze frei sind (Prüfung der Verweisungstauglichkeit). Wenn sich herausstellt, dass der Beamte auf Grund seiner Restarbeitsfähigkeit überhaupt keine der Verwendungen der betreffenden Verwendungsgruppe wahrnehmen kann, so darf die Behörde vom Nichtvorliegen von Verweisungsarbeitsplätzen und der Unmöglichkeit eines Vorgehens nach § 14 Abs. 3 leg. cit. ausgehen.

Ergibt die Prüfung hingegen, dass Verweisungsarbeitsplätze existieren, so ist weiters zu prüfen, ob diese in Frage kommenden Verweisungsarbeitsplätze zumindest gleichwertig sind und dem Beamten mit Rücksicht auf die persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden können. Die solcherart ermittelten Verweisungsarbeitsplätze sind schließlich auf ihre Verfügbarkeit zu überprüfen. Erst wenn auch diese Prüfung ergibt, dass auf Dauer kein freier Verweisungsarbeitsplatz für den Beamten zur Verfügung steht, dann kann davon ausgegangen werden, dass die Zuweisung eines solchen nicht erfolgen und der Beamte nach der genannten Gesetzesstelle nicht als dienstfähig angesehen werden kann. Das Ergebnis dieser Prüfung ist dem Beamten mit einer nachvollziehbaren Begründung mitzuteilen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/12/0237, und vom , Zl. 2002/12/0339, mwN).

Auch diesen Anforderungen genügt die dargestellte Begründung nicht, sodass der angefochtene Bescheid schon deshalb, ohne dass auf die weitere Argumentation der Beschwerde eingegangen werden musste, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am