VwGH vom 24.07.2013, 2013/10/0112
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde
1. des AH und 2. der MH, beide in G, beide vertreten durch Mag. Dr. Robert Hirschmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börseplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. LF1-FO-121/007-2012, betreffend forstbehördlichen Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom wurde den Beschwerdeführern gemäß § 172 Abs. 6 Forstgesetz 1975 (ForstG) der forstbehördliche Auftrag erteilt, geschüttetes Material im Ausmaß von etwa 35 m3 auf einer Teilfläche einer ehemaligen Mulde des Grundstückes Nr. 1058, KG G., unter größtmöglicher Schonung des überdeckten Waldbodens bis spätestens zu entfernen und die Fläche auf näher bezeichnete Weise mit Bergahorn aufzuforsten.
Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, das Grundstück Nr. 1058, KG G., stehe im Eigentum der Beschwerdeführer und weise laut Grundbuch eine Fläche von 2.683 m2 auf.
Laut Angaben der Beschwerdeführer habe sich im südwestlichen Bereich des Grundstückes eine Mulde befunden, die durch den ehemaligen Lehmabbau entstanden sei. Die Lehmgrube habe sich weiter nach Westen auf das Grundstück Nr. 1059/1, KG G., erstreckt.
Nach den Angaben der Beschwerdeführer seien im Jahr 2011 der Teil der Mulde, der sich auf dem Grundstück der Beschwerdeführer befunden habe, mit Aushubmaterial aufgefüllt, die Böschungen abgeflacht und der Steilhang begehbar gemacht worden. S.W., der zuständige Polier der bauausführenden Firma, habe bestätigt, dass im Zuge der Errichtung einer Abwasseranlage über Auftrag der Beschwerdeführer das Gelände im gegenständlichen Bereich überarbeitet worden sei. Mit einem kleinen Muldenkipper seien etwa 35 m3 Aushubmaterial von der Baustelle in eine muschelartig ausgestaltete Mulde auf dem Grundstück der Beschwerdeführer verführt worden. Bei dem Aushubmaterial habe es sich nicht um den obersten, humosen Bodenhorizont des Aushubes, sondern hauptsächlich um tiefer gelegenes Material des Mineralbodens gehandelt. Die Bäume, welche in der Mulde gewachsen seien, seien nach der Aussage des S.W. zu diesem Zeitpunkt bereits gefällt worden. In dem Teilbereich, der verfüllt worden sei, sei kein Baumbestand vorhanden gewesen. Konkret seien eine in den Hang reichende Mulde mit Aushubmaterial der benachbarten Abwasserbaustelle aufgefüllt, die Oberkante des Hangbruches abgerundet und das Gelände der betroffenen Fläche mit einem Bagger gleichmäßig modelliert worden. Dadurch sei eine korrigierte, gleichmäßig nach Nordosten abfallende Böschung mit einer mittleren Geländeneigung von 42 % entstanden. Der auch in der Mulde vorhandene Waldboden sei somit mit Aushubmaterial überschüttet, das Material ausgebreitet und die ursprüngliche Geländeform verändert worden.
Die belangte Behörde führte weiter aus, Voraussetzung der Erteilung eines forstbehördlichen Auftrages nach § 172 Abs. 6 ForstG sei, dass es sich bei der betreffenden Fläche im Zeitpunkt des Zuwiderhandelns gegen forstrechtliche Vorschriften und zum Zeitpunkt des forstpolizeilichen Auftrages um Wald im Sinne des ForstG gehandelt habe. Auf dem Grundstück Nr. 1058, KG. G., seien sichtbare Veränderungen erfolgt. Der vormals stockende Bestand sei geschlägert worden; die Stöcke der geschlägerten Bäume seien teilweise noch vor Ort gelegen. Bei dem gefällten Baumholz habe es sich um hiebsreife Fichten und einzelne Laubhölzer gehandelt, welche auch in der bzw. im Hangbereich der Mulde gewachsen seien. Darüber hinaus seien auf einem - dem Gutachten des forstfachlichen Amtssachverständigen zugrunde gelegten - Luftbild aus dem Jahr 2007 die Baumkronen des damals noch vorhandenen Bestandes der Waldgrundstücke Nr. 1058 und 1059/1, beide KG G., eindeutig zu erkennen. Auch aufgrund der bei der Begehung noch vorhandenen Stöcke könne davon ausgegangen werden, dass das Grundstück Nr. 1058, KG. G., forstlichen Bewuchs aufgewiesen habe. Der geschlägerte, stellenweise locker bestockte Bestand der ehemaligen Mulde habe ebenfalls die Kriterien der Waldeigenschaft erfüllt, und es sei somit Waldboden vorgelegen.
Dieser Umstand werde zufolge des forstfachlichen Gutachtens durch die Beschaffenheit der nicht überschütteten Oberflächenteile des Hanges bestätigt. Der gegenständliche Teilbereich weise für die Gegend typische Nadelstreu, geringe Humusauflage und Bewuchs mit Waldbodenpflanzen auf. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass auch der Waldboden im nunmehr überschütteten Muldenbereich den gleichen Aufbau gehabt habe. Bei der Beurteilung als Wald im Sinne des ForstG komme es nicht auf das Vorhandensein eines forstlichen Bewuchses an; die Beseitigung des forstlichen Bewuchses ändere nichts an der Qualifikation einer Grundfläche als Wald.
Durch die von den Beschwerdeführern veranlasste Überschüttung sei der ursprüngliche Waldboden der Mulde beeinträchtigt worden. Durch diese Maßnahme sei die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt bzw. vernichtet worden; eine derartige Schüttung stelle daher eine klassische Form der Waldverwüstung im Sinne des § 16 Abs. 2 lit. a ForstG dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 55/2007 (ForstG), lauten wie folgt:
" Begriffsbestimmungen
§ 1a. (1) Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes sind mit Holzgewächsen der im Anhang angeführten Arten (forstlicher Bewuchs) bestockt Grundflächen, soweit die Bestockung mindestens eine Fläche von 1 000 m2 und eine durchschnittliche Breite von 10 m erreicht.
(2) Wald im Sinne des Abs. 1 sind auch Grundflächen, deren forstlicher Bewuchs infolge Nutzung oder aus sonstigem Anlaß vorübergehend vermindert oder beseitigt ist.
(…)
Feststellungsverfahren
§ 5. (1) Bestehen Zweifel, ob
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a) | eine Grundfläche Wald ist oder |
b) | ein bestimmter Bewuchs in der Kampfzone des Waldes oder als Windschutzanlage den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unterliegt, |
so hat die Behörde von Amts wegen oder auf Antrag eines gemäß § 19 Abs. 1 Berechtigten ein Feststellungsverfahren durchzuführen. (…) |
(2) Stellt die Behörde fest, dass die Grundfläche zum Zeitpunkt der Antragstellung oder innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes war, so hat sie mit Bescheid auszusprechen, dass es sich bei dieser Grundfläche um Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes handelt. Weist der Antragsteller nach, dass
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1. | die Voraussetzungen des ersten Satzes nicht zutreffen oder |
2. | eine dauernde Rodungsbewilligung erteilt wurde, und ist inzwischen keine Neubewaldung erfolgt, so hat die Behörde mit Bescheid auszusprechen, dass es sich bei dieser Grundfläche nicht um Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes handelt. |
(…) | |
Waldverwüstung |
§ 16. (1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.
(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen
a) die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet,
(…) wird.
(3) Wurde eine Waldverwüstung festgestellt, so hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung der Waldverwüstung und zur Beseitigung der Folgen derselben vorzukehren. Insbesondere kann sie hiebei in den Fällen des Abs. 2 eine bestimmte Nutzungsart vorschreiben, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist jede Fällung an eine behördliche Bewilligung binden oder anordnen, daß der Verursacher die Gefährdung und deren Folgewirkungen in der Natur abzustellen oder zu beseitigen hat. Privatrechtliche Ansprüche des Waldeigentümers bleiben unberührt.
(…)
Forstaufsicht
§ 172. (…)
(6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere
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a) | die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung, |
b) | die Verhinderung und die Abstandnahme von Waldverwüstungen, |
c) | die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die Wildbachräumung, |
d) | die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden oder Bewuchs oder |
e) | die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen, dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr |
im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen. | |
(…)" |
2.1. Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die Auffassung der belangten Behörde, die gegenständliche Teilfläche stelle Wald im Sinne des ForstG dar, und bringt dazu im Wesentlichen vor, bei dieser Fläche handle es sich nicht um eine Mulde, sondern um eine ehemalige Lehmgrube. Die Argumentation des Amtssachverständigen, wonach jene Bereiche des angrenzenden Grundstückes Nr. 1059/1, KG. G., die Teile der ehemaligen Mulde seien, den für die Region typischen Waldboden zeigten, überzeuge für die Qualifikation der gegenständlichen Fläche der Lehmgrube als Waldboden nicht. Der Zustand der Nachbarliegenschaft sei kein ausreichender Nachweis für die Qualifikation des Bodens der Lehmgrube als Waldboden.
Die gegenständliche Fläche sei bis zum Ankauf durch die Beschwerdeführer brach gelegen und erst nach Auffüllung der Grube im Jahr 2011 mit Fichtencontainerpflanzen im Jahr 2012 aufgeforstet worden. Daher sei bis zu diesem Zeitpunkt jegliche Waldeigenschaft der ehemaligen Grube von vornherein zu verneinen. Dies werde durch die Aussage von S.W., welcher die Errichtungsarbeiten bei dem Kanalbau übernommen habe, untermauert. Dieser habe unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass im Teilbereich der Liegenschaft kein Baumbestand vorhanden gewesen sei, weil zumindest in den letzten Jahrzehnten kein Baum- oder großflächiger Graswuchs an dieser Stelle der Grube vorhanden gewesen sei. Eine Qualifikation als Waldboden wäre daher erst dann anzunehmen, wenn dauernd unbestockte Grundflächen, insoweit sie in einem unmittelbaren räumlichen und forstbetrieblichen Zusammenhang mit Wald stünden, unmittelbar dessen Bewirtschaftung dienten; dies könne bei einer ehemals genutzten Lehmgrube mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
2.2. Damit gelingt es der Beschwerde allerdings nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
Wenn die Waldeigenschaft einer Fläche nicht rechtskräftig nach § 5 ForstG festgestellt worden ist, kann die Waldeigenschaft von der Behörde im Rahmen eines Verfahrens zur Erteilung eines forstpolizeilichen Auftrags als Vorfrage geprüft werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0204, mwN).
Für die Beurteilung, ob eine Fläche Wald ist, kommt es im Übrigen nach § 5 Abs. 2 ForstG darauf an, ob die Fläche innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre Wald war. Auch für die Beantwortung der Vorfrage, ob im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung gegen forstliche Vorschriften die Waldeigenschaft gegeben war, ist nach der hg. Rechtsprechung daher maßgeblich, ob die Fläche im Zeitpunkt des Beginns der Zuwiderhandlung oder innerhalb des davor liegenden Zeitraumes von zehn Jahren Wald gewesen ist (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , mwN).
Wenn die belangte Behörde im vorliegenden Fall (u.a.) mit Blick darauf, dass das dem Gutachten des forstfachlichen Amtssachverständigen zugrunde liegende Orthophoto aus 2007 die Baumkronen des damals vorhandenen Bestandes u.a. des Waldgrundstückes Nr. 1058, KG G., zeigt, und wegen der Beschaffenheit der auf diesem Grundstück noch vorhandenen Stöcke von der Waldeigenschaft der betroffenen Teilfläche ausging, so ist das nicht zu beanstanden.
Davon abgesehen tritt die Beschwerde mit dem wiedergegebenen Vorbringen den (im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen) Ausführungen des forstfachlichen Gutachtens nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen.
3.1. Im Weiteren wendet sich die Beschwerde gegen die - auf das forstfachliche Gutachten gestützte - Auffassung der belangten Behörde, die von den Beschwerdeführern vorgenommene Aufschüttung der Mulde mit Aushubmaterial sei als Waldverwüstung iSd § 16 Abs. 2 lit. a ForstG zu qualifizieren, weil die Produktionskraft des Waldbodens dadurch wesentlich geschwächt bzw. vernichtet worden sei.
Die Beschwerdeführer bringen dazu im Wesentlichen vor, die Grubensohle sei unproduktiver Boden gewesen und erst durch die Auffüllung in einen begeh- und bepflanzbaren bzw. humosen und produktiven Waldboden umgewandelt worden. Durch die Auffüllung der Grube sei somit eine Erleichterung sowohl bei der Bepflanzung wie auch bei der künftigen Durchforstungsarbeit bewirkt worden. Die Lehmgrube sei im Jahre 2011 mit abgezogener Wiesenerde, welche zur Gänze biologisch und mit keiner chemischen Substanz kontaminiert und damit als Füllmittel bestens geeignet gewesen sei, aufgefüllt worden. Im Frühjahr 2012 sei die unproduktive Grubensohle durch Aufforstung zu einem produktiven Waldboden rekultiviert worden.
3.2. Auch mit diesem Vorbringen tritt die Beschwerde den schlüssigen Ausführungen des forstfachlichen Amtssachverständigen, wonach durch die Überschüttung mit Aushubmaterial die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt bzw. vernichtet worden sei, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Die darauf gestützte Auffassung der belangten Behörde, es liege eine Waldverwüstung iSd § 16 Abs. 2 lit. a ForstG vor, weshalb den Beschwerdeführern ein Auftrag gemäß § 172 Abs. 6 ForstG zu erteilen sei, ist daher unbedenklich.
4. Soweit die Beschwerdeführer schließlich vorbringen, sie hätten die Behörde erster Instanz schon im Jahr 2010 über ihre Vorhaben informiert, ist dem zu entgegnen, dass nach § 16 Abs. 1 ForstG jede Waldverwüstung verboten ist. Die behördliche Bewilligung einer Waldverwüstung bzw. ein darauf gerichteter Antrag einer Partei ist somit im Gesetz selbstredend nicht vorgesehen. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerde gehen somit ins Leere.
5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte, und Art. 6 EMRK dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegensteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/10/0091, mwN; zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer Verhandlung nach Art. 6 EMRK unter bestimmten Voraussetzungen vgl. jungst EGMR ,
B 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein).
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-83165