VwGH vom 27.01.2012, 2011/02/0347

VwGH vom 27.01.2012, 2011/02/0347

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des H A in G, vertreten durch Dr. Werner Stolarz, Mag. Rainer Ebert, Rechtsanwälte KG, 2020 Hollabrunn, Hauptplatz 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-HL-11-3000, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer schuldig erachtet, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A GmbH mit Sitz in G zu verantworten, dass diese als Arbeitgeberin am in Wien auf der Baustelle S nicht dafür gesorgt habe, dass gemäß § 19 Abs. 8 Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) die Verwendung von Kränen im Freien einzustellen sei, obwohl sich die Wetterbedingungen derart verschlechtert hätten, dass die Sicherheit von Arbeitnehmern nicht mehr gewährleistet gewesen sei, insbesondere durch Beeinträchtigung der Funktionssicherheit oder der Standsicherheit des Krans.

Wegen Übertretung des § 19 Abs. 8 AM-VO wurde gemäß § 130 Abs. 1 Z. 13 ASchG über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 92 Stunden) verhängt.

Nach Darstellung des Verfahrensganges, insbesondere durch Wiedergabe der Aussagen der bei der belangten Behörde vernommenen Personen, stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass am in Wien auf der Baustelle S der im Freien von der A GmbH aufgestellte Turmdrehkran (Liebherr K 35) in Folge Windeinwirkung (Windböe) umgestürzt und ein Arbeitnehmer verletzt worden sei. Seitens der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) sei für den ein starker Wind bis 80 km/h für das Stadtgebiet von Wien prognostiziert worden, was veröffentlicht worden sei. Dem Beschwerdeführer sei die veröffentlichte Mitteilung der ZAMG nicht bekannt gewesen. In der Wetterwarnung der ZAMG sei der Prognosezeitraum mit 3.00 Uhr bis 10.00 Uhr angegeben gewesen. Die Veröffentlichung sei vor dem Umstürzen des Kranes erfolgt und sei zugänglich gewesen. Der Kran sei an der Baustelle S in 1130 Wien ordnungsgemäß aufgebaut und gesichert gewesen. Die Hebelast sei offensichtlich nicht überhöht gewesen. Der Beschreibung und der Betriebsanweisung für den Turmdrehkran sei zu entnehmen, dass bei Sturm (Windstärke 8 bzw. 71 km/h Windgeschwindigkeit), der Kran stillzusetzen, die Laufkatze in minimale Ausladung zu bringen und der Ausleger in die Windrichtung zu drehen sei. Beim schienengebundenen Einsatz seien die Schienenzangen zu schließen. Am gegenständlichen Kran sei kein Windmesser angebracht gewesen. Auf der Baustelle S habe es keine Einrichtung oder keine technische Möglichkeit gegeben, die Windgeschwindigkeit feststellen zu können. Es habe auch keine technischen Möglichkeiten gegeben, sich über einen Sturm oder sonstige Witterungsverhältnisse Kenntnis zu verschaffen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, es sei zur Unfallszeit mit den zur Verfügung stehenden technischen Mitteln (Internet, internetfähiges Handy, etc.) möglich gewesen, sich genau Kenntnisse über aktuelle und zukünftige Wetter- und Windverhältnisse im gesamten Bundesgebiet zu verschaffen. Die Heranziehung derartiger technischer Hilfsmittel sei vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden. Im Übrigen hätten sich die Arbeitnehmer vor Ort auf die Erfahrung gestützt, bis zu welcher Windgeschwindigkeit mit dem Kran gearbeitet werden dürfe. Die für den konkreten Kran festgesetzte Windstärke sei offensichtlich nicht bekannt gewesen. Der Umsturz des Kranes sei auf eine starke Windböe zurückzuführen gewesen. Wenn bei Arbeitsbeginn die Windstärke noch kein Thema gewesen sei, hätte im Verlauf des Tages auf die geänderten Windverhältnisse reagiert werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt in der Beschwerde das Unterbleiben der Beischaffung von Akten der Staatsanwaltschaft Wien, denen zu Folge das gegen zwei Mitarbeiter der A GmbH wegen des umgestürzten Kranes eingeleitete Strafverfahren eingestellt worden sei.

Der Beschwerdeführer führt jedoch nicht konkret aus, was aus diesem Verfahren für das vorliegende Verfahren für ihn zu gewinnen gewesen wäre. Es fehlt somit an der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels. Auch bestünde im vorliegenden Verfahren keinerlei Bindung der belangten Behörde an Ergebnisse des angeführten Verfahrens der Staatsanwaltschaft Wien, zumal es sich dabei um gegen andere Parteien geführte Ermittlungen der Staatsanwaltschaft handelt.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt rügt der Beschwerdeführer die im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde vertretene Ansicht, die Windböe, die den Kran zum Umstürzen gebracht habe, sei nicht vorhersehbar gewesen, weshalb den Beschwerdeführer kein Verschulden an der Übertretung des § 19 Abs. 8 AM-VO treffe.

Gemäß § 19 Abs. 8 AM-VO ist die Verwendung von Kränen im Freien einzustellen, sobald sich die Wetterbedingungen derart verschlechtern, dass die Sicherheit von ArbeitnehmerInnen nicht mehr gewährleistet ist, insbesondere durch Beeinträchtigung der Funktionssicherheit oder der Standsicherheit des Krans.

Unbekämpft geblieben sind die Feststellungen, dass es für den Unfallzeitpunkt eine Sturmwarnung mit Windgeschwindigkeiten bis zu 80 km/h gegeben habe und dass gemäß der Betriebsanweisung des in Rede stehenden Kranes der Kran bei einer Windgeschwindigkeit ab 71 km/h jedenfalls stillzusetzen sei. Die Vorhersage für Windgeschwindigkeiten bis zu 80 km/h der ZAMG für das Stadtgebiet von Wien wurde - ebenfalls unbestritten festgestellt - veröffentlicht und ist allgemein zugänglich gewesen.

Diesen Sachverhalt zu Grunde gelegt kann somit keine Rede davon sei, dass Windböen wie jene, die den Kran zum Umstürzen gebracht haben, nicht vorhersehbar gewesen seien. Der Beschwerdeführer hatte keine Kenntnis von den zu erwartenden Wetterbedingungen, obwohl er sich diese leicht verschaffen hätte können.

In der Beschwerde verweist der Beschwerdeführer auch auf ein Kontrollsystem, das darin bestehe, dass ein Polier die Baustellen wettermäßig im Internet beobachte und gegebenenfalls die Poliere vor Ort informiere. Auch der Beschwerdeführer informiere telefonisch, wenn ein Gewitter zu erwarten sei. Zudem habe der zuständige Polier seine Tätigkeit seit 23 Jahren ausgeübt und sei dieser auf Grund seiner Erfahrung durchaus in der Lage gewesen abzuschätzen, ob die Wetterverhältnisse gefährlich seien oder nicht. Wäre dies konkret der Fall gewesen, so wären die Arbeiten eingestellt worden.

Selbst wenn diese Behauptungen über die Einrichtung eines Kontrollsystems zuträfen, wird damit kein Kontrollsystem beschrieben, das den von der ständigen Judikatur gestellten Anforderungen für dessen Wirksamkeit genügte (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/02/0322, mwN).

Wurde aber kein wirksames Kontrollsystem eingerichtet, hat es der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A GmbH zu verantworten, dass diese als Arbeitgeberin nicht dafür gesorgt hat, dass die Verwendung des Turmdrehkranes eingestellt wurde, obwohl sich die Wetterbedingungen derart verschlechtert haben (Sturm bis 80 km/h), dass die Sicherheit von Arbeitnehmern - wie der Unfall auch gezeigt hat - nicht mehr gewährleistet war.

Da demnach bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am