VwGH vom 16.12.2011, 2011/02/0344
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des G B in G, vertreten durch Dr. Kurt Fassl, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 10/3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom , Zl. E 002/06/2011.094/004, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erachtet, er habe am gegen 18.10 Uhr ein näher umschriebenes Fahrrad an einem näher bezeichneten Ort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Er habe dadurch eine Übertretung des § 5 Abs. 1 i.V.m.
§ 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 800.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 7 Tage) verhängt wurde.
In der Begründung wird u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am Tattag gegen 18.10 Uhr ein Fahrzeug gelenkt. Er sei zu einem Alkomattest aufgefordert worden, welchen er um 19.22 und 19.23 Uhr abgelegt habe. Er habe nicht bestritten, dass bei beiden Messungen eine Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,38 mg/l festgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe sich allein dahingehend gerechtfertigt, dass dieses Ausmaß der Alkoholisierung zur Tatzeit noch nicht vorgelegen habe, weil er kurz vor Fahrtantritt noch Alkohol konsumiert und sich demnach in der Anflutungsphase befunden habe.
Den Erstangaben laut Anzeige zufolge habe der Beschwerdeführer bei der Amtshandlung angegeben, zwischen 16.30 Uhr und 17.00 Uhr ¼ Liter weißen Spritzer getrunken zu haben. Weiters sei in der Anzeige vermerkt, dass er keine Angaben über einen Sturztrunk gemacht habe. Erst im Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft habe der Beschwerdeführer - dann bereits anwaltlich vertreten - behauptet, dass er unmittelbar vor Antritt der Fahrt noch ein Glas Bier getrunken habe. Dies habe die Behörde erster Instanz als unglaubwürdig angesehen.
Nach dem Ergebnis der Atemluftuntersuchung sei von einem AAK von 0,38 mg/l auszugehen. Alkohol werde im Körper abgebaut, sodass der Grad der Alkoholisierung auf den früheren Lenkzeitpunkt zurückzurechnen sei. Die vom Beschwerdeführer vertretene These, dass dies in der Anflutungsphase nicht zu erfolgen habe, widerspreche der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, welcher unter Hinweis auf die Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft davon ausgehe, dass der Abbau des Blutalkoholgehaltes ein kontinuierlicher Vorgang sei. Unter Zugrundelegung des für den Beschwerdeführer günstigsten stündlichen Abbauwertes von 0.10 Promille sei mindestens dieser Wert der festgestellten Alkoholisierung von 0,78 Promille hinzuzurechnen. Zwischen dem Lenkzeitpunkt und der Atemluftuntersuchung sei im Anlassfall sogar noch etwas mehr als eine Stunde gelegen. Jedenfalls sei von einer Alkoholisierung im Ausmaß von 0,88 Promille auszugehen. Dies könne durch Addition einfach festgestellt werden und bedürfe keines ärztlichen Sachverständigengutachtens.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet u.a. ein, eine Rückrechnung sei im gegenständlichen Fall nicht korrekt, weil der Beschwerdeführer unwidersprochen kurz vor Antritt seiner Fahrt ein alkoholisches Getränk zu sich genommen habe, das im Unfallszeitpunkt noch gar nicht wirksam gewesen sei; der Alkoholisierungsgrad habe somit zu keinem Zeitpunkt über 0,8 Promille betragen. Eine Rückrechnung widerspreche den logischen Denkgesetzen, weil das Getränk zum Unfallszeitpunkt um 18.10 Uhr noch gar nicht resorbiert worden sei. Die belangte Behörde hätte allenfalls einen medizinischen Sachverständigen beiziehen müssen; das bloße Hinzurechnen von 0,1 Promille stelle ein unzulässiges theoretisches Rechenexempel dar, das auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht hätte Anwendung finden dürfen.
In den Fällen eines behaupteten Alkoholkonsums kurz vor dem Tatzeitpunkt hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 StVO 1960 zum Ausdruck gebracht, dass die - nachträgliche - Feststellung des Atemluftalkoholgehaltes (bzw. Blutalkoholgehaltes) auch dann zur Anwendung dieser Bestimmung zu führen hat, wenn sich der Lenker im Lenkzeitpunkt (noch) in der "Anflutungsphase" befunden hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/02/0040, m.w.N.).
Dass die Hinzurechnung eines fiktiven Abbauwertes zu einem gemessenen Blut- oder Atemluftalkoholwert im Falle eines Sturztrunkes oder Nachtrunkes unzulässig sei, kann der hg. Judikatur nicht entnommen werden. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher bei der von der belangten Behörde vorgenommenen Rückrechnung des Blutalkoholwertes keine Rechtswidrigkeit zu erkennen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/02/0023, m.w.N.).
Darüber hinaus wird mit dem Vorbringen betreffend den für die Rückrechnung herangezogenen Abbauwert keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, zumal die belangte Behörde bei der Rückrechnung auf der Grundlage der bisherigen Judikatur von dem noch dazu für den Beschwerdeführer günstigeren Abbauwert von 0,10 Promille pro Stunde ausgegangen ist, sodass es dem gerügten Verfahrensmangel an der Wesentlichkeit fehlt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bedurfte es auch hinsichtlich der Höhe des Abbauwertes nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens (vgl. zu dem Ganzen das vorzitierte hg. Erkenntnis vom , m.w.N.).
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-83119