VwGH vom 22.04.2015, 2013/10/0097
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des C G in G, vertreten durch Mag. Elke Weidinger, Rechtsanwältin in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 1/VIII, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA11A B26-3126/2011-3, betreffend Behindertenhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom wurde dem Beschwerdeführer die Leistung "Freizeitassistenz" gemäß § 22 Abs. 2 Steiermärkisches Behindertengesetz (Stmk. BHG) für den Zeitraum bis im Ausmaß von 200 Jahresstunden zuerkannt und der 10 %ige Selbstbehalt gemäß § 29 Abs. 3 Stmk. BHG zur Gänze erlassen.
Mit weiterem Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom wurde dem Beschwerdeführer die Leistung "Wohnassistenz" gemäß § 21 Stmk. BHG für den Zeitraum bis im Ausmaß von 480 Jahresstunden zuerkannt und der 10 %ige Selbstbehalt gemäß § 29 Abs. 3 Stmk. BHG zur Gänze erlassen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde den dagegen erhobenen Berufungen des Beschwerdeführers, in denen die Zuerkennung von 480 Jahresstunden "Freizeitassistenz" bzw. 734 Jahresstunden "Wohnassistenz" für den oben genannten Zeitraum beantragt wurde, keine Folge und bestätigte die erstinstanzlichen Bescheide. Dabei stützte sich die belangte Behörde auf die §§ 2, 3 Abs. 1 lit. l und m, 21 und 22 Stmk. BHG.
Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, mit sei die Novelle LGBl. Nr. 43/2011 zur Leistungs- und Entgeltverordnung zum Stmk. BHG (LEVO StBHG) und mit die Novelle LGBl. Nr. 62/2011 zum Stmk. BHG in Kraft getreten. Die LEVO StBHG sehe in der novellierten Fassung eine Höchstgrenze für die bescheidmäßige Zuerkennung von "Freizeitassistenz" von 200 Jahresstunden sowie eine Höchstgrenze für die bescheidmäßige Zuerkennung von "Wohnassistenz" von 480 Jahresstunden vor. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 218/12-15, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Da die vorliegende Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof noch vor dem dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurde, sind gemäß § 8 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung und des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
Das Steiermärkische Behindertengesetzes, LGBl. Nr. 26/2004 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 10/2012 (Stmk. BHG), lautet auszugsweise wie folgt:
" § 1
Ziele
Ziel dieses Gesetzes ist es, Menschen mit Behinderung zu unterstützen, damit sie an der Gesellschaft in gleicher Weise wie nicht behinderte Menschen teilhaben und ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können. Durch Gesetzesmaßnahmen, Leistungen und Beratung sollen Menschen mit Behinderung altersentsprechend Zugang zu den verschiedenen Lebensbereichen wie Familie, Erziehungs- und Bildungswesen, Arbeit und Beschäftigung, Gesundheitsversorgung sowie Kultur und Freizeit haben, um ihnen - wie nicht behinderten Menschen auch - die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
§ 2
Voraussetzungen der Hilfeleistungen
(1) Menschen mit Behinderung haben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes einen Rechtsanspruch auf Hilfeleistungen.
...
§ 3
Arten der Hilfeleistungen
(1) Als Hilfeleistung für einen Menschen mit Behinderung kommen in Betracht:
...
Tabelle in neuem Fenster öffnen
l) | Hilfen zum Wohnen |
m) | Entlastung der Familie und Gestaltung der Freizeit |
... |
(2) Dem Menschen mit Behinderung steht ein Anspruch auf eine bestimmte in Abs. 1 lit. a bis q genannte Hilfeleistung nicht zu.
...
§ 21
Hilfe zum Wohnen
(1) Menschen mit Behinderung, die allein oder in einer Wohngemeinschaft, jedenfalls aber nicht in einer Einrichtung der Behindertenhilfe gemäß § 43 wohnen, können Hilfe zum Wohnen durch mobile Wohnbetreuung in Anspruch nehmen.
...
(3) Hilfe zur mobilen Wohnbetreuung umfasst die Unterstützung und Qualifikation von Menschen mit Behinderung mit dem Ziel, ihre Kompetenz in der Durchführung der alltäglichen Verrichtungen und sonstigen Anforderungen, die selbstständiges Wohnen mit sich bringt, zu erhöhen.
§ 22
Entlastung der Familie sowie der eingetragenen
Partnerinnen/eingetragenen Partner
und Gestaltung der Freizeit
(1) Menschen mit Behinderung, die von ihren Familienmitgliedern oder eingetragenen Partnerinnen/eingetragenen Partnern ständig betreut werden, ist zur Entlastung der Angehörigen stundenweise Hilfe durch einen Familienentlastungsdienst zu gewähren.
(2) Die Hilfe durch Freizeitassistenz hat die Aufgabe, stundenweise an der Gestaltung der Freizeit des Menschen mit Behinderung mitzuwirken, wenn dazu der Mensch mit Behinderung, seine Familie oder die eingetragene Partnerin/der eingetragene Partner nicht in der Lage sind.
(3) Das Ausmaß der Hilfen gemäß Abs. 1 und 2 richtet sich nach Art und Schwere der Beeinträchtigung des Menschen mit Behinderung, dessen Lebensalter, der familiären Situation und den dem Menschen mit Behinderung nach diesem Gesetz gewährten sonstigen Hilfeleistungen.
...
§ 29
Höhe der Hilfe zum Wohnen und der Hilfen zur Entlastung der Familie sowie der eingetragenen Partnerinnen/eingetragenen Partner und zur Gestaltung der Freizeit
(1) Die Höhe der Hilfe zum Wohnen und der Hilfen zur Entlastung der Familie sowie der eingetragenen Partnerinnen/eingetragenen Partner und zur Gestaltung der Freizeit hängt vom individuellen Hilfebedarf des Menschen mit Behinderung ab. Dieser ist insbesondere nach den Lebensumständen sowie dem Ausmaß der Betreuung des Menschen mit Behinderung außer Haus zu beurteilen.
(2) Vom monatlichen Entgelt für die Hilfen gemäß Abs. 1 haben der Mensch mit Behinderung, seine Ehegattin/sein Ehegatte, seine eingetragene Partnerin/sein eingetragener Partner oder seine Eltern im Rahmen der zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung einen Anteil von 10 % selbst zu tragen.
(3) In finanziellen Härtefällen kann der Eigenanteil gemäß Abs. 2 verringert oder gänzlich erlassen werden.
...
§ 47
Leistungs- und Entgeltverordnung
(1) Die Landesregierung erlässt für die zu erbringenden mobilen, ambulanten, teilstationären und vollstationären Leistungen sowie für die Geldleistungen eine Leistungs- und Entgeltverordnung. Diese hat insbesondere Bestimmungen über
1. die sachlichen, fachlichen und personellen Erfordernisse der für die Erbringung der Hilfe notwendigen Leistungen,
2. die Kriterien für die Ermittlung des Grades der Beeinträchtigung,
Tabelle in neuem Fenster öffnen
3. | die Maßnahmen der Qualitätssicherung und des Controllings, |
4. | die Entgelte bzw. Höchstgrenzen für die Leistungen gemäß Z 1, |
5. | die Ab- und Verrechnung sowie |
6. | die Leistungskontingente, die Kilometerleistungen sowie die Kombinierbarkeit der Dienste gemäß § 45 mit Leistungen in Einrichtungen gemäß § 43. |
zu erlassen." | |
Die aufgrund § 47 Abs. 1 Stmk. BHG erlassene Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom über die Festlegung von Leistungen und Leistungsentgelten nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz, LGBl. Nr. 43/2004 in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 116/2011 (LEVO StBHG), lautet - auszugsweise - wie folgt: | |
"§ 3 | |
Zusätzliche Kostenübernahmen | |
Wenn es das Wohl des Menschen mit Behinderung erfordert, können zusätzlich Kosten für mobile oder ambulante Leistungen übernommen werden." |
2.1. Die Beschwerde macht zunächst geltend, der angefochtene Bescheid sei deshalb inhaltlich rechtswidrig, weil er dem Stmk. BHG nicht entspreche. Im Stmk. BHG seien Höchstgrenzen für die Zuerkennung der hier in Rede stehenden Leistungen erst mit Wirksamkeit ab festgesetzt worden.
Zu diesem Vorbringen genügt es auf den oben genannten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom hinzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die vom Beschwerdeführer geäußerten Bedenken nicht zu teilen.
2.2. Die Beschwerde bringt sodann im Wesentlichen vor, die belangte Behörde übersehe, dass § 3 LEVO StBHG einen Zuspruch von zusätzlichen Kosten für mobile oder ambulante Leistungen unter besonderen Umständen zulasse. Der belangten Behörde sei insofern eine falsche Ermessensbeurteilung vorzuwerfen.
Mit diesem Vorbringen wird allerdings keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt:
Nach der zu den §§ 2 und 3 Stmk. BHG ergangenen hg. Rechtsprechung kann der Behinderte einen Bescheid, mit dem ihm ausschließlich eine bestimmte, konkret beantragte Maßnahme nach diesen Bestimmungen verweigert, der Anspruch auf Hilfeleistung zur Deckung jenes Bedarfs, der durch die beantragte Maßnahme gedeckt werden soll, aber nicht generell verneint wird, nicht wegen behaupteter Rechtswidrigkeit erfolgreich bekämpfen. Der Behinderte hat nämlich - ungeachtet seines Rechtsanspruchs auf Hilfeleistung gemäß § 2 Abs. 1 Stmk. BHG - nach § 3 Abs. 2 Stmk. BHG keinen Rechtsanspruch auf eine bestimmte Art der in § 3 Abs. 1 Stmk. BHG genannten Hilfeleistungen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2012/10/0252, und vom , Zl. 2012/10/0074, mwN).
Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall, in welchem dem Beschwerdeführer die beantragte Leistung nach § 3 Abs. 1 lit. l und m Stmk. BHG zwar im Ausmaß von 200 Jahresstunden ("Freizeitassistenz") bzw. 480 Jahresstunden ("Wohnassistenz"), nicht aber - wie beantragt - im Ausmaß von 480 bzw. 734 Jahresstunden zuerkannt wurde, anzuwenden. Auch dadurch wurde dem Beschwerdeführer zwar die konkret beantragte, bestimmte Maßnahme verweigert, sein Anspruch auf Hilfeleistung wurde aber nicht generell verneint.
3. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
DAAAE-83117