VwGH vom 27.04.2012, 2011/02/0342
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde der E L in K, vertreten durch Dr. Karlheinz De Cillia, Mag. Michael Kalmann, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Kraßniggstraße 46, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS- 67/10/2011, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin für schuldig erachtet, sie habe am um 5.45 Uhr in K ein Fahrrad in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und sich um 5.56 Uhr in K vor der Seebühne gegenüber dem einschreitenden und besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Polizeibeamten geweigert, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Sie habe dadurch § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 verletzt, weshalb über sie eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt wurde.
In der Begründung gab die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und stellte fest, die Beschwerdeführerin sei am um 5.45 Uhr in K von der S-Bar kommend Richtung F-Strand mit dem Fahrrad gefahren. Mit der Beschwerdeführerin seien Herr Z mit seinem eigenen Fahrrad mitgefahren und Frau W, die bei Herrn Z am Fahrrad mitgefahren sei. Alle drei seien von der S-Bar gekommen. Dort habe die Beschwerdeführerin zwei Getränke konsumiert, ein Bier und kurz vor der Abfahrt noch einen Tequila. Die beiden Polizeibeamten RI M und seine Kollegin I K seien mit dem Dienstfahrzeug bei der S-Bar Richtung F-Strand vorbeigefahren und haben sehen können, wie die Beschwerdeführerin und ihr Bekannter auf das Fahrrad aufgestiegen und mit diesem gefahren seien. Die Polizeibeamten hätten sodann eine Verkehrskontrolle durchgeführt, wobei sie Alkoholisierungssymptome bei der Beschwerdeführerin festgestellt hätten. Die Beschwerdeführerin sei aufgefordert worden einen Test mit dem Vortestgerät durchzuführen. Dieser Aufforderung sei die Beschwerdeführerin nachgekommen. Da das Ergebnis 0,9 mg/l Atemluft gewesen sei, sei die Beschwerdeführerin zu einem Test mit dem Alkomaten bei der Dienststelle aufgefordert worden. Auch Herr Z sei zu einem Test mit dem Alkomaten aufgefordert worden und sei gleich in das Dienstfahrzeug eingestiegen. Die Beschwerdeführerin selbst sei zunächst nicht in das Fahrzeug eingestiegen, sondern habe wissen wollen, wie hoch die Strafe sei im Falle eines positiven Ergebnisses. Der anzeigende Beamte habe der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die Strafe vom Strafamt festgelegt werde und ihr daher diese Auskunft nicht gegeben werden könne. Die Beschwerdeführerin sei vom anzeigenden Beamten mehrmals aufgefordert worden, in das Dienstkraftfahrzeug einzusteigen, damit sie einen Test mit dem Alkomaten bei der Dienststelle machen könne. Der Beschwerdeführerin sei auch mehrmals erklärt worden, dass für den Fall ihrer Weigerung mitzufahren eine Alkotestverweigerung vorläge. Die Beschwerdeführerin habe die Mitfahrt verweigert. Die Fahrräder seien in der Zwischenzeit von Frau W auf die Seite gestellt worden.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, die Feststellungen hätten sich auf die Aussagen der beiden Beamten sowie der Beschwerdeführerin selbst und des Herrn Z gestützt. Das Beweisverfahren habe auch klar ergeben, dass die Beschwerdeführerin aufgefordert worden sei, einen Test mit dem Alkomaten an der Dienststelle durchzuführen. Dies werde von ihr auch nicht bestritten. Wenn die Beschwerdeführerin ausführe, dass sie sich in das Polizeikraftfahrzeug gesetzt habe und der Beamte die Beschwerdeführerin zum Aussteigen aufgefordert habe, nachdem dieser mit Herrn D geredet habe, so sei dem die Aussage des Herrn D entgegen zu halten, der ausgesagt habe, dass er sich nur daran erinnern könne, dass Herr Z im Fahrzeug gesessen habe. Die Beschwerdeführerin habe sich zu diesem Zeitpunkt nicht im Fahrzeug befunden, sie sei draußen gewesen. Herr D sei erst gegen Ende der Amtshandlung dazu gestoßen. Er sei ein Freund von Herrn Z und habe wissen wollen, warum dieser im Polizeifahrzeug sitze, deshalb sei er zum Tatort gekommen. Weiters sei dem die Aussage des anzeigenden Beamten entgegen zu halten, der ebenfalls ausgeführt habe, dass die Beschwerdeführerin nicht in das Dienstkraftfahrzeug eingestiegen sei. Lediglich Herr Z habe ausgesagt, dass sich die Beschwerdeführerin ebenfalls im Dienstfahrzeug befunden habe. Das Beweisverfahren habe auch klar ergeben, dass die Beschwerdeführerin darüber aufgeklärt worden sei, dass sie den Alkotest verweigere, wenn sie nicht mit dem Dienstkraftfahrzeug mitfahre. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum der anzeigende Beamte, wenn die Beschwerdeführerin der Mitfahrt zugestimmt hätte, nicht losgefahren sein soll, zumal sich Herr Z schon im Fahrzeug befunden habe und nur die Beschwerdeführerin selbst noch mit den Polizeibeamten diskutiert habe. Vielmehr scheine dies eine Schutzbehauptung der Beschwerdeführerin zu sein. Den Aussagen der beiden Beamten und des Herrn D sei jedenfalls mehr Glauben zu schenken als der Aussage der Beschwerdeführerin und des Herrn Z. Den Zeugenaussagen der beiden Beamten sei auch zu entnehmen, dass Herr Z lediglich auf Grund des Einwirkens der Beschwerdeführerin wieder aus dem Dienstkraftfahrzeug ausgestiegen sei. Die Argumentation, dass die Beschwerdeführerin Frau W nicht habe alleine zurück lassen wollen, sei nicht nachvollziehbar, zumal es sich beim Tatort laut Angaben der Beamten um keine gefährliche Gegend handle und es auch schon hell gewesen sei. Auch der Hinweis, dass die Fahrräder abgesperrt bei Seite gestellt worden seien, liefere keinen Beweis dafür, dass die Beschwerdeführerin zur Mitfahrt bereit gewesen sei, zumal nicht sie selbst die Fahrräder abgestellt habe, sondern Frau W. Bei diesem Verfahrensergebnis habe auf die Einvernahme der Frau W verzichtet werden können, da die Beweislage klar dargelegt habe, dass die Beschwerdeführerin die Mitfahrt zur Dienststelle verweigert habe.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zur Verweigerung aus, dass das Beweisverfahren klar ergeben habe, dass sich die Beschwerdeführerin geweigert habe, in das Dienstkraftfahrzeug einzusteigen und an der nächstgelegenen Dienststelle einen Test mit dem Alkomaten durchzuführen. Die Beschwerdeführerin habe dadurch das Tatbild des § 5 Abs. 2 StVO erfüllt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde erkennbar wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
Nach der Rechtsprechung liegt eine Verweigerung der Atemluftuntersuchung auch dann vor, wenn sich der Betreffende der Anordnung, im Streifenwagen mitzufahren, um im nächstgelegenen Wachzimmer die Untersuchung durchführen zu lassen, widersetzt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2001/02/0241, mit Verweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 91/02/0028).
Die belangte Behörde hat die Verweigerung der Atemluftuntersuchung durch die Beschwerdeführerin ausschließlich damit begründet, das sich diese geweigert habe, in das Dienstkraftfahrzeug einzusteigen und an der nächstgelegenen Dienststelle einen Test mit dem Alkomaten durchzuführen.
In ihrer Beschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Unterlassung der Einvernahme der Zeugin W. Dadurch habe die belangte Behörde eine unzulässige vorwegnehmende Beweiswürdigung vorgenommen.
Die Unterlassung der Einvernahme der Zeugin W begründete die belangte Behörde mit dem Umstand, dass bei "diesem Verfahrensergebnis ... auf die Einvernahme der Frau W. verzichtet werden (konnte), da die Beweislage klar darlegt, dass die (Beschwerdeführerin) die Mitfahrt zur Dienststelle verweigert hat."
Nach der Rechtsprechung hat die Behörde gemäß § 45 Abs. 2 AVG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Die freie Beweiswürdigung bezieht sich auf die bereits vorliegenden Ergebnisse eines Ermittlungsverfahrens; es ist nicht zulässig ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen. Beweisanträge dürfen nur abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0102, mwN).
Entgegen dem Gebot, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise nicht vorwegzunehmen, hat die belangte Behörde mit der Begründung, das Gegenteil des von der beantragten Zeugin W zu beweisenden Umstandes, die Beschwerdeführerin sei im Polizeifahrzeug gesessen, sei bereits erwiesen, die Einvernahme der Zeugin W unterlassen.
Durch die Unterlassung der Einvernahme der Zeugin W hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-83116