VwGH vom 09.06.2020, Ra 2019/13/0113
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des L in G, vertreten durch die TPA Regio Steuerberatung GmbH in 3500 Krems, Schwedengasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103018/2019, betreffend Einkommensteuer 2012, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Der Revisionswerber erzielte im Streitjahr u.a. Einkünfte aus selbständiger (ärztlicher) Tätigkeit.
2Mit Ersuchen um Ergänzung vom teilte das Finanzamt dem Revisionswerber mit, dem Finanzamt sei bekannt geworden, dass der Revisionswerber im Jahr 2012 nach seinem verstorbenen (ebenfalls als Arzt tätig gewesenen) Vater Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer erhalten habe. Bestattungsbeihilfe (4.000 €) sowie Hinterbliebenenunterstützung (5.516,51 €) seien bereits in der Abgabenerklärung enthalten gewesen; die Ablebensversicherung (28.549,52 €) hingegen nicht. Diese Beträge seien gemäß § 22 Z 4 iVm § 32 (Abs. 1) Z 2 EStG 1988 beim Rechtsnachfolger (also beim Revisionswerber) zu versteuern.
3Der Revisionswerber teilte hiezu mit, die Ärztekammer versuche mit dem Bundesminister für Finanzen abzuklären, ob die Ablebensversicherung steuerpflichtig sei.
4Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt - nach Wiederaufnahme des Verfahrens - die Einkommensteuer für das Jahr 2012 neu fest. Darin wurden die Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer als steuerpflichtig behandelt.
5Der Revisionswerber erhob gegen den Einkommensteuerbescheid Beschwerde. Die Leistungen des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer hätten bereits von seinem Vater im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe (1989) als Betriebseinnahmen aktiviert und versteuert werden müssen. Sein Vater hätte diese Ansprüche verpfänden und abtreten können; die Forderung sei bereits damals entstanden.
6Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
7Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Vater des Revisionswerbers habe keinen Anspruch auf die zu beurteilenden Leistungen gehabt, da der Anspruch erst mit dem Tod des Vaters des Revisionswerbers entstanden sei. Anspruchsberechtigter sei der Revisionswerber und nicht sein Vater. Eine Forderung sei aber erst dann auszuweisen, wenn sie entstanden sei. Für den Vater des Revisionswerbers, dem diese Leistungen nicht zugestanden seien, habe daher bei der Betriebsaufgabe weder die Verpflichtung noch die Möglichkeit bestanden, den Anspruch zu aktivieren. Den Ausführungen des Revisionswerbers, ein Dritter, der die Ordination kaufe, würde im Rahmen des Gesamtkaufpreises für diesen Anspruch auch einen Wert ansetzen, sei entgegenzuhalten, dass dieser fremde Dritte keinen Wert für eine Leistung ansetzen würde, auf die er keinen Anspruch habe. Die Beträge seien gemäß § 22 Z 4 iVm § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 beim Rechtsnachfolger - hier also beim Revisionswerber - einkommensteuerpflichtig.
9Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege nicht vor, wenn es trotz fehlender Rechtsprechung auf Grund der eindeutigen Rechtslage keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedürfe. Durch die im angefochtenen Erkenntnis geschilderte Rechtslage sei hinreichend geklärt, dass eine Berücksichtigung der vom Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer geleisteten Hinterbliebenenunterstützung und Bestattungsbeihilfe im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe beim Rechtsvorgänger nicht in Frage komme, weshalb trotz Fehlens einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Rechtsfrage die Revision nicht zuzulassen gewesen sei.
10Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Zur Zulässigkeit wird insbesondere geltend gemacht, zur strittigen Rechtsfrage bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Beim Bundesfinanzgericht lägen derzeit schon Dutzende gleichgelagerte Fälle zur Entscheidung. Das Bundesfinanzgericht habe sich mit der vom Revisionswerber geltend gemachten Verfügungsmöglichkeit des Rechtsvorgängers hinsichtlich dieser Leistungen nicht auseinandergesetzt.
11Nach Einleitung des Vorverfahrens hat das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
12Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
14Gemäß § 22 Z 4 EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit sie nicht unter § 25 EStG 1988 fallen, Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
15Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1988 u.a. auch Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 (z.B. Gewinne aus dem Eingang abgeschriebener Forderungen oder Verluste aus dem Ausfall von Forderungen), und zwar jeweils auch beim Rechtsnachfolger.
16Korrespondierend zu § 22 Z 4 EStG 1988 normiert § 4 Abs. 4 Z 1 lit. b EStG 1988, dass Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Unfall-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen, Betriebsausgaben sind.
17Dass es sich bei den hier zu beurteilenden Leistungen nicht um solche nach § 25 EStG 1988, insbesondere nicht um Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung gleichartigen Bezügen aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, handelt (vgl. dazu , VwSlg. 7198/F), ist im Verfahren unbestritten.
18Im Rahmen einer Betriebsaufgabe ist ein Veräußerungsgewinn nach § 24 Abs. 2 EStG 1988 zu ermitteln. Der Veräußerungsgewinn ist nach dieser Bestimmung der Betrag, um den der Veräußerungserlös nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Wurde der Gewinn vor der Veräußerung/Aufgabe gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittelt, ist auf den Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe ein Übergangsgewinn nach § 4 Abs. 10 EStG 1988 zu ermitteln. Der Übergangsgewinn ist beim Gewinn des letzten Gewinnermittlungszeitraums vor Veräußerung oder Aufgabe zu berücksichtigen.
19Der Revisionswerber macht geltend, sein Vater hätte im Zuge der Aufgabe seiner Tätigkeit als Arzt (1989) die nunmehr strittigen Leistungen der Ärztekammer als Forderungen aktivieren (und daher versteuern) müssen.
20Dies würde voraussetzen, dass es sich bei diesem (allfälligen) Anspruch um einen Bestandteil des notwendigen (ein Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG 1988 war nicht vorzunehmen) Betriebsvermögens handelte. Die Aktivierung einer Forderung setzt voraus, dass die Forderung bereits „entstanden“ ist (vgl. Mayr in Doralt et al, EStG14§ 6 Tz 218).
21Im vorliegenden Fall ist zunächst zu bemerken, dass - nach der im Jahr 2012 geltenden Satzung (auf welche insbesondere auch in der Revision Bezug genommen wird) - die Bestattungsbeihilfe nach § 37 der Satzung beim Tode eines „WFF-Mitgliedes“ oder Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung gebührt. Betreffend die Bestattungsbeihilfe ist - anders als in der Revision geltend gemacht - nach der Satzung in dieser Fassung eine Gestaltung durch den Vater des Revisionswerbers nicht vorgesehen. Die Hinterbliebenenunterstützung nach § 38 der Satzung steht hingegen nur im Fall des Ablebens eines „WFF-Mitgliedes“ (also nicht auch eines Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsversorgung) zu. Insoweit erhellt aus dem festgestellten Sachverhalt, den vorgelegten Verfahrensakten und auch der Revision zunächst nicht, aus welchem Grund eine derartige Hinterbliebenenunterstützung angefallen ist (dass sie tatsächlich angefallen ist, ist aber unbestritten), würde dies doch voraussetzen, dass der Vater des Revisionswerbers bis zu seinem Tode aktiv tätig gewesen wäre (vgl. § 11 der Satzung iVm § 68 Abs. 1 letzter Satz Ärztegesetz 1998: regelmäßige ärztliche Tätigkeit; zur möglichen Differenzierung vgl. § 104 Ärztegesetz 1998 idF BGBl. I Nr. 156/2005 und dazu die Erläuterungen im Ausschussbericht 1135 BlgNR 22. GP 3). Betreffend die Hinterbliebenenunterstützung nach § 38 der Satzung waren Gestaltungen durch den Vater des Revisionswerbers möglich. Dieser konnte den Empfänger durch eine schriftliche, eigenhändig unterschriebene Erklärung bestimmen (§ 38 Abs. 7 der Satzung). Dieser Anspruch konnte auch nach § 49 der Satzung zur Besicherung von Darlehen an Dritte abgetreten oder verpfändet werden, wobei sich die Höhe des abtretbaren Anspruches nach § 38 der Satzung richtet. Dass der Vater des Revisionswerbers darüber hinaus - wie erstmals in der Revision behauptet - die Auszahlung des Großteils der Hinterbliebenenunterstützung auch an sich hätte beantragen können (wobei auf die Absätze 2 bis 5 der Satzung verwiesen wird), trifft hingegen im vorliegenden Fall offenkundig nicht zu. Der Vater des Revisionswerbers war - wie aus der gesonderten Begründung des Bescheides des Finanzamtes vom hervorgeht - im Jahr 1922 geboren. Er erfüllte daher nicht die in den Absätzen 2 bis 5 des § 38 der Satzung jeweils genannten Altersvoraussetzungen für die Auszahlung an ihn.
22Es ist aber unbestritten - Gegenteiliges wird auch in der Revision nicht behauptet - dass der Vater des Revisionswerbers ihm mögliche Gestaltungen nicht vorgenommen hat. Es ist daher hier nicht zu beurteilen, ob die Ausübung einer derartigen Gestaltungsmöglichkeit (über einen an sich unsicheren Anspruch; vgl. hiezu gleich unten) zur Aktivierung einer Forderung (oder zum Zufluss) beim Vater des Revisionswerbers geführt hätte.
23Zu bemerken ist weiters, dass mit der bereits erwähnten Novellierung des Ärztegesetzes 1998 (BGBl. I Nr. 156/2005) die zuvor in § 104 Ärztegesetz 1998 verpflichtend vorgesehene Hinterbliebenenunterstützung („ist [...] zu gewähren“) nur mehr als Möglichkeit normiert wurde („kann die Satzung [...] vorsehen“). Damit war es dem jeweiligen Verordnungsgeber auch möglich, diese Hinterbliebenenunterstützung zur Gänze zu beseitigen (vgl. - zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer Wien - , mit Hinweis auf den Ablehnungsbeschluss ; vgl. auch - zu einer früheren Änderung des § 104 Ärztegesetz 1998 - , VfSlg. 18.139).
24Daraus folgt aber, dass zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe des Vaters 1989 eine Forderung betreffend die hier strittigen Ansprüche noch nicht entstanden war, hingen diese Ansprüche doch insbesondere davon ab, ob und wie sich die diese Ansprüche begründende Rechtslage ändern würde. Dass dieser Anspruch in der Folge tatsächlich realisiert werden könnte, war unsicher. Zu aktivieren wäre diese Forderung erst bei (rechtzeitiger) Geltendmachung nach seinem Tod gewesen, da der Anspruch sodann in einem näher geregelten Verwaltungsverfahren (§§ 63 ff der Satzung) durchsetzbar war. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine antragsbedürftige Forderung erst mit diesem Antrag entsteht (vgl. ; vgl. auch ). Die Forderung war daher vom Vater des Revisionswerbers im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe nicht zu erfassen.
25Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
26Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019130113.L00 |
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