VwGH vom 27.01.2012, 2011/02/0341
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des M K, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom , Zl. MEA1-P- 112/160, betreffend Ladungsbescheid i.A. Gehbehindertenausweis nach § 29b StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurde am ein Ausweis gemäß § 29b StVO 1960 ausgestellt.
Wie den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen ist, wurde bei der belangten Behörde gegen den Beschwerdeführer eine anonyme Anzeige erstattet, wonach dieser mit einem näher bezeichneten Kraftfahrzeug an einem näher genannten Ort regelmäßig ganztägig in einer Kurzparkzone mit einem "Parkausweis für Behinderte" stehe. Der Lenker dieses Fahrzeuges sei ein völlig gesund wirkender Mann von ca. 30 bis 40 Jahren.
Daraufhin holte die belangte Behörde die Unterlagen, die im Jahre 2006 zur Ausstellung eines Behindertenausweises gemäß § 29b StVO 1960 an den Beschwerdeführer geführt haben, ein.
Ferner ergingen an den Beschwerdeführer im Mai, Juli und August 2011 Ladungen seitens der belangten Behörde, jeweils mit der Aufforderung, sich einer neuerlichen amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen bzw. den Behindertenausweis bei der belangten Behörde abzugeben. Wie aus der Gegenschrift der belangten Behörde hervorgeht, ist jedoch der Beschwerdeführer diesen Aufforderungen zur amtsärztlichen Untersuchung bzw. zur Abgabe des Behindertenausweises nicht nachgekommen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Ladungsbescheid der belangten Behörde vom wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, persönlich zur belangten Behörde zu einem näher genannten Termin zu kommen. Als Grund wurde angeführt:
"Aufforderung zur neuerlichen amtsärztl. Untersuchung bezüglich Gehbehindertenausweis".
Der Beschwerdeführer wurde ferner ersucht, ärztliche Befunde, aufgrund derer der Gehbehindertenausweis (§ 29b StVO 1960) ausgestellt worden sei, mitzubringen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer für den Fall, dass er dieser Ladung ohne wichtigen Grund nicht Folge leisten sollte, angedroht, dass er mit der Veranlassung seiner zwangsweisen Vorführung zu rechnen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet u.a. ein, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Ladungsbescheid keine Grundlage dafür bilde, eine amtsärztliche Untersuchung zwangsweise durchzusetzen. Eine Ladung sei lediglich der Befehl der Behörde an eine bestimmte Person, bei ihr zu erscheinen. Die Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung mittels Ladungsbescheides auf der Rechtsgrundlage des § 19 AVG sei somit in rechtswidriger Weise erfolgt.
Sollte es jedoch der belangten Behörde lediglich um die Vorlage von Urkunden und Unterlagen gehen, sei der angefochtene Bescheid ebenfalls rechtswidrig bzw. könne nicht auf die Bestimmungen des § 19 AVG gestützt werden, weil in diesem Falle ein persönliches Erscheinen nicht notwendig sei und die gewünschten Unterlagen unter anderem auch auf dem Postwege übermittelt werden könnten.
Der angefochtene Bescheid leide darüber hinaus auch an dem Mangel der erforderlichen Bestimmtheit. Die Bezeichnung des Gegenstandes der Amtshandlung mit "Aufforderung zur neuerlichen amtsärztlichen Untersuchung bezüglich Gehbehindertenausweis" entspreche nicht den Bestimmungen des § 19 AVG. Es sei nämlich nicht zu erkennen, zu welchem konkreten Gegenstand die kurz und deutlich zu bezeichnende Amtshandlung erfolgen solle. Bei dem angefochtenen Bescheid sei nur von einer Aufforderung zur neuerlichen amtsärztlichen Untersuchung die Rede. Welchem Zweck die angekündigten Vorgänge dienen sollten, bleibe allerdings unklar.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet ein Ladungsbescheid keine Grundlage, eine ärztliche Untersuchung zwangsweise durchzusetzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/11/0099).
Auch wenn der Betreff des angefochtenen Ladungsbescheides die Formulierung "Aufforderung zur neuerlichen amtsärztl. Untersuchung" enthielt, so lässt dieser durchaus im Zusammenhalt mit der angedrohten zwangsweisen Vorführung (sowie im Zusammenhalt mit den früher ergangenen einfachen Ladungen) den Schluss zu, dass Zweck dieses Bescheides die zwangsweise Durchsetzung einer amtsärztlichen Untersuchung sein soll. § 19 AVG bietet jedoch hiefür - wie bereits dargelegt - keine rechtliche Grundlage. Auch dem § 29b StVO 1960 kann keine Regelung entnommen werden, wonach eine amtsärztliche Untersuchung zwangsweise durchgesetzt werden könnte. Sollte jedoch lediglich gemeint sein, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine entsprechende Aufforderung zur Durchführung einer solchen Untersuchung übermitteln wollte, so fehlt es in diesem Fall an der für den Verwaltungsgerichtshof nicht einsichtigen Notwendigkeit eines persönlichen Erscheinens des Beschwerdeführers vor der Behörde, zumal ihm dies auch schriftlich mitgeteilt werden kann.
Die gleichfalls aufgetragene Urkundenvorlage (ärztliche Befunde, aufgrund derer der Gehbehindertenausweis ausgestellt wurde) ist nicht Hauptzweck des Ladungsbescheides und wird auch nicht im Betreff des Ladungsbescheides erwähnt, weshalb das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ins Leere geht.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus den dargelegten Gründen § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren betreffend Mehrwertsteuer und Portospesen
war abzuweisen, weil diese bereits im pauschalierten Ersatz für den Schriftsatzaufwand enthalten sind.
Wien, am
Fundstelle(n):
VAAAE-83111