VwGH vom 22.10.2013, 2013/10/0094
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des DK in Wien, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/L/16/10653/2011-6, betreffend Übertretungen des Arzneimittelgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der K.-GmbH zu verantworten, dass diese am im Gewerbebetrieb in W., L.-Straße, Arzneimittel in Form von cannabinomimetischen Räuchermischungen, nämlich "Lava red 1g" mit dem Inhaltsstoff JWH-122; 103,3 mg/g und "Lava red 3 g" mit dem Inhaltsstoff JWH-122; 84,0 mg/g durch das Anbieten zum Verkauf in Verkehr gebracht habe, obwohl es sich bei diesem Produkt aufgrund der Inhaltsstoffe um Arzneimittel bzw. Arzneispezialitäten gemäß § 1 Arzneimittelgesetz - AMG, gehandelt habe und 1.) Arzneimittel im Inland gemäß § 59 Abs. 1 AMG grundsätzlich nur in Apotheken abgegeben werden dürften,
2.) Arzneispezialitäten im Inland erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden dürften, wenn sie gemäß §§ 7 ff AMG vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zugelassen seien, und diese Produkte nicht zugelassen seien und
3.) Arzneispezialitäten, die gemäß § 7 AMG der Zulassung oder gemäß § 11a AMG der Registrierung unterlägen, nur in Verkehr gebracht werden dürften, wenn die Handelspackung eine in Übereinstimmung mit der Zusammenfassung der Produkteigenschaften erstellte Gebrauchsinformation in deutscher Sprache enthalte, und diesen Produkten keine Gebrauchsinformation beigelegen sei.
Der Beschwerdeführer habe hiedurch zu 1.) § 83 Abs. 1 Z. 5 iVm § 59 Abs. 1 AMG, zu 2.) § 84 Abs. 1 Z. 5 iVm § 7 Abs. 1 AMG und zu 3.) § 83 Abs. 1 Z. 2 iVm § 16 Abs. 1 AMG, jeweils iVm § 9 Abs. 1 VStG, verletzt, weshalb über ihn drei Geldstrafen in der Höhe von zu 1.) EUR 750,--, zu 2.) EUR 1.750,-- und zu
3.) EUR 750,-- verhängt wurden.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, unbestritten stehe fest, dass die im Spruch genannten Räuchermischungen zur angegebenen Zeit am angegebenen Ort im Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers zum Verkauf angeboten worden seien. Die Räuchermischungen seien nicht nach den Bestimmungen des AMG zugelassen gewesen, und ein Beipacktext habe gefehlt. Die gegenständlichen Räuchermischungen hätten das synthetische Cannabinomimetikum JWH-122 enthalten, welches zu diesem Zeitpunkt noch nicht verboten gewesen sei; dieser Stoff finde sich nicht in der "Verordnung BGBl II Nr. 6/2009 vom , in der Fassung, BGBl II Nr. 341 vom " (gemeint wohl: Verordnung des Bundesministers für Gesundheit betreffend das Inverkehrbringen, den Import und das Verbringen von Räuchermischungen, die cannabinomimetisch wirksame Stoffe enthalten, BGBl. II Nr. 58/2009 idF BGBl. II Nr. 341/2010).
§ 1 Abs. 1 AMG stelle für das Vorliegen eines Arzneimittel alternativ auf zwei verschiedene Kriterien ab, nämlich darauf, ob Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienten (objektive Zweckbestimmung) oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt seien (subjektive Zweckbestimmung), bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die in den § 1 Abs. 1 Z. 1 bis 5 AMG beschriebenen Wirkungen hervorzurufen bzw. Funktionen zu erfüllen. Das Vorliegen eines dieser beiden Kriterien bedinge unabhängig davon, ob auch das andere bejaht werden könne, schon für sich allein die Einstufung des Produkts als Arzneimittel.
Im vorliegenden Fall bestehe nicht der geringste Zweifel daran, dass es sich bei den in Rede stehenden Kräutermischungen um Arzneimittel handle. Bei "Lava red" handle es sich um die Nachfolgedroge für die zu diesem Zeitpunkt bereits verbotene Droge "spice".
Alle diese Kräutermischungen seien in einschlägigen Verkehrskreisen ausschließlich zur Inhalation bestimmt, um eine psychotrope Wirkung zu erzielen. Die konsumierende Zielgruppe erwerbe dieses Produkt ausschließlich zum Zweck, durch die Anwendung den Körperzustand gezielt zu beeinflussen, somit eine arzneiliche, nämlich eine psychotrope Wirkung herbeizuführen. Die Behörde erster Instanz habe daher die hier gegenständliche Kräutermischung "Lava red" zu Recht nach der objektiven Zweckbestimmung als Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 5 AMG qualifiziert.
Die vom Beschwerdeführer eingeholten Gutachten des Labors B. würden den Beschwerdeführer nicht entlasten, weil - wie auch der Vertreter der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) in der Berufungsverhandlung ausgeführt habe - dieses Labor die Kräutermischung ausschließlich nach jenen Inhaltsstoffen untersucht habe, die zu diesem Zeitpunkt bereits verboten gewesen seien.
Da die Kräutermischung unstrittig im Voraus stets in der gleichen Zusammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender bestimmten Form in Verkehr gebracht worden sei, handle es sich dabei um eine Arzneispezialität im Sinne von § 1 Abs. 5 AMG.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1455/12-6, abgelehnt und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift allerdings Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes - AMG, BGBl. Nr. 185/1983 idF BGBl. I Nr. 146/2009, lauten (auszugsweise):
" § 1. (1) 'Arzneimittel' sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper
(…)
5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.
(…)
(5) 'Arzneispezialitäten' sind Arzneimittel, die im Voraus stets in gleicher Zusammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender bestimmten Form in Verkehr gebracht werden sowie Arzneimittel zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender, bei deren Herstellung sonst ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die gewerbsmäßig hergestellt werden.
(…)
§ 7. (1) Arzneispezialitäten dürfen im Inland erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden, wenn sie vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen zugelassen sind, es sei denn, es handelt sich um
1. gemäß der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006, oder der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 zugelassene Arzneispezialitäten,
2. Arzneispezialitäten, deren Einfuhr nach dem Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002, BGBl. I Nr. 28, bewilligt wurde oder meldepflichtig ist oder deren Einfuhr nach § 5 Arzneiwareneinfuhrgesetz 2002 erfolgt, oder
3. Arzneispezialitäten, für die eine Bewilligung gemäß § 12 Tierseuchengesetz, RGBl. Nr. 177/1909, erteilt wurde.
(…)
§ 16. (1) Arzneispezialitäten, die gemäß § 7 der Zulassung oder gemäß § 11a der Registrierung unterliegen, dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn die Handelspackung eine in Übereinstimmung mit der Zusammenfassung der Produkteigenschaften erstellte Gebrauchsinformation in deutscher Sprache enthält.
(…)
§ 59. (1) Arzneimittel dürfen nur durch Apotheken abgegeben werden, sofern in den §§ 57 und 58 oder im folgenden nichts anderes bestimmt ist.
(…)
§ 83. (1) Wer
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1. | (…) |
2. | Arzneispezialitäten entgegen den §§ 16 bis 16b oder einer Verordnung gemäß § 16 Abs. 6, § 16a Abs. 4 oder § 26 Abs. 8 in Verkehr bringt, |
(…) | |
5. | Arzneimittel entgegen den §§ 57, 58 und 59 oder entgegen einer durch Verordnung gemäß § 59 Abs. 3 festgelegten Abgabebefugnis abgibt, |
(…) | |
macht sich, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu 7500 Euro, im Wiederholungsfalle bis zu 14000 Euro zu bestrafen. | |
(…) |
§ 84. (1) Wer
(…)
5. Arzneimittel, die gemäß §§ 7 oder 7a der Zulassung unterliegen, ohne Zulassung oder nicht entsprechend der Zulassung im Inland abgibt oder für die Abgabe im Inland bereithält oder die gemäß § 18 Abs. 3 oder Abs. 4 oder § 24a Abs. 2 vorgeschriebenen Auflagen nicht erfüllt,
(…)
macht sich, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu 25000 Euro, im Wiederholungsfalle bis zu 50000 Euro zu bestrafen."
2.1. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die belangte Behörde vermenge subjektive und objektive Tatbestandselemente. Es sei der belangten Behörde zwar insoweit zu folgen, als das Vorliegen einer der beiden Qualifikationen nach § 1 Abs. 1 AMG für das Vorliegen eines Arzneimittels hinreiche, allerdings sei die objektive Komponente nicht hinreichend und die subjektive überhaupt nicht festgestellt worden. Die Voraussetzungen für eine Subsumtion der vorliegenden Kräutermischungen unter das Regime des § 1 AMG lägen somit nicht vor.
2.2. Damit gelingt es der Beschwerde nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung der belangten Behörde zugrunde, bei den Produkten "Lava red 1g" und "Lava red 3g" handle es sich nach der objektiven Zweckbestimmung um Arzneimittel.
§ 1 Abs. 1 AMG stellt für das Vorliegen eines Arzneimittels - alternativ - auf zwei verschiedene Kriterien ab, nämlich darauf, ob Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen "nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen" (objektive Zweckbestimmung) oder "nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind" (subjektive Zweckbestimmung), bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die in den § 1 Abs. 1 Z. 1 bis 5 AMG beschriebenen Wirkungen hervorzurufen bzw. Funktionen zu erfüllen. Das Vorliegen eines dieser beiden Kriterien bedingt unabhängig davon, ob auch das andere bejaht werden kann, schon für sich allein die Einstufung des Produkts als Arzneimittel (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/10/0027, mwN).
Das Kriterium der objektiven Zweckbestimmung für die Einstufung als Arzneimittel ergibt sich aus der Wortfolge "die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen" in § 1 Abs. 1 AMG. Entscheidend ist dafür, ob das Produkt nach der objektiven Erwartung der Verkehrskreise (u.a. der Verbraucher) geeignet ist, eine arzneiliche Wirksamkeit zu entfalten (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , mwN).
Die Beschwerde bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen, denen zufolge die gegenständlichen Produkte "Lava red 1g" und "Lava red 3g" von der konsumierenden Zielgruppe ausschließlich zum Zweck erworben werden, durch die Anwendung der Produkte den Körperzustand gezielt zu beeinflussen, somit eine arzneiliche, nämlich eine psychotrope Wirkung herbeizuführen.
Nach diesen Feststellungen sind diese Produkte somit nach der Erwartung der Konsumenten derartiger Räuchermischungen (somit der "Verkehrskreise") geeignet, den Körperzustand sowie seelische Zustände gezielt zu beeinflussen, somit eine arzneiliche Wirkung gemäß § 1 Abs. 1 Z. 5 AMG zu erzielen.
Daher hat die belangte Behörde die Produkte "Lava red 1g" und "Lava red 3g" zu Recht nach der objektiven Zweckbestimmung als Arzneimittel im Sinn von § 1 Abs. 1 Z. 5 AMG qualifiziert (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , das im Übrigen denselben Wirkstoff wie im vorliegenden Fall betrifft); ob die gegenständlichen Produkte auch nach ihrer subjektiven Zweckbestimmung als Arzneimittel anzusehen sind, kann somit dahinstehen.
Da die Produkte "Lava red 1g" und "Lava red 3g" - unbestritten - im Voraus stets in gleicher Zusammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe an den Verbraucher oder Anwender bestimmten Form in Verkehr gebracht werden, ist auch die Ansicht der belangten Behörde unbedenklich, dass es sich dabei um Arzneispezialitäten im Sinn von § 1 Abs. 5 AMG handelt.
Davon ausgehend hat die belangte Behörde zu Recht die Verwirklichung der Tatbestände des §§ 83 Abs. 1 Z. 2 und 5 und des § 84 Abs. 1 Z. 5 AMG angenommen.
3.1. Im Weiteren bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend mit dem in der Berufung vorgebrachten "Irrtum" auseinandergesetzt; er habe alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, indem er die Kräutermischungen von einem Labor auf die zu diesem Zeitpunkt bekannten psychotropen Wirkstoffe untersuchen habe lassen. Nach der Analyse des medizinischen Labors B. sei "Lava red" keine "Zubereitung des chemischen cannabinometischen Wirkstoffes".
3.2. Damit lässt die Beschwerde die behördliche Feststellung unbekämpft, dass das angeführte Labor die Kräutermischung ausschließlich nach jenen Inhaltsstoffen untersucht habe, die zu diesem Zeitpunkt bereits (nach der bereits zitierten Verordnung BGBl. II Nr. 58/2009) verboten gewesen seien.
Mit Blick auf die den vorliegenden Bestrafungen zugrunde liegende, von der belangten Behörde zu Recht angenommene Arzneimitteleigenschaft nach § 1 Abs. 1 erster Fall AMG kommt es allerdings auf ein Verbot des betreffenden Inhaltsstoffes (etwa durch Aufnahme in die bereits erwähnte, nach § 5 Abs. 1 AMG erlassene Verordnung des Bundesministers für Gesundheit betreffend das Inverkehrbringen, den Import und das Verbringen von Räuchermischungen, die cannabinomimetisch wirksame Stoffe enthalten) nicht an.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers in dieser Richtung ist somit schon aus diesem Grund nicht geeignet, einen Verbotsirrtum (vgl. § 5 Abs. 2 VStG) des Beschwerdeführers darzutun.
4. Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Von der Durchführung der von der Beschwerde beantragten Verhandlung hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen, weil eine solche bereits vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK, stattgefunden hat.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-83109