VwGH vom 20.05.2015, 2013/10/0093
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der G GmbH in F, vertreten durch Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schlögelgasse 1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA11A-26.600-4/2010-4, betreffend Anerkennung einer stationären Einrichtung nach § 13a Steiermärkisches Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Anerkennung eines Pflegeheimes mit dem Standort Z für 80 Betten gemäß § 13a Steiermärkisches Sozialhilfegesetz (Stmk. SHG) abgewiesen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde zunächst aus, dass zur Prüfung des Bedarfs am gegenständlichen - noch zu errichtenden - Pflegeheim ein Gutachten der zuständigen Fachabteilung eingeholt worden sei. Dieses Gutachten vom wird im angefochtenen Bescheid zur Gänze wiedergegeben. Es endet mit folgender Zusammenfassung:
"Insgesamt stehen im Bezirk Murtal derzeit 1.194 bewilligte stationäre Pflegebetten in Pflegeheimen und auf Pflegeplätzen mit einer derzeitigen Auslastung von rd. 89 % zur Verfügung. 83 Betten davon sind frei und 87 Betten befinden sich im Bau.
Der durchschnittliche theoretische regionale Bettenbedarf in Pflegeheimen liegt bei rd. 860 Betten.
Der durchschnittliche örtliche Bettenbedarf für Z mit 16 bewilligten und 44 in Bau befindlichen Betten liegt bei rd. 46 Betten
...
Wie im Gutachten bereits ausführlich dargelegt, liegt die aktuelle stationäre Betreuungsquote der über 75-Jährigen im Bezirk Murtal mit 14,0 % über dem Steiermarkschnitt von rd. 10,7 % (2008: rd. 9 %). Es kann von einem erhöhten regionalen Bedarf ausgegangen werden.
Berücksichtigt man die aktuelle Zahl an freien Betten im Bezirk, dass 272 Personen aus anderen Bezirken zugewandert sind, wo mittlerweile Pflegeheime errichtet wurden, und dass insbesondere aus kleinräumiger Sicht derzeit freie Kapazitäten zur Verfügung stehen, so kann abschließend festgehalten werden, dass zum jetzigen Zeitpunkt, und beruhend auf den derzeit zur Verfügung stehenden Informationen, aus quantitativer Sicht für den beantragten Standort kein Bedarf an Betten gegeben ist."
Dieses Gutachten wurde von der belangten Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung als schlüssig und nachvollziehbar bezeichnet. Das Gutachten sei - so die belangte Behörde weiter - in Wahrung des Parteiengehörs mit Begleitschreiben per Mail am an die Beschwerdeführerin übermittelt worden; eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin sei nicht eingelangt.
Zu den Anerkennungsvoraussetzungen nach § 13a Stmk. SHG sei auszuführen, dass die Eignung der Einrichtung von einer Genehmigung nach dem Steiermärkischen Pflegeheimgesetz abhängig sei. Um Planungssicherheit zu gewährleisten, sei es üblich, auch schon vor Baubeginn bzw. vor Ausstellung eines Bewilligungsbescheides nach dem Steiermärkischen Pflegeheimgesetz um Anerkennung gemäß § 13a Stmk. SHG anzusuchen. Die erforderliche Bewilligung liege zurzeit nicht vor.
Der Bedarf für das gegenständliche Pflegeheim sei anhand der bereits vorhandenen stationären Einrichtungen zu messen. Dabei seien auch die 240 Betten in Heimen, für die nach dem Gutachten bereits "Vorverträge" bestünden, zu berücksichtigen. Darunter seien noch in Bau befindliche Einrichtungen zu verstehen, die nach den Übergangsbestimmungen zur Novelle LGBl. Nr. 21/2007 als gemäß § 13a Stmk. SHG anerkannt gälten.
Hauptzielgruppe für die Unterbringung in stationären Einrichtungen seien Personen, die zumindest Pflegegeld der Stufe 4 bezögen. Daraus ergebe sich ein Basisbedarf an Betten, die jedenfalls zur Verfügung stehen müssten. Zu beachten sei allerdings, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch die Pflegekosten für Personen mit Pflegestufe 1 bis 3 zu übernehmen seien. Es sei daher wissenschaftlich anerkannt, den erforderlichen Bettenbedarf aus der stationären Betreuungsquote der über 75- jährigen zu ermitteln. Dieser Wert berücksichtige die tatsächlich in Pflegeheimen zu betreuenden Personen, unabhängig von der Pflegestufe.
Wie aus dem Gutachten hervorgehe, liege der durchschnittliche Bettenbedarf im örtlichen Bereich von Z bei 46 Betten. Es seien 16 Betten vorhanden und 44 im Bau. Dies bedeute, dass der örtliche Bedarf durch die vorhandenen Betten abgedeckt werde und kein Bedarf für zusätzliche 80 Betten vorhanden sei.
Wie aus dem Gutachten hervorgehe, hätten im Dezember 2011 im Bezirk Murtal 1.581 Personen Pflegegeld der Stufe 4 oder höher bezogen. Da in der Steiermark etwa 35 % dieser Zielgruppe in stationären Einrichtungen untergebracht seien, errechne sich daraus der "Basisbedarf" von 553 Betten. Dem stünden 1.194 Betten in bereits anerkannten Pflegeheimen und 8 Betten auf Pflegeplätzen gegenüber, sodass der Bezirk Murtal über insgesamt
1.202 stationäre Betten verfüge.
Gehe man von der stationären Betreuungsquote der über 75- Jährigen aus, ergebe sich nach dem Gutachten ein Bedarf von 1.072 Betten. Wie aus der Zusammenfassung des Gutachtens ersichtlich sei, ergebe sich ein durchschnittlicher theoretischer regionaler Bedarf von 860 Betten. Dies bedeute, dass im Bezirk Murtal bereits 130 bis 649 Betten mehr zur Verfügung stünden als benötigt würden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Menschen aus anderen Bezirken im Bezirk Murtal untergebracht seien.
Gemessen am theoretischen durchschnittlichen Bedarf von 860 Betten bedeute dies, dass unter Berücksichtigung der stationären Betreuungsquote der über 75-Jährigen von 14 % (Steiermarkschnitt: 10,7 %) ein erhöhter regionaler Bedarf bestehe. Dieser werde jedoch durch die vorhandene Bettenstruktur im Bezirk abgedeckt. Darüber hinaus seien zusätzlich 83 Betten in Pflegeheimen frei und weitere 87 in Bau. Ein zusätzlicher Bedarf von 80 Betten für den Bezirk Murtal bestehe daher nicht. Zusammenfassend ergebe sich, dass für das Vorhaben kein Bedarf gemäß § 13a Stmk. SHG bestehe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1025/2-14, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat.
Über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzte die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom .
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Da die vorliegende Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof noch vor dem dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurde, sind gemäß § 8 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung und des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
1.2. § 13a Steiermärkisches Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 29/1998 in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 64/2011, hat folgenden Wortlaut:
" Anerkennung stationärer Einrichtungen
(1) Die Landesregierung hat stationäre Einrichtungen auf Antrag bescheidmäßig anzuerkennen, sofern ein Bedarf besteht und diese geeignet sind. Die Anerkennung kann erforderlichenfalls unter Vorschreibung von Bedingungen oder Auflagen oder zeitlich befristet erteilt werden.
(2) Ein Bedarf gemäß Abs. 1 ist gegeben, wenn unter Bedachtnahme auf die örtlichen und regionalen Bedürfnisse eine Nachfrage nach stationären Einrichtungen besteht und diese Nachfrage nicht durch bestehende Einrichtungen abgedeckt werden kann.
(3) Geeignet sind stationäre Einrichtungen, die über eine Bewilligung nach dem Steiermärkischen Pflegeheimgesetz (mit Ausnahme von Pflegeplätzen gemäß § 16 Steiermärkisches Pflegeheimgesetz 2003, LGBl. Nr. 77/2003 in der jeweils gültigen Fassung) oder über eine Bewilligung nach anderen gesetzlichen Bestimmungen für stationäre Einrichtungen (z.B. dem Steiermärkischen Krankenanstaltengesetz) verfügen und die in der Verordnung gemäß Abs. 5 festgelegten Voraussetzungen erfüllen.
(4) Der Sozialhilfeverband, in dessen Gebiet sich die stationäre Einrichtung befindet, ist vor Erlassung des Bescheides zu hören.
(5) Die Landesregierung hat durch Verordnung zu regeln:
1. die von der stationären Einrichtung zur Sicherung des Lebensbedarfs der Hilfeempfänger zu erbringenden Leistungen, insbesondere die sachlichen, fachlichen und personellen Erfordernisse, die Unterkunfts-, Verpflegungs- und Betreuungsleistungen, die Wäscheversorgung und die Versorgung mit Pflege- und Hygieneartikeln,
2. das vom Sozialhilfeträger zu erbringende Entgelt für die Leistungen gemäß Z 1 in Form von Tagsätzen,
3. die Ab- und Verrechnungsmodalitäten zwischen dem Sozialhilfeträger und der Einrichtung, wie beispielsweise die Möglichkeit der Weiterverrechnung von Tagsätzen im Falle der Abwesenheit des Hilfeempfängers, die Verrechnung von Zusatzleistungen an Hilfeempfänger, Zurückbehaltungsregelungen und
4. sonstige Rahmenbedingungen, insbesondere betreffend Aufnahmemodalitäten für Hilfeempfänger, Meldepflichten wie Meldung von Änderungen in der Unternehmensstruktur oder in der Geschäftsführung, Freihalteregelungen für Hilfeempfänger, den Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung, den Abschluss von nach den Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes gültigen Kollektivverträgen, Zessionsverbote."
2. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem subjektiven Recht, eine stationäre Einrichtung bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen bescheidmäßig gemäß § 13a Abs. 1 Stmk. SHG anerkannt zu erhalten, verletzt. Sie bringt dazu vor, entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei ihr das Amtsgutachten vom nicht zugestellt worden. Die Beschwerdeführerin sei weder bei einem Zustelldienst angemeldet gewesen noch habe sie im Rahmen des Ermittlungsverfahrens eine elektronische Zustelladresse gegenüber der belangten Behörde bekannt gegeben; die belangte Behörde hätte das Gutachten postalisch zustellen müssen. Wäre der Beschwerdeführerin das Amtsgutachten zugestellt worden, hätte sie dieses durch ein Gegengutachten, welches den Bedarf an den zur Anerkennung beantragten 80 Betten am genannten Standort belegt hätte, entkräften können. Zudem sei das Amtsgutachten - aus näher dargestellten Gründen - mit Widersprüchen behaftet. Die belangte Behörde hätte auch einen für die nahe Zukunft prognostizierten Bedarf in ihre Beurteilung einbeziehen müssen. Auch sei der für den genannten Standort örtlich zuständige Sozialhilfeverband vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht gehört worden.
3. Der Beschwerde kommt aus folgenden Gründen keine Berechtigung zu:
3.1. Gemäß § 13a erster Satz Stmk. SHG hat die Landesregierung stationäre Einrichtungen auf Antrag bescheidmäßig anzuerkennen, sofern ein Bedarf besteht und diese geeignet sind. Gemäß § 13a Abs. 2 leg. cit. ist ein Bedarf gemäß Abs. 1 gegeben, wenn unter Bedachtnahme auf die örtlichen und regionalen Bedürfnisse eine Nachfrage nach stationären Einrichtungen besteht und diese Nachfrage nicht durch bestehende Einrichtungen abgedeckt werden kann. Gemäß § 13a Abs. 3 Stmk. SHG sind stationäre Einrichtungen geeignet, die über eine Bewilligung nach dem Steiermärkischen Pflegeheimgesetz (mit Ausnahme von Pflegeplätzen gemäß § 16 Steiermärkisches Pflegeheimgesetz 2003, LGBl. Nr. 77/2003 in der jeweils gültigen Fassung) oder über eine Bewilligung nach anderen gesetzlichen Bestimmungen für stationäre Einrichtungen (z.B. dem Steiermärkischen Krankenanstaltengesetz) verfügen und die in der Verordnung gemäß Abs. 5 festgelegten Voraussetzungen erfüllen.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid (u.a.) davon aus, dass eine im Sinne des § 13a Abs. 3 Stmk. SHG erforderliche Bewilligung - nach dem Steiermärkischen Pflegeheimgesetz oder nach anderen gesetzlichen Bestimmungen für stationäre Einrichtungen - nicht vorliegt. Die Beschwerdeführerin tritt dieser Annahme in ihrer Beschwerde nicht entgegen.
Davon ausgehend erweist sich die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin aber schon deshalb als rechtmäßig, weil es im Beschwerdefall unstrittig an der Voraussetzung der "Eignung" im Sinne des § 13a Abs. 1 und 3 leg. cit. fehlt. Ob darüber hinaus ein Bedarf im Sinne des § 13a Abs. 1 und 2 Stmk. SHG besteht, ist daher nicht von Relevanz (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. Ro 2014/10/0016).
3.2. Soweit die Beschwerdeführerin ins Treffen führt, es sei entgegen der Bestimmung des § 13a Abs. 4 Stmk. SHG der örtlich zuständige Sozialhilfeverband vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht gehört worden, so lässt sich daraus schon deshalb kein relevanter Verfahrensmangel ableiten, weil die Beschwerdeführerin nicht darzulegen vermag, dass bei Anhörung des zuständigen Sozialhilfeverbands ein anderes (für die Beschwerdeführerin günstiges) Verfahrensergebnis zu erzielen gewesen wäre, zumal aus dem Anhörungsrecht nicht auf eine Bindung der Behörde an die abgegebene Stellungnahme der anzuhörenden Stelle geschlossen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/04/0135, mwN).
4. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil dadurch eine weitere Klärung des Falles nicht zu erwarten ist und auch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht.
Ein Ausspruch über den Aufwandersatz hatte zu entfallen, weil die obsiegende belangte Behörde keinen Aufwandersatz angesprochen hat.
Wien, am
Fundstelle(n):
QAAAE-83104