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VwGH vom 18.11.2011, 2011/02/0322

VwGH vom 18.11.2011, 2011/02/0322

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des PM in R, vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner und Mag. Christian Kieberger, Rechtsanwälte in 4320 Perg, Linzer Straße 14, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-281258/39/Wim/Bu, betreffend Übertretung der Arbeitsmittelverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer wegen der Übertretung des § 130 Abs. 1 Z. 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) in Verbindung mit § 43 Abs. 3 Arbeitsmittelverordnung eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.200,- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH zu verantworten, dass in der Arbeitsstätte der GmbH eine Krautstrunkfräsmaschine verwendet worden sei, an der die sich durch den rotierenden Fräskopf und durch die sich bewegende Krautkopfhalterung gegebene Gefahrenstelle mangels vollständiger "Einhausung" nicht so gesichert gewesen sei, dass ein möglichst wirksamer Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht worden wäre. Am sei eine bei dieser Fräsmaschine tätige Arbeitnehmerin verunfallt. Als sie Fräsreste entfernen habe wollen, sei sie durch einen herabfallenden Teil an der Hand verletzt worden. Erst nach dem Arbeitsunfall sei die Maschine komplett "eingehaust" worden. Dadurch sei ein "Hineingreifen" während des Arbeitsvorganges nicht mehr möglich. Nunmehr werde von der Arbeitskraft der Krautkopf auf die Vorlagevorrichtung gelegt, dann werde eine Türe geschlossen. Erst dadurch könne der Arbeitsvorgang ausgelöst werden. Während die Fräsung erfolge, könne die Türe nicht geöffnet werden. Erst nach Abschluss des Arbeitsvorganges öffne sich diese automatisch wieder. Erst dann könne der Krautkopf wieder entnommen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 43 der Arbeitsmittelverordnung (AM-VO), BGBl. II Nr. 164/2000 in der Fassung BGBl. II Nr. 21/2010, lautet auszugsweise:

"Gefahrenstellen an Arbeitsmitteln

§ 43. (1) Gefahrenstellen im Sinne dieser Bestimmung sind alle Stellen an bewegten Teilen von Arbeitsmitteln, bei denen bei mechanischem Kontakt eine Verletzungsgefahr besteht.

Gefahrenstellen im Sinne dieser Bestimmung sind insbesondere:

1. bewegte Teile von Kraftübertragungseinrichtungen, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden,

2. sonstige bewegte Teile von Arbeitsmitteln, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen, wie zB Bewegungsbahnen von Gegen- und Schwunggewichten, bilden,

3. vorstehende Teile an bewegten Teilen von Arbeitsmitteln, wie Stellschrauben, Bolzen, Keile, Schmiereinrichtungen,


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4.
rotierende Teile von Arbeitsmitteln,
5.
bewegte Teile eines Arbeitsmittels, die der Bearbeitung, Verarbeitung, Herstellung oder der Zuführung oder Abführung von Stoffen oder Werkstücken dienen (zB Werkzeuge), die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich-, Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden,
6.
bewegte Werkstücke, die Quetsch-, Scher-, Schneid-, Stich- , Fang-, Einzugs- oder andere Gefahrenstellen bilden.

(3) Gefahrenstellen sind durch Schutzeinrichtungen so zu sichern, dass ein möglichst wirksamer Schutz der Sicherheit und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen erreicht wird. Primär sind Gefahrenstellen durch Verkleidungen, Verdeckungen oder Umwehrungen zu sichern, die das Berühren der Gefahrenstelle verhindern:

1. Verkleidungen müssen das Erreichen der Gefahrenstelle von allen Seiten verhindern und die Einhaltung des nach Anhang C erforderlichen Sicherheitsabstands gewährleisten.

2. Verdeckungen müssen das Berühren der Gefahrenstelle von jenen Seiten verhindern, die im Normalbetrieb von den vorgesehenen Standplätzen aus, von anderen Arbeitsplätzen aus oder von Verkehrswegen aus zugänglich sind. Verdeckungen müssen die Einhaltung des nach Anhang C erforderlichen Sicherheitsabstands gewährleisten.

3. Umwehrungen müssen ein unbeabsichtigtes Annähern an die Gefahrenstelle verhindern und die Einhaltung des nach Anhang C erforderlichen Sicherheitsabstands gewährleisten.

…"

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass sich aufgrund mangelhafter Feststellungen zum Tatvorwurf "diese Rechtsfolge" (gemeint wohl: die Bestrafung wegen Verwirklichung des angenommenen Tatvorwurfes) nicht ableiten lasse. Ihm sei kein fahrlässiges Handeln anzulasten, die gegenständliche Maschine entspreche dem Stand der Technik und Anforderungen dürften nicht überspannt werden (also über den Stand der Technik hinausgehen). Es seien Schulungen und Sicherheitsunterweisungen der Arbeitnehmer sowie sicherheitstechnische Überprüfungen durchgeführt worden. Das Vorliegen eines Kontrollsystems entlaste den Beschwerdeführer; auch gebe es Sicherheitsfachkräfte. Der Vorfall, der zur Verletzung einer Arbeitnehmerin geführt habe, sei ein schicksalhaftes Ereignis; eine mangelhafte Wartung werde nicht unterstellt.

Dieses Beschwerdevorbringen geht am Gegenstand des Verfahrens vorbei. Wird eine Gefahrenstelle (im Beschwerdefall der Fräskopf) nicht gesichert, wird § 43 Abs. 3 AM-VO übertreten. Im Beschwerdefall konnte mangels erforderlicher "Einhausung" in den Gefahrenbereich hineingegriffen werden. Dabei ist unbeachtlich, ob die Person, die das Gerät bedient, geschult ist und im Rahmen der Schulung angewiesen wird, nicht in die Maschine zu greifen. Nach der Rechtsprechung ist es nämlich unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG im Hinblick auf ein das Verschulden ausschließendes "wirksames Kontrollsystem" nicht ausreichend, auf die Erteilung von Anordnungen (Weisungen) und Schulungen zu verweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/02/0155, mwN).

Die Beschwerde lässt nicht erkennen, dass die Annahme einer ungesicherten Gefahrenstelle unzutreffend wäre. Vielmehr verkennt der Beschwerdeführer offensichtlich die Rechtslage, wenn er meint, dass eine Sicherung der Gefahrenstelle entbehrlich werde, wenn Mitarbeiter entsprechend geschult oder angewiesen würden.

Die gegenständliche Maschine sei bisher - so führt die Beschwerde weiter aus - vom Arbeitsinspektorat nie beanstandet worden.

Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass dies im gegebenen Zusammenhang nicht relevant ist. Abgesehen davon ist eine Beanstandung durch das Arbeitsinspektorat nicht Voraussetzung für eine Bestrafung.

Ein vorgehaltenes Handyvideo, das die Arbeitsweise der gegenständlichen Maschine zeige, sei - so die Beschwerde weiter - nicht vorab zur Kenntnis gebracht worden. Insofern sei das Recht auf Gehör verletzt, weil nicht Rücksprache mit Sicherheitsfachkräften gehalten werden habe können; es sei keine Stellungnahmefrist und keine Äußerungsmöglichkeit eingeräumt worden.

Bei den mit dem Video dokumentierten Tatsachen handelt es sich um solche, die dem Beschwerdeführer bekannt sein müssen. Zudem lässt die Beschwerde jegliche Relevanzdarstellung vermissen. Letzteres hat auch für das Vorbringen des Beschwerdeführers zu gelten, wonach er erfolglos die Einholung eines Sachverständigengutachtens (Maschinentechnik) beantragt habe, bestreitet er doch nicht das Fehlen der nach § 43 Abs. 3 AM-VO erforderlichen "Einhausung".

Der Beschwerdeführer erachtet sich zuletzt dadurch in seinen Rechten verletzt, dass keine Erhebungen zu seiner Einkommenssituation durchgeführt worden seien, und rügt die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Strafbemessung anhand eines nicht bezifferten Durchschnittseinkommens.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Beschwerde nicht hinreichend darlegt, wieso die Schätzung der Einkommensverhältnisse - bei welcher mangels Informationen von einem Durchschnittseinkommen auszugehen ist ( Wessely in N. Raschauer/Wessely , VStG, 2010, § 19 Rz 18) - unzulässig gewesen wäre. Insbesondere ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seine Einkommensverhältnisse dargelegt hätte und dass die von der belangten Behörde angenommenen Verhältnisse einer solchen Darstellung widersprochen hätten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/17/0143).

Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am