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VwGH vom 27.04.2012, 2011/02/0311

VwGH vom 27.04.2012, 2011/02/0311

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des M K in T, vertreten durch Mag. Thomas Kaumberger, Rechtsanwalt in 3021 Pressbaum, Am Pelzergraben 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-03/P/59/4246/2010-42, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer schuldig erachtet, er habe sich am um 0.49 Uhr in 1090 Wien, gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vermutet habe werden können, dass er ein dem Kennzeichen nach bestimmtes KFZ um 0.26 Uhr in 1190 Wien in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Er habe dadurch § 5 Abs. 2 iVm § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Wochen) verhängt wurde.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Inhalt der Anzeige vom , jenen des Straferkenntnisses vom sowie die Aussagen der bei der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung am vernommenen Personen wieder. Danach habe der Beschwerdeführer unter anderem Folgendes angegeben:

"Soweit ich mich heute noch erinnere, habe ich einige Blasversuche durchgeführt. Auf Grund eines Lungenleidens war es mir nicht möglich, das erforderliche Blasvolumen aufzubringen, sodass die Beamten den Alkotest abgebrochen haben. Zu einer Blutabnahme wäre ich bereit gewesen, ich glaube mich sogar zu erinnern, dass ich den Beamten gesagt habe: Macht's halt eine Blutabnahme. Nähere Details sind mir nicht erinnerlich.

Wenn mir nunmehr vorgehalten wird, dass in meiner Berufung keine Rede von einem Lungenleiden ist und in meiner Rechtfertigung vom nur …Kurzarmigkeit ...und die Behandlung bei einem Lungenfacharzt angesprochen ist, gebe ich an:

Die entsprechenden Befunde habe ich bei mir zu Hause und kann sie haftbedingt nicht vorlegen. Ich kann mein Lungenleiden nicht näher präzisieren, es ist jedenfalls so, dass ich selbst bei geringer Anstrengung Atemnot habe. Ich habe daher die Beamten auch bei der Amtshandlung am darauf hingewiesen, dass ich gesundheitlich nicht in der Lage bin, den Alkotest durchzuführen.

Wenn mir vorgehalten bin, dass ich laut Anzeige in der Lage war, den Vortest ordnungsgemäß durchzuführen, gebe ich an: Es wird so gewesen sein, dass mich dieser Test schon so angestrengt hat, dass ich zu weiteren Blasversuchen nicht mehr in der Lage war. ...

Wenn in der Anzeige angeführt ist, dass mich die Beamten über die Möglichkeit einer Blutabnahme in Kenntnis gesetzt haben, so will ich das nicht bestreiten.

Wenn im Protokoll zur Atemalkoholuntersuchung angeführt ist, dass ich die Blasversuche absichtlich abgebrochen hätte, um ungültige Ergebnisse zu erzielen. so weise ich dies zurück."

Die Aussage des Meldungslegers wurde im angefochtenen Bescheid - auszugsweise - wie folgt festgehalten:

"... Es waren eindeutige Symptome einer alkoholischen

Beeinträchtigung für mich erkennbar, der Geruch der Atemluft, die sehr schwerfällige Aussprache und die vorangegangene unsichere Fahrweise. Der (Beschwerdeführer) wankte auch beim Gehen. Der Vortest wurde ordnungsgemäß durchgeführt. Diese Aufforderung hat der (Beschwerdeführer) nur mit der Behauptung kommentiert, bloß Apfelsaft getrunken zu haben. Der Vortest hat einen relativ hohen Wert von 0,92 mg/l ergeben und erging die Aufforderung zum Alkotest. Dieser Aufforderung hat der (Beschwerdeführer) zugestimmt. Er wurde mit dem Funkwagen in die PI L. befördert, dort wurde Atemalkoholuntersuchungsprotokoll ausgefüllt und nach Einhaltung des 15-minütigen Beobachtungszeitraumes der Alkotest begonnen. Ich bin zur Durchführung dieses Testes seit über 20 Jahren fortlaufend ermächtigt. Die Bedienung dieses Gerätes erfolgte durch mich, es wurde dem (Beschwerdeführer) erklärt, wie er den Test durchzuführen habe. Es hat beim Gerät keine Anzeichen einer Fehlfunktion gegeben. Der (Beschwerdeführer) hat aber zu wenig Atemluft hineingeblasen und es bei vier Versuchen nicht geschafft, ein gültiges Testergebnis zu erzielen. Nach dem vierten Versuch meinte er, er habe ohnehin nur Mineralwasser, statt wie zuvor angegeben Apfelsaft, getrunken und er leide an Morbus Crohn und wolle daher nicht weiter blasen. Es wurde ihm erklärt, dass nach meinem Dafürhalten Morbus Crohn eine Darmerkrankung darstelle und mit einer Beeinträchtigung der Lunge nichts zu tun habe. Der (Beschwerdeführer) meinte aber, er wolle nicht mehr weiter blasen, sein Anwalt werde ihm schon zu einem guten Ausgang verhelfen. Der (Beschwerdeführer) wurde von mir auf die verwaltungsstrafrechtlichen Konsequenzen einer Weiterung aufmerksam gemacht und ihm mitgeteilt, dass er zwecks Blutabnahme sich in ein Krankenhaus begeben könne. Der Sachverhalt war weit davon entfernt, dass die Notwendigkeit für mich bestanden hätte, einen Amtsarzt hinzuzuziehen.

Wenn mir die Aussage des (Beschwerdeführers) vorgehalten wird, wonach dieser mir gegenüber angegeben hätte, gesundheitlich zur Ablegung eines Alkotestes nicht in der Lage wäre: Er hat dies nur im Zusammenhang mit seiner Morbus Crohn Erkrankung genannt. Von einem Lungenleiden war aber keine Rede. Da Morbus Crohn für mich keine Auswirkungen auf die Lungenfunktionsfähigkeit darstellt, konnte ich diese Rechtfertigung nicht gelten lassen zumal der (Beschwerdeführer) den Alkovortest, dessen Handhabung sich in technischer Hinsicht nicht vom nachfolgenden Alkotest unterscheidet, problemlos absolvieren konnte. Auch nach dem Vortest gab es keine wie auch immer gearteten Anzeigen einer Atemnot oder Kurzatmigkeit. Der (Beschwerdeführer) hat ganz normal weitergesprochen und keineswegs schwer geatmet. (...) Seine Beifahrerin hat uns gegenüber bereits bei der Amtshandlung angegeben, dass der (Beschwerdeführer) gemeinsam mit ihr in einem Lokal sich aufgehalten habe und Wein getrunken habe."

In der Folge wurde im angefochtenen Bescheid das Gutachten des von der belangten Behörde beigezogenen medizinischen Amtssachverständigen - auszugsweise - dargestellt:

"Bei der Untersuchung konnte eine COPD III festgestellt werden. Zur ordnungsgemäßen Durchführung eines Alkomattestes ist ein Luftvolumen von 1,5 l innerhalb von 3 Sekunden erforderlich. Bei der am durchgeführten Lungenfunktion war bereits nach 1 Sekunde ein Volumen von 1,65 l messbar. Aus sachverständiger Sicht ist daher trotz Vorliegens eines COPD davon auszugehen, dass im Tatzeitpunkt dem (Beschwerdeführer) die ordnungsgemäße Ablegung eines Alkomattestes möglich gewesen ist. Hätte eine Beeinträchtigung des (Beschwerdeführers) im Tatzeitpunkt vorgelegen, im Sinne einer so starken Einschränkung seiner Lungenfunktion, dass diesem die Ablegung eines Alkotests aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, wäre dies als medizinischer Notfall anzusehen, dessen Beurteilung selbst einem medizinischen Laien ohne Weiteres erkennbar gewesen wäre. Es hätte demnach eine so starke Atemnot vorliegen müssen, wofür sich nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte finden. Auch ein Laie würde diesfalls erkennen, dass eine so schwerwiegende Beeinträchtigung gegeben ist, sodass ärztliche Intervention umgehend zu veranlassen wäre. Der Morbus Crohn hat mit der Lungenfunktion nichts zu tun. Die aktenkundige Medikation dokumentiert eine adäquate Behandlung einer COPD III. Die Lungentuberkulose war 2002, anamnestisch wurde diese Behandlung 2004 abgeschlossen. Es ist zwar so, dass das Gesamtvolumen der Lunge nach einer abgelaufenen Lungentuberkulose in Folge Narbenbildung eingeschränkt sein kann. Eine allfällige Einschränkung fand aber in der Messung der Lungenfunktion am mit dem hier erhobenen Befund ohnehin Berücksichtigung. Es ist möglich, dass durch einen fieberhaften Infekt es zu einer vorübergehenden Verschlechterung der COPD kommt. Im hier zu beurteilenden Fall hat der (Beschwerdeführer) den praktischen Arzt wegen eines fieberhaften Infektes eine Woche vor der Amtshandlung aufgesucht und wurde ihm ein Antibiotikum verschrieben. Bei einer erheblichen Verschlechterung der Lungenfunktion wäre in einem solchen Fall aber eine höher dosierte Cortisontherapie erfolgt. Diese ist auf Grund der Anamnese offensichtlich nicht für nötig erachtet worden, sodass auch aus diesem Grund nicht zu schließen ist, dass der (Beschwerdeführer) in relevantem Maße bei der Durchführung des Alkotests beeinträchtigt gewesen ist. Auch in diesem Fall hätten die von mir bereits erwähnten Beschwerden anlässlich der Amtshandlung erkennbar wahrgenommen werden müssen. ... Ich hatte mit dem praktischen Arzt keinen Kontakt. Wenn mir vom (Beschwerdeführer) zur Kenntnis gebracht wird, dass dieser im fraglichen Zeitpunkt einen Cortisonspray verwendet hat:

Bei der genannten Cortisonbehandlung müsste es sich um eine orale Verabreichung handeln, nicht um eine inhalative Therapie."

Nach Erörterung des Gutachtens des Amtssachverständigen ergebe sich - so die belangte Behörde weiter -, dass der Beschwerdeführer auch im Tatzeitpunkt und auch unter Berücksichtigung seiner Anamnese gesundheitlich ohne weiteres in der Lage gewesen sei, den Alkomattest ordnungsgemäß durchzuführen. Demnach sei es als erwiesen anzusehen, dass der Beschwerdeführer am bei der Atemalkoholuntersuchung mit dem einwandfrei funktionierenden Messgerät bei vier Messversuchen in der Zeit zwischen 0.46 Uhr und 0.49 Uhr auf Grund unkorrekter Atmung Fehlversuche provoziert habe, wobei die unkorrekte Atmung weder auf eine Beeinträchtigung der Lungenfunktion noch auf eine sonstige gesundheitliche Beeinträchtigung zurückzuführen gewesen sei. Diese Fehlversuche seien vom Gerät auch als solche ausgewiesen und jeweils mit dem Vermerk "Atmung unkorrekt" begründet gewesen.

Die belangte Behörde hielt die Aussage des Meldungslegers unter Verweis auf diese mit näherer Begründung für glaubwürdig und legte sie den Feststellungen zu Grunde. Zudem führte die belangte Behörde aus, dass die vom Beschwerdeführer gestellten Beweisanträge auf Durchführung eines Lokalaugenscheines sowie auf Einvernahme weiterer Zeugen zum Beweis dafür, dass er keinen Alkohol konsumiert habe, mangels Relevanz nicht stattzugeben gewesen sei.

In der Folge stellte die belangte Behörde die einschlägige Rechtslage dar und führte zur Strafbemessung aus, dass die Erstbehörde über den Beschwerdeführer lediglich die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe verhängt habe. Eine Erörterung der Strafzumessungsgründe erübrige sich daher, zumal auch für ein Vorgehen nach § 20 VStG oder für die Anwendung des § 21 VStG keine Anhaltspunkte vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung ist eine Verweigerung der Atemluftuntersuchung dann gegeben, wenn mehrere Versuche zu keiner gültigen Messung geführt haben und das Zustandekommen eines entsprechenden Messergebnisses durch das Verhalten des Probanden verhindert wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/02/0003).

Derjenige, der gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat umgehend (d.h. bei diesem Anlass) auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomat aus medizinischen Gründen hinzuweisen, sodass die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 5 Z 2 StVO (Untersuchung durch den Arzt) zu prüfen. Bejahendenfalls haben sie von der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft Abstand zu nehmen und den Aufgeforderten zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder zu einem bei der Bundespolizeidirektion tätigen Arzt zu bringen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/02/0240, mwN).

Den als Verweigerung beurteilten Sachverhalt (nämlich dass die Fehlversuche durch eine bewusst unkorrekte Atmung des Beschwerdeführers zustande gekommen sind) hat die belangte Behörde unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer mit dem Vortestgerät ohne weiteres ein gültiges Messergebnis zustande brachte sowie der Tatsachen, dass der Beschwerdeführer beim Test durch den Amtssachverständigen aus medizinischer Sicht in der Lage war, das für eine Atemluftuntersuchung erforderliche Luftvolumen auszublasen und keine solchen gesundheitlichen Einschränkungen hatte, die ihm dies früher unmöglich gemacht hätten sowie in Anbetracht der von der belangten Behörde den Feststellungen zu Grunde gelegten Aussage des Meldungslegers, es habe auch keine Anzeichen für die Unmöglichkeit der Ablegung des Alkotests gegeben, in schlüssiger und nachvollziehbarer Beweiswürdigung festgestellt. Dass sie den Angaben des Beschwerdeführers nicht gefolgt ist, begründet keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung.

Entgegen der vom Beschwerdeführer in der Beschwerde vertretenen Ansicht hat der medizinische Sachverständige begründet dargelegt, weshalb der Beschwerdeführer in der Lage gewesen sei, den Alkomaten so zu beatmen, dass ein gültiges Ergebnis zustande gekommen wäre. Den Ausführungen des Sachverständigen hält der Beschwerdeführer in der Beschwerde keine Argumente auf gleicher fachlicher Ebene entgegen, was insbesondere für die vom Beschwerdeführer geforderte Beiziehung des Lungenfacharztes des Beschwerdeführers gilt.

Zu Recht hat die belangte Behörde auch von der Einvernahme von Zeugen Abstand genommen, die zum Beweis geführt wurden, der Beschwerdeführer habe keinen Alkohol zu sich genommen, weil dies für das in Frage kommende Tatbild der Verweigerung gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 ohne Relevanz ist.

Der Beschwerdeführer verabsäumt es auch, die von ihm geforderte Anwendung der §§ 20 und 21 VStG in der Beschwerde zu begründen. Zur Strafbemessung generell ist auf die von der belangten Behörde ohnehin nur verhängte Mindeststrafe zu verweisen.

Insgesamt ergibt sich, dass die Beschwerde unbegründet ist, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-83090