VwGH vom 09.12.2013, 2013/10/0081
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des Fonds Soziales Wien, vertreten durch Mag. Richard Sachweh, 1030 Wien, Guglgasse 7-9, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. 6-SO-N5254/0-2012, betreffend Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Kostenbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Schreiben vom teilte die beschwerdeführende Partei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See mit, Herr J.T. befinde sich seit in einem Wohn- bzw. Pflegeheim (in Wien) und habe sich während der letzten sechs Monate vor Inanspruchnahme von Sozialhilfe in Form von Anstaltspflege durch fünf Monate an einer näher genannten Adresse in Pamhagen aufgehalten. Es werde um Anerkennung der Erstattungspflicht ersucht.
Mit Schreiben vom teilte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See mit, dass gemäß Art. 3 der Ländervereinbarung eine Kostentragung nicht anerkannt werde. Eine Prüfung habe ergeben, dass eine Hauptwohnsitzummeldung des Hilfeempfängers mit stattgefunden habe, die Leistung durch die beschwerdeführende Partei jedoch erst ab zuerkannt worden sei.
Mit Schreiben vom teilte die beschwerdeführende Partei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See mit, dass diese zum Kostenersatz verpflichtet sei, da Herr J.T. "sowohl laut Zentralmelderegister als auch physisch" während der letzten sechs Monate "vor Spitalsaufnahme" im Burgenland aufhältig gewesen sei. Es werde um Ausstellung des Kostenanerkenntnisses sowohl für die Leistung "Stationäre Pflege und Betreuung - Spezielle Leistung Procuratio" vom bis als auch für die nunmehrige Nachpflege ab im Pflegewohnhaus Simmering ersucht.
Mit Schreiben vom teilte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See der beschwerdeführenden Partei mit, es werde neuerlich bekanntgegeben, dass die Kosten nicht anerkannt würden. Laut Prüfung im Zentralmelderegister habe sich Herr J.T. bereits mit (vom Burgenland nach Wien) umgemeldet.
Mit Schreiben vom beantragte die beschwerdeführende Partei die bescheidmäßige Erledigung der gegenständlichen Kostenersatzangelegenheit durch die belangte Behörde. Wie seitens der beschwerdeführenden Partei bereits ausgeführt worden sei, habe sich Herr J.T. unter Berücksichtigung neutraler Zeiten zumindest die letzten sechs Monate vor Beginn der Hilfeleistung tatsächlich im Burgenland und nicht in Wien aufgehalten. Es sei nicht nachvollziehbar, "inwiefern lediglich aufgrund der Datenlage des ZMR" der tatsächliche Aufenthaltsort von Herrn J.T. ermittelt worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Übernahme der Kosten der stationären Pflege und Betreuung (Spezielle Leistung Procuratio) vom bis und für die Nachpflege im Pflegewohnhaus Simmering ab dem für Herrn J.T. gemäß Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 der Vereinbarung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 15/1976, iVm § 78 Burgenländisches Sozialhilfegesetz 2000, LGBl. Nr. 5/2000, ab.
In der Begründung wurde zunächst der Verfahrensgang dargestellt.
In rechtlicher Hinsicht wurde sodann im Wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde habe am den Beitritt des Landes Burgenland zur "Vereinbarung der Länder über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe" beschlossen. Die so genannte Ländervereinbarung (eine Art. 15a B-VG-Vereinbarung) betreffend den "Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe", LGBl. Nr. 15/1976, sei vom Landeshauptmann von Burgenland am kundgemacht worden. Die Vereinbarung bestehe zwischen allen Bundesländern.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Ländervereinbarung sei jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate aufgehalten habe und der nach den für ihn geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zu Grunde lägen, zu tragen habe. Gemäß Art. 7 der Ländervereinbarung habe über die Verpflichtung zum Kostenersatz im Streitfalle die Landesregierung, in deren Bereich der zum Kostenersatz angesprochene Träger liege, im Verwaltungsweg zu entscheiden.
Aus den zur Überprüfung der Voraussetzungen für ein Anerkenntnis übermittelten Unterlagen gehe hervor, dass dem Hilfesuchenden vom bis die Leistung "Stationäre Pflege und Betreuung - Spezielle Leistung Procuratio" als auch für die Nachpflege ab dem die Leistung "Stationäre Pflege und Betreuung" im Pflegewohnheim Simmering gewährt worden sei. Der Beginn der Hilfeleistung sei der gewesen. Als Beginn der 6-Monate-Frist gemäß Art. 3 Abs. 1 der Ländervereinbarung sei somit der anzusehen. Voraussetzung für die Kostenersatzpflicht durch den Burgenländischen Sozialhilfeträger sei, dass sich Herr J.T. ab dem noch fünf Monate im Burgenland aufgehalten habe und zumindest bis zum im Burgenland verblieben sei. Laut Zentralem Melderegister habe Herr J.T. seinen Wohnsitz mit nach Wien verlegt. Sohin sei dieser lediglich vier Monate, zwei Wochen und zwei Tage vor Gewährung der Leistung durch die beschwerdeführende Partei im Burgenland verblieben. Auch aus einem Mail des Sohnes des Herrn J.T. an die beschwerdeführende Partei vom gehe hervor, dass Herr J.T. lediglich bis Mai 2012 im Burgenland gelebt habe, dann aber sein Wohnsitz wieder nach Wien verlegt worden sei. Selbst wenn der gesamte Mai 2012 als im Burgenland ansässig angenommen würde, ergebe sich lediglich ein Aufenthalt im Burgenland in der Dauer von vier Monaten und fünf Tagen. Da die Voraussetzung des zumindest fünfmonatigen Aufenthalts in den letzten sechs Monaten vor Gewährung der Hilfe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Ländervereinbarung nicht erfüllt sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid zwar auf die Bestimmungen über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 15/1976, gestützt. Diese Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG (Ländervereinbarung) bindet allerdings nur die vertragsschließenden Länder selbst. Darüber hinausgehende Rechtswirkungen (Berechtigungen bzw. Verpflichtungen von Sozialhilfeträgern) bedürfen daher der Transformation in die Landesrechtsordnung, wie das durch § 78 Burgenländisches Sozialhilfegesetz 2000 erfolgt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0040, mwN).
§ 78 Burgenländisches Sozialhilfegesetz 2000, LGBl. Nr. 5/2000 in der Fassung LGBl. 77/2010 (Bgld. SHG), lautet auszugsweise:
"Kostenersatz an andere Länder
(1) Das Land Burgenland hat den Trägern der Sozialhilfe anderer Länder, mit denen eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe besteht, LGBl. Nr. 15/1976, bei Gegenseitigkeit die für die Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.
(2) Zu den Kosten der Sozialhilfe gehören Kosten, die einem Träger für eine Hilfesuchende oder einen Hilfesuchenden
1. nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Sozialhilfe oder
2. ...
erwachsen.
(3) Soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, ist das Land Burgenland zum Kostenersatz verpflichtet, wenn
1. sich die oder der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Sozialhilfe mindestens durch fünf Monate im Landesgebiet aufgehalten hat und
2. das Land nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zugrunde liegen, zu tragen hat.
(4) Für die Anwendung des Abs. 3 Z 1 gelten folgende Regelungen:
1. Bei der Berechnung der Fristen haben außer Betracht zu bleiben:
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a) | ... |
b) | der Aufenthalt in einer Anstalt oder in einem Heim, das nicht in erster Linie Wohnzwecken dient; |
c) | ... |
... |
(7) Das Land Burgenland, dem im Sinne des Abs. 2 Kosten erwachsen, hat dem voraussichtlich zum Kostenersatz verpflichteten Träger die Hilfeleistung unverzüglich, längstens aber innerhalb von sechs Monaten ab Beginn der Hilfeleistung anzuzeigen und diesem hiebei alle für die Beurteilung der Kostenersatzpflicht maßgebenden Umstände mitzuteilen. Desgleichen ist jede Änderung dieser Umstände längstens innerhalb von sechs Monaten mitzuteilen.
(8) Über die Verpflichtung des Landes Burgenland zum Kostenersatz hat im Streitfall die Landesregierung im Verwaltungsweg zu entscheiden."
Die Beschwerde macht geltend, bei Beurteilung des Beschwerdefalles sei der Aufenthalt von Herrn J.T. zur Krankenbehandlung im Sozialmedizinischen Zentrum Ost - Donauspital im Zeitraum vom bis nicht berücksichtigt worden. Der Krankenhausaufenthalt ergebe sich aus einer (mit der Beschwerde vorgelegten) Aufenthaltsbestätigung. Aufgrund des Umstandes, dass der beschwerdeführenden Partei im Verwaltungsverfahren von der belangten Behörde kein Parteiengehör eingeräumt worden sei, habe diese Aufenthaltsbestätigung nicht vorgelegt werden können. Der Krankenhausaufenthalt von Herrn J.T. sei als neutrale Zeit gemäß § 78 Abs. 4 Z. 1 lit. b Bgld. SHG zu werten, sodass sich Herr J.T. gemäß § 78 Abs. 3 leg. cit. während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Sozialhilfe mindestens fünf Monate im Burgenland aufgehalten habe.
Zunächst ist festzuhalten, dass die beschwerdeführende Partei mit diesem Vorbringen einen Ermittlungs- und Feststellungsmangel und damit eine Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen hat, wird mit der Wortfolge "während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe" bei Zuerkennung einer zeitraumbezogenen Leistung jener Zeitraum umschrieben, der sechs Monate vor dem ersten Tag liegt, für den die Hilfe zuerkannt wurde (vgl. abermals das genannte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0040, mwN). Zutreffend ist auch das Beschwerdevorbingen, dass ein Aufenthalt zur Krankenbehandlung im Sozialmedizinischen Zentrum Ost - Donauspital bei der Berechnung der Frist gemäß § 78 Abs. 3 Z. 1 Bgld. SHG im Grunde des § 78 Abs. 4 Z. 1 lit. b leg. cit. nicht zu berücksichtigen wäre (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom ).
Die belangte Behörde hat den von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachten Krankenhausaufenthalt nicht festgestellt. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde der beschwerdeführenden Partei im Verwaltungsverfahren allerdings kein Parteiengehör eingeräumt. Die belangte Behörde führt dazu in ihrer Gegenschrift aus, im Rahmen des Parteiengehörs seien die Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis zu bringen. Aufgrund der Aktenlage und der Tatsache, dass durch die beschwerdeführende Partei "als Berufungswerberin in der Berufungsschrift keinerlei Beweisanträge gestellt oder neue Beweise, wie die in Rede stehende Aufenthaltsbestätigung", beigebracht worden seien, sei von der belangten Behörde auch kein weitergehendes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden, dessen Ergebnisse der beschwerdeführenden Partei im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis und Stellungnahme gebracht hätten werden können.
Dem ist zu erwidern, dass das vorliegende Verfahren gemäß § 78 Abs. 8 Bgld. SHG kein Berufungsverfahren darstellt und dem vorgelegten Verwaltungsakt auch keine "Berufungsschrift" der beschwerdeführenden Partei zu entnehmen ist. Vielmehr hat die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom die bescheidmäßige Erledigung der gegenständlichen Kostenersatzangelegenheit durch die belangte Behörde beantragt und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass - wie bereits zuvor ausgeführt worden sei - sich der Hilfeempfänger unter Berücksichtigung neutraler Zeiten zumindest die letzten sechs Monate vor Beginn der Hilfeleistung tatsächlich im Burgenland aufgehalten habe. Der belangte Behörde lag in diesem Zusammenhang auch das Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom vor, in dem u.a. ausgeführt worden war, dass der Hilfeempfänger während der letzten sechs Monate vor der "Spitalsaufnahme" im Burgenland aufhältig gewesen sei. Vor diesem Hintergrund wäre es aber an der belangten Behörde gelegen, ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren einzuleiten, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
Dem könnte auch nicht etwa entgegengehalten werden, dass Art. 6 der Ländervereinbarung u.a. vorsieht, dass der Träger, dem im Sinne des Art. 2 der Ländervereinbarung Kosten erwachsen, dem voraussichtlich zum Kostenersatz verpflichteten Träger "alle für die Beurteilung der Kostenersatzpflicht maßgebenden Umstände mitzuteilen" hat. Diese Bestimmung wurde nämlich nur dahin in die Landesrechtsordnung transformiert, dass gemäß § 78 Abs. 7 Bgld. SHG das Land Burgenland, dem im Sinne des Abs. 2 leg. cit. Kosten erwachsen, dem voraussichtlich zum Kostenersatz verpflichteten Träger alle für die Beurteilung der Kostenersatzpflicht maßgebenden Umstände mitzuteilen hat (vgl. - bezogen auf § 53 Salzburger Sozialhilfegesetz - das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 15386/A).
Nach dem Gesagten belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Das Kostenbegehren war abzuweisen, weil für die nicht durch einen Rechtsanwalt eingebrachte Beschwerde gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG kein Schriftsatzaufwand gebührt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/10/0115).
Wien, am
Fundstelle(n):
GAAAE-83087