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VwGH vom 13.11.2019, Ra 2019/13/0092

VwGH vom 13.11.2019, Ra 2019/13/0092

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Bürgermeisters der Stadt Graz in 8010 Graz, Hauptplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 40.26-1794/2019-5, betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO (mitbeteiligte Partei: S in W, vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 48/1/7), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Ladungsbescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom wurde die in Wien wohnhafte Mitbeteiligte in Sachen Nächtigungsabgabe als "Auskunftsperson" geladen. Sie wurde ersucht, am um 10 Uhr zur Einvernahme im Amtshaus in Graz zu erscheinen. Sollte sie jedoch den anberaumten Termin nicht persönlich wahrnehmen können, werde ihr "die Möglichkeit geboten, innerhalb der darauffolgenden 14 Tage nach dem behördlich festgesetzten Ladungstermin, selbst einen Ersatztermin der zuständigen Behörde bekanntzugeben und wahrzunehmen". 2 Als Grund der Einvernahme wurde angegeben, nach Recherchen im Internet sei festgestellt worden, dass die Mitbeteiligte in Graz eine Wohnung zur Beherbergung von Gästen anbiete. Der Aufforderung, sich zur Nächtigungsabgabe anzumelden, sei die Mitbeteiligte nicht nachgekommen. Da die Mitbeteiligte im Internet als Vermieterin angeführt sei, sei beabsichtigt, sie einzuvernehmen.

3 Hingewiesen wurde darauf, dass die Abgabenbehörde berechtigt sei, Auskunft über alle für die Erhebung von Abgaben maßgebenden Tatsachen zu verlangen; die Auskunftspflicht treffe jedermann (§ 143 BAO).

4 Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass eine Zwangsstrafe in Höhe von 500 EUR für die Nichtbeachtung der Ladung verhängt werde, wenn die Mitbeteiligte diese Ladung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht befolge.

5 Die Ladung wurde der Mitbeteiligten zu eigenen Handen (am ) zugestellt.

6 Mit E-Mail vom teilte die Mitbeteiligte sie, sie habe am 1. und am 4. Februar je eine Prüfung in einem Studium. Es gebe hierfür keine Ersatztermine. Der Lernstoff sei sehr umfangreich. Da Deutsch nicht ihre Muttersprache sei, benötige sie doppelt so viel Zeit zum Lernen. Zusätzlich habe sie bis Ende Februar drei schriftliche Arbeiten für ein anderes Studium abzugeben. Dafür müsse sie diverse Literatur und Dokumentationen durchgehen. Die Abgabe dieser schriftlichen Arbeiten sei sehr wichtig, da sie für die Verlängerung des Aufenthaltstitels mindestens 18 ECTS pro Jahr vorlegen müsse. Sie könne daher der Ladung für nicht nachkommen und ersuche um Verschiebung des Termins auf frühestens März.

7 Mit Bescheid vom setzte der Bürgermeister gegenüber der Mitbeteiligten eine Zwangsstrafe von 500 EUR fest. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Pflicht zum Erscheinen müsse nur dann nicht befolgt werden, wenn dies durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse bedingt sei. Eine Lerntätigkeit sei kein begründetes Hindernis, zumal diese nicht am Erscheinen hindere.

8 Mit weiterem Bescheid vom wurde die Mitbeteiligte neuerlich als Auskunftsperson für den geladen.

9 Die Bescheide vom wurden der Mitbeteiligten am (zu eigenen Handen) zugestellt.

10 Die Mitbeteiligte erhob gegen die Festsetzung der Zwangsstrafe Beschwerde.

11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht (nach abweisender Beschwerdevorentscheidung durch den Bürgermeister und Vorlageantrag der Mitbeteiligten) der Beschwerde Folge und behob den Bescheid des Bürgermeisters vom betreffend die Verhängung der Zwangsstrafe. Es sprach aus, dass eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

12 Das Verwaltungsgericht führte nach Wiedergabe des Verfahrensgangs und des eingangs geschilderten Sachverhalts im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte habe im Hinblick auf die weitere Ladung für den eine Vertagungsbitte eingebracht (Lehrveranstaltung an der Universität in Wien). Mit Ladungsbescheid vom sei die Mitbeteiligte sodann wiederum als Auskunftsperson für den geladen worden. Am Morgen dieses Tages habe der rechtsfreundliche Vertreter die Mitbeteiligte entschuldigt. In der Folge sei bei der Behörde eine ärztliche Bestätigung eingelangt, wonach es der Mitbeteiligten aus medizinischen Gründen nicht möglich gewesen sei, an der Verhandlung am teilzunehmen. Die Mitbeteiligte habe im gesamten Zeitraum keinen Ersatztermin bekannt gegeben, obwohl ihr diese Möglichkeit eröffnet worden sei.

13 Die unwidersprochene Zurkenntnisnahme der Verhinderung am Erscheinen stelle de facto einen Verzicht der Behörde auf die Ladung dar (Hinweis auf ). Ein Ladungsbescheid werde durch eine neuerliche Ladung gegenstandslos. Durch die Erlassung der weiteren Ladungsbescheide vom und vom sei der Ladungsbescheid vom gegenstandslos geworden. Daher habe die Behörde die Zwangsstrafe nicht für den Ladungsbescheid vom verhängen dürfen. Dieser Bescheid sei daher ersatzlos zu beheben gewesen.

14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Bürgermeisters. Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis stütze sich auf nicht einschlägige Judikatur und weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Folgte man der Auslegung des Verwaltungsgerichtes, so könnte zwar bei fruchtlosem Ablauf eines Ladungstermins eine Zwangsstrafe verhängt werden. Bevor jedoch eine neuerliche Ladung ergehen könnte, müsste die Rechtskraft des Zwangsstrafenbescheides abgewartet werden. Dies würde die Einvernahme von Personen um Monate verzögern. Würde jedoch gleich ein neuer Ladungsbescheid ergehen, dürfte keine Zwangsstrafe verhängt werden, weil nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes die neuerliche Ladung der ursprünglichen "derogiere". Dem Rechtsinstitut der Zwangsstrafe als Pressionsmittel wäre damit der Anwendungsbereich entzogen.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

17 Gemäß § 91 Abs. 1 BAO ist die Abgabenbehörde berechtigt, Personen (zu "Auskunftspersonen" vgl. § 143 BAO), deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.

18 Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat gemäß § 91 Abs. 3 BAO die Verpflichtung, der Vorladung Folge zu leisten, und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten werden. Die Verhängung dieser Zwangsstrafen ist nur zulässig, wenn sie in der Vorladung angedroht und die Vorladung zu eigenen Handen zugestellt war.

19 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Behörde nachträglich auf das persönliche Erscheinen der geladenen Person (vgl. ) oder auf den Vollzug der in der Ladung angedrohten Zwangsfolge verzichten kann (vgl. - zu § 19 AVG - ; , 2010/11/0007), wodurch der Ladungsbescheid mit den darin angedrohten Zwangsfolgen gegenstandslos wird (vgl. ). Ein derartiger Verzicht kann auch implizit zum Ausdruck gebracht werden, insbesondere durch Erlassung eines neuerlichen Ladungsbescheides (vgl. ), ohne die im ersten Ladungsbescheid angedrohte Zwangsstrafe zu verhängen (vgl. ). Dies betrifft vor allem Fälle, in denen etwa eine Verhandlung vor dem Zeitpunkt des anberaumten Verhandlungstermins, zu dem die Ladung erfolgt war, auf einen späteren Termin verlegt wird (vgl. etwa ; , Ra 2019/20/0137).

20 Im vorliegenden Fall wurde allerdings gleichzeitig mit der neuen Ladung auch die in der ersten Ladung angedrohte Zwangsstrafe - wenn auch mit gesondert erlassenem Bescheid - verhängt. Dieses Verhalten kann nicht als (impliziter) Verzicht auf das persönliche Erscheinen der geladenen Person oder auf die Verhängung der angedrohten Zwangsstrafe verstanden werden.

21 Die Verhängung der Zwangsstrafe war aber dennoch rechtswidrig.

22 Mit dem Ladungsbescheid des Bürgermeisters vom war die Mitbeteiligte ersucht worden, am zur Einvernahme zu erscheinen. Für den Fall, dass sie diesen Termin nicht persönlich wahrnehmen könne, war ihr aber weiters die Möglichkeit eingeräumt worden, innerhalb von 14 Tagen nach dem behördlich festgesetzten Ladungstermin selbst einen Ersatztermin bekanntzugeben und wahrzunehmen.

23 Lagen Gründe, wie sie in § 91 Abs. 3 BAO genannt werden, vor, so war die Mitbeteiligte nicht verpflichtet, der Ladung Folge zu leisten (vgl. - zu § 19 AVG - ). In diesem Fall konnte sich schon deswegen keine - im Gesetz auch nicht vorgesehene - Verpflichtung der Mitbeteiligten ergeben, selbst einen Ersatztermin zu nennen. Wenn aber die Behörde der Mitbeteiligten eine derartige - im Gesetz nicht geregelte - "Möglichkeit" für den Fall einräumt, dass sie den Termin nicht persönlich wahrnehmen "könne", so muss sich dies auf Fälle beziehen, die über die in § 91 Abs. 3 BAO geregelten hinaus gehen, bestünde doch sonst kein Anwendungsbereich für diese "Möglichkeit".

24 Ein berufliches Hindernis (oder auch ein Hindernis durch einen Urlaub) fällt nur dann unter den Begriff der "sonstigen begründeten Hindernisse" (iSd § 91 Abs. 3 BAO), wenn es so zwingend ist, dass es nicht etwa durch entsprechende rechtzeitige Dispositionen beseitigt werden kann (arg: "abhalten"; vgl. - zu § 19 Abs. 3 AVG - ; , 2002/03/0095; , Ra 2018/05/0008). Dies ist auch für das Hindernis durch eine Inanspruchnahme im Rahmen einer Ausbildung anzunehmen.

25 Im Hinblick auf die weder gesetzlich noch von der Behörde näher spezifizierte Voraussetzung des "Nicht-Persönlich-Wahrnehmen-Könnens" des behördlich anberaumten Termins ist davon auszugehen, dass auch ein aus der Ausbildung resultierendes Hindernis diese Voraussetzung erfüllt, selbst wenn dieses Hindernis durch rechtzeitige Dispositionen hätte beseitigt werden können. Insbesondere ist diese von der Behörde ohne gesetzliche Determinierung verwendete Formulierung im Zweifel zu Lasten der Behörde (§ 915 ABGB) dahin auszulegen, dass auch die von der Mitbeteiligten geltend gemachte Inanspruchnahme durch das Studium diese Voraussetzung des "Nicht-Persönlich-Wahrnehmen-Könnens" erfüllt, vor allem wenn überdies berücksichtigt wird, dass die Mitbeteiligte ihren Wohnsitz nicht im Sprengel der revisionswerbenden Behörde hat (vgl. insoweit auch Ritz, BAO6, § 91 Tz 3, und für Auskunftspersonen allgemein § 143 Tz 11). 26 Die Beachtung der gesetzlich nicht geregelten Verpflichtung zur Bekanntgabe eines Ersatztermins kann aber schon wegen des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage hiefür (vgl. § 111 Abs. 1 BAO, der auf die Befolgung der auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen der Abgabenbehörden Bezug nimmt; vgl. hiezu Ritz, BAO6, § 111 Tz 2) nicht durch Androhung und Verhängung einer Zwangsstrafe erzwungen werden. 27 Vor diesem Hintergrund ist die Verhängung von Zwangsstrafen bei Ladungen wie der vorliegenden rechtswidrig. Darüber hinaus ist unverständlich, aus welchem Grund eine Zwangsstrafe bereits vor Ablauf der von der Behörde selbst eingeräumten Frist festgesetzt wurde. Schließlich wäre zu beachten gewesen, dass die Mitbeteiligte innerhalb der von der Behörde eingeräumten Frist ohnehin einen Termin für die Einvernahme - wenn auch nicht konkret ("frühestens März") - genannt hatte; es ist im Übrigen auch nicht erkennbar, wie es der Mitbeteiligten möglich sein sollte, einen konkreten Termin - zu dem auch ein Organwalter der Behörde anwesend sein müsste - von sich aus festzusetzen.

28 Die Revision war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130092.L00

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