VwGH vom 12.05.2022, Ra 2019/13/0086
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der M GmbH & Mitgesellschafter in G, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1220 Wien, Stadlauer Straße 39/1/Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100081/2018, betreffend Festsetzung einer Pfändungsgebühr und von Auslagenersätzen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit einem - an die „[M] GmbH u Mitges“ gerichteten - Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber der Revisionswerberin gemäß § 26 Abs. 1 und 3 der Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) eine Pfändungsgebühr iHv 3.437,80 € sowie Auslagenersätze iHv 0,68 € fest.
2In der dagegen erhobenen Beschwerde vom brachte die Revisionswerberin vor, die Vorschreibung der Pfändungsgebühr sowie der Auslagenersätze sei mangels eines Rückstands unberechtigt und rechtswidrig.
3Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab. Aufgrund eines vollstreckbaren Rückstands iHv 343.779,52 € sei es am zu einer Erhebung im Außendienst gekommen, welche zur Festsetzung der gegenständlichen Pfändungsgebühr und der Auslagenersätze geführt habe. Die im Rückstandsausweis vom angeführten Abgabenschuldigkeiten (Einkommensteuer [BE] 2014 iHv 194.170,82 €, Säumniszuschlag 1 2014 iHv 3.885,56 €, Einkommensteuer [BE] 2013 iHv 145.723,13 €) seien zwar (wie eine Reihe weiterer Abgabenbeträge) aufgrund der im Abgabenverfahren gegen die Einkommensteuer (Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988) erhobenen Beschwerde vom zunächst ausgesetzt worden, aufgrund der Abweisung der Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung vom seien diese Abgaben aber wieder fällig geworden. Im Vorlageantrag vom habe die Revisionswerberin nur die Aussetzung bestimmter, näher bezeichneter Abgabenbeträge beantragt. Die im Rückstandsausweis vom ausgewiesenen Abgabenschuldigkeiten seien tatsächlich fällig und vollstreckbar gewesen, sodass die Festsetzung der Pfändungsgebühr und der Auslagenersätze rechtmäßig erfolgt sei.
4Mit Vorlageantrag vom begehrte die Revisionswerberin die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
5Mit Mängelbehebungsauftrag vom forderte das Bundesfinanzgericht die Revisionswerberin auf, eine Begründung der Beschwerde nachzureichen.
6Mit Schriftsatz vom kam die Revisionswerberin dem Mängelbehebungsauftrag des Bundesfinanzgerichts nach und brachte vor, bei dem angefochtenen Bescheid handle es sich um einen „Nicht-Bescheid“. Die revisionswerbende Gesellschaft sei das „abwicklungstechnische Vehikel“ dreier Gesellschaften des M-Konzerns zur Durchführung eines bestimmten Tunnelprojekts in Österreich (ARGE KW B). Mit Schlusserklärung vom sei die Revisionswerberin aufgelöst worden. Seither gebe es sie rechtlich nicht mehr. Ein an eine nicht mehr existente Personengemeinschaft gerichteter Bescheid entfalte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtswirkungen. Eine GesbR verliere mit dem Zeitpunkt ihrer Auflösung für den Bereich des Abgabenrechts ihre Eignung als tauglicher Bescheidadressat. Die Pfändungsgebühr betreffe eine Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988, die der Revisionswerberin gar nicht vorgeschrieben worden sei. Auch sei die Aussetzung der Einhebung unberücksichtigt geblieben. Im Übrigen erwecke § 26 AbgEO auch verfassungsrechtliche Bedenken.
7Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, nach dem abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag sei die Revisionswerberin als eine GesbR anzusehen. Mit dem GesbR-Reformgesetz (GesbR-RG), BGBl. I Nr. 83/2014, seien die Bestimmungen der §§ 1175 bis 1216e ABGB neu gefasst worden. Die maßgeblichen Vorschriften seien mit in Kraft getreten. Nach den §§ 1216a ff ABGB sei nun im Falle der Auflösung der GesbR eine Liquidation der Gesellschaft vorgesehen. Dies lasse darauf schließen, dass die GesbR ihre Parteifähigkeit nicht bereits im Zeitpunkt ihrer Auflösung, sondern erst mit der Vollbeendigung der Liquidation verliere. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verliere eine Personengesellschaft des Unternehmensrechts ihre Parteifähigkeit erst mit ihrer Beendigung. Ihre Auflösung und Löschung im Firmenbuch beeinträchtige ihre Parteifähigkeit solange nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten, wozu auch Abgabengläubiger zählten, noch nicht abgewickelt seien. Dies werde seit der Änderung der Rechtslage durch das GesbR-RG, das wie bei Personengesellschaften des Unternehmensrechts eine Liquidation vorsehe, auch für die GesbR gelten. Da im revisionsgegenständlichen Fall noch vor der Liquidation nach außen hin entsprechende abgabenbehördliche Erhebungsmaßnahmen gesetzt worden seien, könne noch nicht von einer Vollbeendigung sämtlicher Abgabenverfahren ausgegangen werden. Auch habe die Revisionswerberin nicht für alle mit Beschwerde angefochtenen Sachbescheide Aussetzungsanträge nach § 212a BAO gestellt, weshalb diese mit Rückstandsausweis vollstreckbar geworden seien. Die Vorschreibung der Pfändungsgebühr und der Auslagenersätze sei daher zu Recht erfolgt.
9Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, bei dem vor dem Bundesfinanzgericht angefochtenen Bescheid handle es sich aufgrund der Nennung des falschen Bescheidadressaten um einen „Nicht-Bescheid“, weshalb das Bundesfinanzgericht die Beschwerde hätte zurückweisen müssen, statt eine Sachentscheidung zu treffen. Das Bundesfinanzgericht weiche damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (Hinweis u.a. auf ; , 2008/15/0204; , 2012/13/0043). Auch habe die Revisionswerberin - entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts - mit dem Beschwerdeschriftsatz vom einen Aussetzungsantrag für die streitgegenständlichen Abgabenrückstände gestellt. Aus diesem Grund bestehe ein Zahlungsaufschub und damit ein Vollstreckungsschutz, weshalb die Pfändungsgebühr zu Unrecht vorgeschrieben worden sei.
10Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde sowie weiterer Eingaben der Revisionswerberin erwogen:
11Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
12§ 26 der Abgabenexekutionsordnung (AbgEO), BGBl. Nr. 104/1949 idF BGBl. I Nr. 105/2014, lautet samt seiner Überschrift auszugsweise wie folgt:
„Gebühren und Auslagenersätze.
§ 26. (1) Der Abgabenschuldner hat für Amtshandlungen des Vollstreckungsverfahrens nachstehende Gebühren zu entrichten:
a)Die Pfändungsgebühr anläßlich einer Pfändung im Ausmaß von 1% vom einzubringenden Abgabenbetrag; wird jedoch an Stelle einer Pfändung lediglich Bargeld abgenommen, dann nur 1% vom abgenommenen Geldbetrag.
b)[...]
Das Mindestmaß dieser Gebühren beträgt 10 Euro.
(2) [...]
(3) Außer den gemäß Abs. 1 zu entrichtenden Gebühren hat der Abgabenschuldner auch die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen zu ersetzen. [...]
(5) Gebühren und Auslagenersätze werden mit Beginn der jeweiligen Amtshandlung fällig und können gleichzeitig mit dem einzubringenden Abgabenbetrag vollstreckt werden; sie sind mit Bescheid festzusetzen, wenn sie nicht unmittelbar aus einem Verkaufserlös beglichen werden (§ 51).
[...]“
13Gemäß § 1 AbgEO gelten die Bestimmungen der AbgEO in Angelegenheiten der von den Abgabenbehörden des Bundes zu erhebenden Abgaben iSd § 3 der Bundesabgabenordnung (BAO). Soweit sich aus der AbgEO nicht anderes ergibt, sind die Bestimmungen der BAO auch im Vollstreckungsverfahren anzuwenden.
14Gemäß § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
15Die Personenumschreibung ist notwendiger Bestandteil des Bescheidspruchs mit der Wirkung, dass ohne gesetzmäßige Bezeichnung des Adressaten im Bescheidspruch, zu dem auch das Adressfeld zählt, kein individueller Verwaltungsakt gesetzt wird (vgl. , mwN).
16Gemäß § 19 Abs. 2 BAO gehen mit der Beendigung von Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit deren sich aus Abgabenvorschriften ergebende Rechte und Pflichten auf die zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter (Mitglieder) über. Hinsichtlich Art und Umfang der Inanspruchnahme der ehemaligen Gesellschafter (Mitglieder) für Abgabenschulden der Personenvereinigung (Personengemeinschaft) tritt hiedurch keine Änderung ein.
17Mit dem Tatbestandsmerkmal „Beendigung“ knüpft § 19 Abs. 2 BAO an das Zivilrecht an (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 19 Rz 14 mit Verweis auf Stoll, BAO, 198).
18Da nach der Rechtslage vor dem GesbR-Reformgesetz (GesbR-RG), BGBl. I Nr. 83/2014, eine GesbR (§ 1175 ABGB) mit ihrer Auflösung (§ 1205 ABGB) endete, vertrat der Verwaltungsgerichtshof dazu in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass eine GesbR mit dem Zeitpunkt ihrer Auflösung für den Bereich des Abgabenrechts ihre Parteifähigkeit und damit ihre Eignung als tauglicher Bescheidadressat verliert (vgl. etwa , und Ra 2014/15/0024, mwN). Abgabenrechtliche Bescheide, die nach der Auflösung einer GesbR an diese und nicht an deren Gesellschafter ergangen sind, konnten danach keine Rechtswirkungen entfalten (vgl. etwa , mwN).
19Mit dem GesbR-Reformgesetz (GesbR-RG), BGBl. I Nr. 83/2014, wurde das gesamte 27. Hauptstück des ABGB neu geregelt. Mit der Novellierung wurden auch neue Regelungen betreffend die Beendigung der GesbR geschaffen. Nach der Auflösung (§§ 1208 ff ABGB) ist nun - wie bei Personengesellschaften des Unternehmensrechts - eine Liquidation (§§ 1216a ff ABGB) der GesbR vorgesehen.
20Wie in den Materialien ausgeführt wird, wurde das Recht der Auflösung und Liquidation der GesbR an das Recht der Offenen Gesellschaft (OG) angepasst. Die Vorschriften betreffend die Liquidation der GesbR sind den §§ 145 bis 158 des Unternehmensgesetzbuchs (UGB) nachgebildet. Rechtsfähige Personengesellschaften bestehen nach ihrer Auflösung bis zur Beendigung der Liquidation fort. Entsprechendes soll, wie aus den Materialien hervorgeht, auch für die GesbR gelten (vgl. ErläutRV 270 BlgNR 25. GP 5, 23).
21Da der Gesetzgeber mit dem GesbR-RG das Recht der Auflösung und Liquidation der GesbR an jenes der eingetragenen Personengesellschaften angepasst hat, kann auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beendigung von eingetragenen Personengesellschaften (OG, KG) zurückgegriffen werden.
22Danach beeinträchtigt die Auflösung einer KG oder OG und ihre Löschung im Firmenbuch jedenfalls so lange ihre Parteifähigkeit nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten - dazu zählt auch der Bund als Abgabengläubiger - noch nicht abgewickelt sind. Wenn es sich um Sachverhalte handelt, aufgrund derer eine KG oder OG Steuerrechtssubjekt sein kann, ist ein „Abwicklungsbedarf“ im Sinne dieser Rechtsprechung gegeben (vgl. etwa , mwN).
23Daraus ergibt sich, dass eine GesbR ihre Parteifähigkeit bzw. ihre Eignung als tauglicher Bescheidadressat in Abgabenverfahren nicht mehr - wie nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor dem GesbR-RG - bereits mit dem Zeitpunkt ihrer Auflösung, sondern erst mit der Vollbeendigung der Liquidation verliert. Dazu zählt auch die Abwicklung der Rechtsverhältnisse zu den Abgabenbehörden (vgl. auch Ritz/Koran, BAO7, § 79 Rz 12).
24Die Revisionswerberin ist aufgrund des noch bestehenden „Abwicklungsbedarfs“ im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung auch im Verfahren betreffend die Vollstreckung der Abgabenschuldigkeiten als parteifähig zu betrachten. Der Bescheid vom betreffend die Vorschreibung einer Pfändungsgebühr und von Auslagenersätzen ist daher zu Recht an die Revisionswerberin und nicht an ihre Gesellschafter ergangen.
25Soweit in der Revision weiters vorgebracht wird, die Revisionswerberin habe in der Beschwerde vom einen Aussetzungsantrag hinsichtlich bestimmter im Rückstandsausweis angeführter Abgabenbeträge gestellt, ist zu erwidern, dass sich schon das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung mit diesem Einwand auseinandergesetzt hat und die Revisionswerberin weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch in der Revision dem substantiiert entgegengetreten ist.
26Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
27Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019130086.L00 |
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